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25. September 2013

Ästhetik und Ethik

Gewiß, ich greife das Thema wieder aus dem Glasperlenspiel auf, auch wenn es dort nur als Schlagwort aufgeworfen wird.

Eigentlich wollte ich ja einen kleinen Hans Milch xspf-Player basteln, aber wenn ich auch genügend viele interessante Vorträge von ihm für dieses Vorhaben fand, etwa über das Königreich des Christus, so mag ich doch weder seine Stimme noch sein Gesicht, und er selbst hat diese ja zu sicheren Anzeichen für Gottes Nähe erklärt. Er starb mit einem Holzpfahl im Herzen. Offenbar hielt ihn sein Mörder für einen Vampir, und so sah er freilich auch aus. Ein etwas schlankerer Hermes Phettberg vielleicht, der sich als Spiegel anpries, statt zu betteln?

Gut, aber das gehört zum hier verfolgten Thema: Die Ästhetik trachtet stets danach, das Wesen des Ausdrucks und den Ausdruck des Wesens zu finden. Als solche steht sie natürlicherweise nicht in Konkurrenz zur Ethik, und doch kann sich diese auf zwei Weisen ergeben.

1. Als Anzeichen.

Dies betrifft den Untertanen, welcher im Angesicht des Prunks des Herrschers sein eigenes moralisches Urteil dem des Herrschers unterwirft.

Diese Konkurrenz ist eine natürliche und bezieht ihre Berechtigung aus der Schwierigkeit des praktischen Erreichens theoretischer Ziele, aber das heißt nicht, daß die rechte Gewichtung der beiden Konkurrenten stets vorliegt, denn selbstverständlich besteht für jeden Herrscher die Versuchung, seine Untertanen demütiger zu stimmen als es ihnen gebührt.

2. Als Rechtfertigung.

Mein Schwanz sieht so aus, als ob ich ihn irgendwo reinstecken sollte. Ich glaube, ich sollte ihn irgendwo reinstecken.

Das Problem dieses an sich gar nicht mal falschen Gedankengangs ist in diesem Beispiel bereits vollständig erfaßt, nämlich daß unsere ästhetische Erfassung nie vollständig ist und in Folge dessen auch nie spezifische, dem eigenen Schicksal gemäße Handlungsanleitungen geben kann. Immer kommt es dazu, daß dabei ein irgendwann, irgendwie, irgendwo in ein egal wann, egal wie, egal wo übersetzt wird und das in die nächstbeste Gelegenheit.

Diesbezüglich stimmt aber, daß, wie Ernst Jünger meinte, Ästhetik und Ethik sich irgendwo treffen, insofern nämlich die ästhetische Erfassung, je mehr von einander untrennbare Aspekte sie beherrscht, auch desto mehr dem individuellen Schicksal gemäße Handlungsvorschläge an die Hand gibt. Nichtsdestotrotz bleibt dies ein schlechter Ansatz, um sein Leben zu gestalten. Er hat aber seinen Wert als Grundlage des Rates des Alten für den Jungen.

Die Angelegenheit ist also keine wirklich problematische, schwer zu durchschauende, und aus dem zweiten Punkt ergibt sich neuerlich der Nutzen der Kunst als Einsichtshilfe, sowie nebenbei ihre Gleichstellung mit dem Rat der Älteren.

Schwer zu durchschauen ist allenfalls der Spezialfall, daß sich einer dem Schönen um seiner selbst Willen verschreibt, aber darin zeigt sich nur seine philosophische im Gegensatz zur heroischen Gesinnung. Er benutzt also die Imitation des Schönen als Vehikel, um sich selbst zu Einsichten zu führen, insbesondere dann, wenn sein geistiger Horizont nicht hinreicht. Mit anderen Worten handelt es sich um einen Kontemplationsersatz, und eine Konkurrenz zur Ethik liegt normalerweise nicht vor, da versucht wird, das Schöne in möglichst folgenlosen Handlungen einzufangen. Freilich, konkret mag einer sogar aus solchen Gründen in den Krieg ziehen, aber er bliebe dabei ja austauschbar, und insofern handelt es sich schon um eine folgenlose Handlung. Kaum einer vermengt diesen Ansatz mit den Leben anderer, und welche es tun, werden zu Recht wahnsinnig genannt.

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