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27. Juni 2022

Instabile Theorien

Eine Aussage wird durch eine Beschreibung eines Modells gebildet, welche die Verhältnisse zwischen seinen Gegenständen festhält.

Und verfeinert werden Aussagen durch die Synthese von Modellen, etwa wenn verschiedene Auffassungen eines Gegenstandes in einem Dialog zur Sprache kommen.

Umgekehrt wird eine Aussage durch eine Deutung ihrer verortet, welche nach ihr entsprechenden Modellen in geeigneten Gegenstands- und Verhältnisklassen sucht, wobei diese Klassen möglicherweise auch zu suchen sind, etwa bei Gleichnissen.

Nicht immer fällt die Verortung leicht, etwa wenn die Aussage lautet: Es läßt sich einsehen, daß es unendlich viele Primzahlzwillinge gibt, wo die Verortung dann in der Auffindung eines Modells bestünde, welches aus einem geordneten Netz von Aussagen bestünde, von welchen die Anfangsaussagen alle einsehbar wären, alle Knotenaussagen einsehbar aus den vorangegangenen Aussagen hervorgingen und die letzte Knotenaussage die Aussage über die Primzahlzwillinge wäre, oder wenn wir fragen, in wiefern ein bestimmter Bibelspruch auf die gegenwärtige Lage anwendbar ist, wo die Verortung den Kontext respektiert, in welchen wir die Lage stellen, und das Gleichnis, welchem wir ihn vergleichen.

Also kommt es bisweilen dazu, daß wir in unserem Urteil, ob und wie sich eine Aussage verorten läßt, schwanken. (Die Verortung einer Aussage ist eine Ausrichtung zu ihr, und ebenso die Beurteilung, ob sie sich verorten läßt.) Und eine Theorie, welche aus Aussagen besteht, deren Verortung schwankt, heiße instabil.

Ein wichtiges Beispiel einer instabilen Theorie begegnet uns gegenwärtig im Bereich der Ethik, nämlich die Vorstellung, daß das Gute in der verdienten Behandlung der Menschen bestehe, wobei es mir weniger um die Hartherzigkeit geht, welche im historischen Vergleich normal ist, als um den Wahn, Gutes zu bewirken.

Es ist nämlich so, daß die verdiente Behandlung von Faktoren abhängt, welche sich jederzeit ändern können und es bisweilen auch tun. Da sich diese Änderungen weder vorhersagen, noch auch nur alle momentanen Faktoren verläßlich registrieren lassen, schwankt das Urteil darüber, ob eine bestimmte Behandlung gut ist oder nicht, die ganze Zeit, was einen kopflosen Fanatismus erzeugt.

Stabilität gewinnt Ethik durch die sich nicht ändernde Liebe des Menschen, durch welche er seine Art und die Ordnung seiner Existenz bekräftigt, welche er durch seine Taten allgemein zu fördern vermag, ohne sich damit zu beschweren, wer diese Förderung verdient. So war es, und so wird es bleiben. Weiß ein Löwenzahn etwa, wohin sein Same weht? Muß er es wissen, um zu gedeihen? Groß ist die Mühe, um gnadenvoll zu wirken, aber wer die Gnade kennt, wird sie nicht scheuen, noch wird er anderen zusätzliche bereiten, er weiß, daß er ein Diener ist und andere gleich ihm in einem Dienst, der alles, was gnadenvoll ist, erzeugt, und sich also dem eingereiht hat, was er einzig liebt.

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