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27. Mai 2022

Über den spirituellen Abgrund

Ich habe im Laufe der Jahre wiederholt meinem Mißfallen über die Annahme von bösen Geistern Ausdruck gegeben, durch welche sich das Wort Jesu
Ihr schließt das Himmelreich vor den Menschen zu! Ihr kommt nicht hinein, und die hinein wollen, laßt ihr nicht hineingehen.
erfüllt. Hier nun möchte ich mich mit zwei Phänomenen beschäftigen, welche spiritueller Natur sind und zweifellos schädlich, nämlich spirituelle Leere und spirituelle Unwillkürlichkeit.

Beginnen wir mit letzterer, denn über sie habe ich schon des öfteren geschrieben. Es gibt zwei Arten spiritueller Unwillkürlichkeit, nämlich
  • Geplagtheit und
  • Verstricktheit.
Geplagtheit bedeutet, daß der eigene Geist zu schwach ist, um sich unwillkürlich aufsteigenden Ängsten zu erwehren. Dies kann durch Traumatisierung gezielt herbeigeführt werden, worauf die so genannte Gehirnwäsche beruht, wie einigermaßen überzeugend im Film The Ipcress File gezeigt. Die Vorstellung, daß Theodore John Kaczynski das Gehirn gewaschen wurde, ist natürlich lächerlich, weil niemand parallel zu einer solchen Traumatisierung Mathematikvorlesungen an der Universität Berkeley halten kann. Die Wollust hingegen, mit welcher sich Politiker und Presse in den letzten zwei Jahren auf die Traumatisierung der Allgemeinheit gestürzt haben, stellt durchaus einen ernsthaften Gehirnwäscheversuch dar.

Und Verstricktheit entsteht, wenn das Gebet um die Gnade auf Beliebiges gerichtet wird und man sich also in einem Geist der Beliebigkeit verfängt. Dieser Geist ist entweder ein Teil des eigenen Geistes, welcher jenseitig wirkt, zum Beispiel indem er kleine Sünden sofort bestraft oder das eigene Trachten durch ironische Begebenheiten kommentiert*, wobei dies eine sehr milde Form der Verstrickung ist, oder er ist das Agglomerat vieler solcher Geister, welches jenseitig zwischen ihnen vermittelt, wie etwa bei der Befragung des I Chings, welche bereits zu als bedrohlich empfundenen Verstrickungen führt (schön am Anfang von 11 Harrowhouse eingefangen).

Wie ich schon sagte, stellt das I Ching selbst wieder eine milde Form divinatorischer Verstrickung dar und das Ouijabrett die schlimmste. Es liegt aber, wie bei allem Aberglauben, denn Verstrickung und Aberglaube sind dasselbe, kein eigentlich fremder Geist vor, sondern nur ein Agglomerat beliebig gewordenen menschlichen Glaubens. Die Divinationseinschränkung auf die Nachfahren Aarons ist vor diesem Hintergrund als prinzipiell vernünftig zu betrachten.

Dies also widerfährt uns unwillkürlich. Spirituelle Leere liegt vor, wenn wir uns danach sehnen, eine geistige Konfiguration zu finden, welche unserer geistigen Heimat entspricht, aber unsere Prospektion nicht zureicht. Die Sehnsucht sehnt sich dabei nach zwei Gefühlen, welche die Wahrnehmung eines fremden Geistes begleiten, und welchen sie sich tagträumend hingibt, nämlich
  • die Getragenheit durch einen fremden etwas verantwortet habenden Geist und
  • die Angenommenheit durch einen fremden von etwas abhängigen Geist.
Die ersteren Tagträume drücken sich etwa in schwarzen Ledermänteln aus oder in der Vorstellung, über die Kräfte eines Superhelden zu verfügen, oder auch in beidem, wiewohl die einzelnen Komponenten älter sind als ihre Verbindung. Es ist nur natürlich, daß die Jugend ihren eigenen Weg zu gehen versucht, aber wenn ihr der Staat dabei mit schwarzen Lederklamotten helfend zur Seite springt, so ist es dem Verständigen klar, daß der Staat sie das Eine träumen lassen will, während sie das Andere tut, was noch bei jedem Fetisch geschieht.

Aber während dieser Fetisch, egal ob nun Ledermantel oder magisch aufgeladene Fantasieuniform à la Breivik, zu einer spirituellen Leere führt, welche der Einfachheit halber als Psychopathie bezeichnet werden kann, wobei es äußerlich auch ganz anders aussehen kann wie bei der Manson Family, innerlich aber stets Verblendung vorliegt, führt der andere Fetisch, in welchem sich die letzteren Tagträume ausdrücken, und welcher etwa in ätherischen Ölen und bunten Steinen besteht, und was es sonst noch an esoterischem Krimskrams gibt, zu einer Leere, welche Einsamkeit genannt wird: Der Psychopath wähnt sich getragen, doch handelt allein, und der Einsame wähnt sich angenommen, doch ist es nicht.

Fast muß ich Breivik als eine Manifestation meines Geistes betrachten, weil ich mich in der Nacht vor seiner Tat besonders ungetragen gefühlt habe, womit er einen hämischen Kommentar darstellt, doch wenn ich nunmal die Angewohnheit habe, die Welt nur wie in einer Kristallkugel zu sehen, sind derartige Erfahrungen vielleicht das probate Mittel, um mir ihrer Anwesenheit bewußt zu werden.

* Diese Kommentare sind der beste Beweis, daß es in der Tat ein Teil unseres eigenen Geistes ist, denn ihr Humor deckt sich mit dem unserer Träume.

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