Bereitschaftsbeitrag

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29. Juli 2013

Anfänge einer allgemeinen Theorie der Geschichte

Zweifellos ein bombastischer Titel, aber ich begebe mich in der Tat auf das genannte Terrain, wenngleich zunächst in bescheidenem Ausmaß.

Die Grundlage dieses Beitrags ist eine Zusammenführung des gestrigen Beitrags mit den Beiträgen Konkretisierung des Glaubens im ideellen Zykel und Eine Klassifizierung von Ordnungsmächten hinsichtlich ihres Verhältnisses zum sie tragenden Geist.

Ob ich die Phasen des ideellen Zykels des Christentums im nämlichen Beitrag ganz richtig angegeben habe, wage ich mittlerweile etwas zu bezweifeln, denn auch im Mittelalter gab es noch glaubensinspirierte Gesellschaftsentwürfe, etwa bei den Kreuzrittern. Dessen ungeachtet befinden wir uns aber schon seit geraumer Zeit in seiner dritten Phase, in welcher der Glaube nur noch persönlichen Einfluß ausübt, aber keinen gesellschaftlichen mehr.

Und in diese Phase fallen die Beobachtungen, welche ich im zuletzt aufgeführten Beitrag angestellt habe. Hier will ich sie nun auf der Grundlage der Verzahnung von ideellem und funktionalem Zykel erklären.

Wie ich gestern bemerkt habe, befindet sich die englische Gesellschaft in einem sehr alten, weit fortgeschrittenen funktionalen Zykel, und da dieser Zykel mittlerweile über die Dauer der gemeinschaftsprägenden Phase des christlichen Glaubenszykels hinausgewachsen ist, wurde das instrumentelle Ordnungsprinzip zum bestimmenden der englischen Gesellschaft.

Außerhalb Englands gibt es hingegen keine Gesellschaftsordnungen, welche noch aus der Zeit der gemeinschaftsprägenden Phase des christlichen Glaubenszykels stammen, alle übrigen sind also vergleichsweise jung, aber mittlerweile auch schon wieder alt im Vergleich zur deutschen, und zwar nicht nur im Vergleich zur heutigen deutschen, sondern auch im Vergleich zu den ihr vorangehenden deutschen Gesellschaftsordnungen seit Napoléon.

Und dies ist der wahrscheinliche Grund, warum das zähmende Ordnungsprinzip unter den Deutschen vorherrscht, nämlich weil es der Gründung von Gesellschaftsordnungen gemäß ist, unabhängig davon, ob sie glaubensgeleitet sind oder nicht.

Wie ich vor kurzem erst sagte, nicht alles was sich Ideologie oder Glauben nennt, ist es auch, nicht alles was vorgibt, sich auf Gott zu beziehen, tut es auch, und daß die Deutschen den atheistischen Charakter ihrer Gesellschaftsentwürfe besonders betonten, hat in erster Linie etwas mit Ehrlichkeit zu tun, aber andererseits muß man gerechterweise der Reformation zumindest einen teilweise glaubenserneuernden Charakter zubilligen, welcher auch partiell zu glaubensgeprägten Gesellschaftsentwürfen geführt hat. Meiner Ansicht nach handelt es sich bei ihr aber erst um einen Vorboten, welcher die eigentliche Glaubenserneuerung in die Wege leitet, mehr dazu in den Beiträgen Kommunismus und Protestantismus und Touristen.

Nun sind auch Frankreichs und Italiens gesellschaftliche Ordnungen nicht älter als Napoléon, aber sie wurden nicht so sehr erschüttert wie die deutsche, sondern vergleichsweise milde angepaßt, oder anders ausgedrückt bestand dort kein vergleichbarer Reformstau. Aus diesem Grund dominierte der Aspekt der Gründung dort nie so sehr wie in Deutschland das gesellschaftliche Denken, stattdessen wurde die innere Entwicklung dieser Länder durch politischen Wettbewerb nach akzeptierten Regeln bestimmt, und dieser Zustand, in welchem die Gesellschaftsordnung durch inneren Zwiespalt stets wieder auf ein begrenztes Maß zurückgeschnitten wird, ohne ihre Grundfesten anzurühren, ist der Normalfall, entspricht also einem natürlichen Ordnungsprinzip, welches sich gemeinsamem Instinkt verdankt und keiner Ideologie, sozusagen die tierische Vorstufe glaubensgetragener Gesellschaftsordnungen.

Was Italien betrifft, so bleibt es wohl auch dabei, während Frankreich sich möglicherweise in eine Krise maneuvriert, welche den Gründungsaspekt hervorspülte.

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