Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

10. Juli 2022

Was zur Sprache kommt.

Seit gut 20 Jahren leide ich positiv bewußt darunter, daß das Wesentliche in unserer Gesellschaft nicht zur Sprache kommt, das heißt, seit gut 20 Jahren weiß ich, daß es in unserer Gesellschaft nicht zur Sprache kommt, vermutet hatte ich es schon vorher, und seit ich damals Platon gelesen hatte und den Universitätsbetrieb aus eigener Anschauung kannte, brachte ich diesen Umstand mit Aristoteles in Verbindung, also mit dem von ihm beworbenen Expertentum.

Aristoteles war natürlich direkt für den Untergang der griechischen Stadtstaaten verantwortlich, und es scheint vielleicht etwas verspätet, das heute zu betrauern, aber wenn die Grundlage dafür, daß etwas gesellschaftlich zur Sprache kommt, nur hinreichend umfassend verstanden wird, läßt sich die fortgesetzte Aktualität des Themas erkennen.

Es gilt der folgende Satz:
Die Gesellschaft bringt nur das zur Sprache, was zu ihren Verrichtungen gehört.
Und da ich mich in den letzten paar Jahren zunehmend mit organisierten Verrichtungen auseinandergesetzt habe, kann ich nach Prüfung ihrer verschiedenen Formen festhalten, daß das gesellschaftliche Gespräch eine Funktion der Parameter Koordination und Delegation ist und die Delegation es degeneriert.

Genauer gesagt dient das gesellschaftliche Gespräch beim Koordinieren der Bildung und ihrer Reflexion und beim Delegieren dem Erraten der Revision. Im Einzelnen
  • erraten Kandidaten die Erfahrung ihrer Prüfer, welche ihre Abdeckung (konkret Bewertung) durch letztere bestimmt,
  • Auftragnehmer die Haltung (Umgang, Vorhaltung und Bestrebung) möglicher Auftraggeber, welche ihren Einsatz durch letztere bestimmt, und
  • Diener die Vorhaben ihrer Herren, in welche ihre Kritik durch letztere mündet, wohingegen
  • Verbündete zunächst Haltungen bilden und dann die Bildung von Haltungen im allgemeinen reflektieren,
  • sich Zusagen Machende zunächst Vorhaben bilden und dann die Bildung von Vorhaben im allgemeinen reflektieren und
  • Zusammenarbeitende zunächst Erfahrungen bilden und dann die Bildung von Erfahrungen im allgemeinen reflektieren,
wobei sich letzteres im Rahmen des popkulturellen Zykels sowohl an den Hippies, siehe etwa Tobe Hooper's Film Eggshells, als auch an der Gründerzeit im Hinblick etwa auf den Marxismus mustergültig belegen läßt. Verbündung besteht heute nur noch in Form des Schwarms, und das diesbezügliche Gespräch ist entsprechend der diesbezüglichen Haltung rudimentär, im wesentlichen ja: Red nicht! Mach!, und koordinierte Vorhaben sind auch auf dem Rückzug, wiewohl Notlagen zu ihnen zwingen, was allerdings wiederum keine hochgeistigen Gespräche anregt.

Es geht also um die Wurst: Wenn wir unsere Zukunft nicht damit verbringen wollen zu erraten, in welcher Tasche unser Herrchen das Leckerli versteckt hat, müssen wir unser gesellschaftliches Leben von der Delegation weg zur Koordination hin umgestalten.

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