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6. April 2022

Deutungsprobleme angesichts grammatikalischer Kategorien am Beispiel von μονογενὴς

Warum eigentlich habe ich im Beitrag Noch einmal zu μονογενὴς nicht einfach wie folgt argumentiert?
homogen = gleichartig = gleicher Art wie etwas
heterogen = verschiedenartig = verschiedener Art von etwas
monogen = einartig = einer Art mit etwas
Dafür gibt etwas zwei Gründe:
  1. Wenn der Suffix -artig an ein Adjektiv angehängt wird, so läßt sich das entstehende Adjektiv als von der durch das Adjektiv beschriebenen Art verstehen (gutartig = von guter Art, bösartig = von böser Art), wenn aber an ein Nomen, so beschreibt das entstehende Adjektiv die Art dieses Nomens (ruckartig = von der Art eines Rucks), und bei Zahlen besteht immer eine gewisse Schwierigkeit zu sagen, ob sie Adjektive oder Nomen sind.
  2. Im Deutschen und Englischen provoziert die Beschreibung von einer Art (of one kind) zwar die Frage Mit was? (With what?), aber ich kann mir nicht sicher sein, daß das im Altgriechischen auch so ist.
Also habe ich mich auf die Betrachtung von 1 als Nomen zurückgezogen, weil es dort weniger Fehlerquellen gibt, weil alle Welt darin übereinstimmt, was 1 als Nomen heißt, und dann weiter gefragt, wie einsartig in der altgriechischen Literatur verwendet wird, warum Johannes ausgerechnet dieses doch sehr exotische Wort verwenden wollte und schließlich, ob die Erklärung zu dem Rest dessen, was Johannes sagt, auf natürliche Weise paßt.

Dennoch, nach alledem, bin ich am Ende doch dabei gelandet, daß die bestmöglichen Übersetzungen einsgeboren im Deutschen und oneborn im Englischen natürlicherweise als eins mit dem Vater (one with the father) verstanden werden, wobei da auch wieder ein gewisser Unterschied zwischen der Wahl von geboren zu der von -artig besteht, normalerweise zwar nicht,
schön geboren = von schöner Art,
gut geboren = von guter Art,
aber im Falle von eins als Adjektiv schon:
eins geboren = substantielle Verbundenheit mit etwas
von einer Art = formale Gleichheit mit etwas
und im Englischen entsprechend. Im Falle der altgriechischen Literatur macht es indes keinen Unterschied, welche der beiden Deutungen man bei ihr wählt, einer Art mit dem Vater ist dort stets unproblematisch und am elegantesten, doch im Falle von Jesus Christus ist es besser, mit Blick auf das, was Johannes sonst noch sagt, die substantielle Verbundenheit zu behaupten, als die formale Gleichheit.

Post Scriptum vom selben Tag. Im Deutschen können eins und einzig als zwei verschiedene von 1 abgeleitete Adjektive betrachtet werden (wie im Englischen united oder one und unique), und daß ich mich für eins anstatt einzig entschieden habe, ist nur eine Frage der passenderen Übersetzung, doch wird das natürlich dadurch konterkariert, daß μόνο gerade einzig heißt und keine etymologische, sehr wohl aber eine vorstellungsmäßige Verbundenheit mit 1 aufweist. Am Fortgang der Untersuchung ändert das aber nichts. Statt von der Art der 1 muß nur von von der Art der Einzigheit ausgegangen werden, was aber sowohl im Falle der altgriechischen Literatur, als auch im Falle des Johannesevangeliums zu den nämlichen Schlüssen führt, und auch nicht verwunderlicherweise, sondern weil der Ansatz ja gerade ist, dasjenige mit dem Nomen verbundene Adjektiv zu wählen, welches am besten zum Kontext paßt, und da μονογενὴς ein selten verwendetes Wort ist, ist es nicht weiter verwunderlich, daß man mit einiger Mühe einen genau passenden Begriff, oder wie in diesem Falle zwei nahe verwandte genau passende Begriffe, findet. So oder so stehen wir vor dem Problem, verstehen zu müssen, was andere vor 2000 Jahren in einer fremden Sprache gemeint haben. Und ich sehe keinen Grund, den Wert meines Vorgehens zu bezweifeln.

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