Bereitschaftsbeitrag

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23. Juni 2021

Auswiegungsgemeinschaften

Gesellschaftliche Ordnungen werden entweder entworfen oder ausgewogen. Der Entwurf ist ein privater Prozeß, und wenn ein Entwurf den anderen nicht aufhebt, bestehen beide parallel neben einander. Die Auswiegung, hingegen, ist ein öffentlicher Prozeß, welcher die Gemeinschaft der Auswiegenden als ganze erfaßt.

Die relevanten gesellschaftlichen Ordnungen bestehen dem vorigen Beitrag gemäß innerhalb unserer Vertretbarkeit, Angewiesenheit und Möglichkeiten, und wenn sie also innerhalb der einzelnen Ausblicke ausgewogen werden, möchte ich die Gemeinschaft der Auswiegenden
  • als Zuhörerschaft bezeichnen, wenn sie ihre Vertretbarkeit öffentlich auswiegen, indem sie beispielsweise Rat vom delphischen Orakel einholen,
  • als Schwarm, wenn sie ihre Angewiesenheit öffentlich auswiegen, wie beispielsweise die Teilnehmer an einer freien Marktwirtschaft, und
  • als Truppe, wenn sie ihre Möglichkeiten öffentlich auswiegen, wie etwa wandernde Schauspieler.
Die Etablierung in den drei Zeitaltern beruht auf privatem Entwurf, im Zeitalter
  • der Wacht bildet die Gesellschaft also keine Truppe,
  • der Werke keine Zuhörerschaft und
  • der Wunder keinen Schwarm,
im Gegensatz zur Fundamentlegung in den drei Zeitaltern, welche ausgewogen wird, so daß die Gesellschaft im Zeitalter
  • der Wacht eine Zuhörerschaft bildet,
  • der Werke einen Schwarm und
  • der Wunder eine Truppe,

womit die zeitgeistlichen materiellen transzendenten Akte im entsprechenden Zeitalter (siehe auch freies Heil) zusammenhängen, indem sie der passenden Auswiegungsgemeinschaft bedürfen*.

Auf die Auswahl der etablierten Einrichtungen, der sich im entsprechenden Zeitalter entwickelnden Nebenordnung, läßt sich die Unterscheidung zwischen Entwurf  und Auswiegung nicht anwenden, da sie nicht menschlicher Willkür entspringt, sondern der übergenerationalen Dynamik der Geschichte. Dies bedeutet, daß die Gesellschaft im Zeitalter
  • der Wacht nur abstrakt, nicht aber konkret einen Schwarm bildet,
  • der Werke nur abstrakt, nicht aber konkret eine Truppe, und
  • der Wunder nur abstrakt, nicht aber konkret eine Zuhörerschaft,
mit anderen Worten bildet die Gesellschaft im Zeitalter
  • der Wacht also nur eine Zuhörerschaft**,
  • der Werke nur einen Schwarm und
  • der Wunder nur eine Truppe,
doch während der Übergänge zwischen den Zeitaltern, wann keine neuen Einrichtungen mehr etabliert werden, konkretisiert sich die abstrakte Auswiegungsgemeinschaft neben der konkret bestehenden, so daß die Gesellschaft beim Übergang vom Zeitalter
  • der Wacht zu jenem der Werke eine Zuhörerschaft und einen Schwarm bildet,
  • der Werke zu jenem der Wunder einen Schwarm und eine Truppe, und
  • der Wunder  zu jenem der Wacht eine Truppe und eine Zuhörerschaft,
wozu hinsichtlich der Frage nach transzendenter Etablierung und Vorgabe zu bemerken ist, daß die Aussetzung auf der parallelen Existenz privater Entwürfe basiert, womit die Etablierung an Auswiegung transzendent nachholt, was immanent versäumt wurde, was bei der Vorgabe als abstrakter Etablierung von Seinsweisen allerdings seltener auf Rechthaberei beruhen dürfte als auf bruchstückhafter Erkenntnis, so daß die quantitative Verschiebung von ideeller zu materieller Transzendenz während der Übergänge mit einer quantitativen Verschiebung von transzendenter Etablierung zu transzendenter Vorgabe einhergeht, da die Konkretisierung der vormals abstrakten Auswiegung zu begrifflichen Spannungen bei haltungsmäßiger Entspannung führt (Das Herz ist willig, aber das Hirn ist matt), was natürlich auch heißt, daß wir uns bemühen sollten, unsere Bruchstücke der Erkenntnis von dem der übergenerationalen Dynamik der Geschichte Entzogenen nach Kräften zusammenzutragen, also heute konkret, wie wir die weitere technologische Entwicklung überleben können.

Wie schon zuvor bemerkt, handelt es sich bei den der Vorgabe zugrundeliegenden Bruchstücken der Erkenntnis stets um allgemeine Idealvorstellungen, vulgo Wunschdenken. Der Kniff in der gegenwärtigen Lage besteht darin, es auf das Nötige auszudehnen und zu beschränken.

* Die ideellen transzendenten Akte bedürfen des privaten Entwurfs (siehe auch gebundenes Heil), doch auch wenn sich die Auswahl der etablierten gesellschaftlichen Einrichtungen der übergenerationalen Dynamik der Geschichte gemäß vollzieht, und also im abstrakten Sinne ausgewogen wird, betrachten die auswählenden Administratoren die Auswahl doch als ihren privaten Entwurf und beten auch für sie.

** Im Gegensatz zur Lebensweise der eurasischen Peripherie, welche für sich in Anspruch nehmen kann, alle Auswiegungsgemeinschaften in sich zu vereinigen, Zuhörerschaft, Schwarm und Truppe zu sein, kann man eine derartige Behauptung vom real existiert habenden Sozialismus nicht aufstellen, in welchem die Gesellschaft lediglich eine Zuhörerschaft bildete. Natürlich ist das ganz zwangsläufig, da die kommunistische Partei sich ja die Aufgabe stellt, das Vertretbare gesellschaftlich zu etablieren, aber es ist zugleich auch kurios, da es nicht auf eine sonderlich öffentlich auswiegende Gesellschaft hinausläuft, für einen Schwarm sind die Menschen zu ängstlich und für eine Truppe zu ordentlich (wie gesagt im Gegensatz zu ihrer traditionellen Lebensweise, jedenfalls soweit es Rußland betrifft), sondern auf eine Wiederbelebung des Zeitalters der Wacht mit der kommunistischen Partei in der Rolle des Orakels von Delphi.

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