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28. November 2023

Eusozialität als Programmier- und Schmeichelbarkeit

Eusozialität bezeichne das dem Staatsinteresse entsprechende soziale Verhalten. Die Frage, welche ich mir in diesem Beitrag stelle, ist, welche Gestalt sie in unserem Zeitalter annimmt.

Der Staat hat als Organisation ein Interesse an der Spezialisierung seiner Bürger zur Ausfüllung seiner Funktionen. Eine Möglichkeit der Spezialisierung besteht darin, natürliche Unterschiede zu kultivieren und für den Staat nutzbar zu machen, wie es im Zeitalter der Wacht geschieht. Wenn das wissenschaftliche Streben eines Zeitalters hingegen die Gesetzmäßigkeiten des menschlichen Handelns erforscht, so wird es solche natürlichen Unterschiede als bloße Kombinationen elementarer Handlungen verstehen, welche ihm einerseits zwar frei Haus geliefert werden, aber andererseits seine Kombinationsmöglichkeiten auf Kombinationen ihrer einschränken, und je weiter fortgeschritten seine Wissenschaft ist, desto höher wird ihm dieser Preis erscheinen, zumal menschlichen Handlungen, indem sie in Routinen überführt werden, Ausführungsschritt für Ausführungsschritt optimiert und wiederholt werden können, worauf professionelles Training ja beruht. (Ob sich alle menschlichen Handlungen in Routinen überführen lassen, ist natürlich eine berechtigte Frage. Wenn wir von immanenten Handlungen ausgehen, denke ich schon, wobei ich ihnen allerdings einen Funktionswillen unterlegen würde, welcher ihnen einen Begriff für das für sie Wesentliche vermittelte, im Gegensatz zu den gegenwärtig implementierten Ansätzen, welche auf der stochastisch abgesicherten Imitation des Verhaltens von Expertengruppen basieren, dabei aber auch schon einsatzfertige Lösungen liefern, wenn auch nicht in Form von Routinen, welche Menschen befolgen könnten, so doch für Computer.)

Eusozialität im Zeitalter der Werke besteht also zum einen darin, sich für seine Funktion programmieren zu lassen und die dafür nötigen elementaren Handlungen von Natur aus hinreichend gut zu beherrschen. Für Gestimmte ist das prinzipiell inakzeptabel, da sie ihre Haltung ihrer Stimmung nach wählen, Erregten muß ein hinreichend hoher materieller Preis für ihre Spezialisierung gezahlt werden und Fordernden hinreichende soziale Anerkennung gezollt.

Letzteres ist am einfachsten, aber auch nicht beliebig ausführbar. Zum einen muß es klare hierarchische Unterschiede in der Anerkennung geben (Ku! / Kiu!)*, und zum anderen muß die Hierarchie als Ganzes akzeptiert werden, wobei sich die Inakzeptanz in dem Gefühl ausdrückt, in der eigenen Funktion im Vergleich zu einem Andern in seiner mehr Anerkennung verdient zu haben. Da Eusozialität aber darin besteht, den Interessen des Staates zu folgen und nicht den eigenen Vorstellungen, muß sie zum andern über einen Aspekt verfügen, welcher dieses Gefühl unterdrückt, und dieser besteht darin, sich schmeicheln zu lassen.

Jemanden zu schmeicheln heißt, ihm Anerkennung in einer Phantasiewelt zu zollen, in welcher er sich wähnt. Das macht einen wesentlichen Teil des Reizes von Rollenspielen aus, in welchen man die Anforderungen an die gespielte Rolle ja nicht wirklich annimmt, wie es etwa kleine Kinder tun, wenn sie Kunde und Kassiererin spielen, sondern sich lediglich darin gefällt, die ihr gezollte Anerkennung zu erfahren, und also gehört zur Eusozialität, Pseudorollen in Pseudoorganisationen zu akzeptieren und die ihnen gezollte gespielte Anerkennung.

* auf Pluke beruht die Anerkennung auf dem Wohlstand. Der Film suggeriert also, daß in Amerika die Fordernden zur Anerkennung des Materiellen erzogen werden, aber letztlich macht er sich über Hierarchien als solche lustig und insbesondere auch über jene in sozialistischen Staaten. Die meisten Georgier sind natürlich (wie die meisten Nahöstler) Gestimmte - und die meisten Russen (wie die meisten Europäer) Fordernde. In gewisser Weise ist Daneliyas Kin-dza-dza! reifer als Carpenter's They Live: Geld ist nicht Gott, sondern das Medium, durch welches Phantasien Wirklichkeit werden, und welches als solches geschätzt wird. Letzteres blenden Amerikaner gerne aus: Sowohl, daß sie es tun, als auch, was es bedeutet: nämlich die Freiheit auf die Ersinnung von Geschäftsmodellen zu reduzieren, und das ist eine andere Freiheit, als die Freiheit, das Ureigene zu finden, auch wenn wir dazu ebenfalls unser Auskommen finden müssen und ein Geschäft unter Umständen das Ureigene einfängt. Auf der anderen Seite wird das amerikanische Gespann, in welchem das gute Pferd dem schlechten hinterherrennt, wie Platon die soziale Anerkennung auf der Grundlage von Reichtum beschrieben hätte (Jonathan Quayle Higgins III natürlich nicht minder), durch die chinesische Eusozialität bedroht, in welcher sich Phantasien nur noch im Spiel auf Befehl der politischen Führung verwirklichen. Doch damit genug der praktischen Relevanz dieses traurigen Themas.

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