Bewußtes Denken stellt eine
zeitlich-logische Erweiterung derart dar, daß Teile bestehender
Wahrnehmungen als
vorangehende Vergangenheit ihnen zeitlich folgenden
Wahrnehmungen beigefügt werden oder als
logische Begründung entweder einer bereits zuvor bestanden habenden
Wahrnehmung oder einer auf sie folgenden.
Die beigefügten Teile hängen dabei davon ab, was in der
Ausgangswahrnehmung erfaßt war. Bei reinen
Anschauungen ist es eine mehr oder minder klare
Erinnerung des
anschaulichen Eindrucks, bei
Thematisierungen ist es das zuletzt
Thematisierte in unveränderter Form, und bei
Einsichten gehen wir von einer der vollständigen
Thematisierung ihrer
Erscheinungen äquivalenten
Reflexion aus.
Das
zeitlich Vorangehende heiße das
Verwaltete (τ).
Das
logisch Vorangehende heiße das
Waltende (τ
χ).
Und das sich
Ergebende heiße das
Gewaltete (φ
(χ)).
Das Denken selbst heiße entsprechend auch
Walten, und dieses
Walten zerfällt in folgende Oberarten.
1. Das Spezifizieren, bestehend aus:
- dem Spezifizierten (τ)
- der Spezifikation (φ)
Dieser Art sind die
Thematisierungen und die
Einsichten. Hierbei folgt auf eine
Wahrnehmung zeitlich eine
logisch reichere Wahrnehmung, ohne daß es dafür eine
logische Begründung gäbe.
Genauer gesagt handelt es sich bei
Thematisierungen [
a1, ...,
an] um
Synthesen von
Themen a1, ...,
an, ausgenommen
n = 1, aber auch dann bezeichnet [
a1] die nämliche
Thematisierung, und bei
Einsichten um Mengen von
Synthesen der Form [
ai, γ/ε], wobei γ und ε auf einander bezügliche
Erscheinungsweisen sind.
Diese können selbst als
Thematisierungen verstanden werden und auch neuerlich
thematisiert werden. Und umgekehrt gibt es verschiedene Einsichtsvermögen über
Thematisierungen, nämlich Δ
ο,λ, Δ
σ,μ und Δ
α,α, sofern es sich in letzterem Fall um
Erscheinungen handelt, wobei Δ
σ,μ wie folgt definiert ist.
σ (σύνθεσις) die vollständige Thematisierung
μ (μέρος) sämtliche ihrer zu einander disjunkten Teile
Aufgrund dieser Bedingungen ist μ gegebenenfalls, also wenn der Teil nicht schon gleich das Ganze ist, zu sich selbst
antipodisch.
Das
Wahrnehmungsvermögen, in welchem wir
Thematisierungen wahrnehmen, bezeichnen wir als
Logos (Λ). Falls [
ai, γ/ε] ein Eindruck von Δ
γ,ε ist, so offenbar auch in Λ. Die
Einsicht ist mehr als die bloße
Unterordnung verschiedener
Eindrücke unter einen
synthetischen, sie
ordnet zugleich verschiedene
synthetische Eindrücke einander
bei.
Im Gegensatz zu
Thematisierungen besteht zwischen
anschaulichen Themen nicht das
Verhältnis Δ
σ,μ, sondern das nahe verwandte
Verhältnis Δ
Υ,Ι, wobei
Υ das Abgedeckte
Ι die zusammen Abdeckenden
Der Gedanke hinter dieser Bezeichnung ist graphischer Natur: Wenn man zwei Ιs ungefähr in der Mitte in einander entgegengesetze Richtungen knickt und sie über einander legt, so decken sie das Υ ab. Man muß hier auf die Disjunktheit verzichten, weil Kontinua keine disjunkten homogenen Zerlegungen erlauben.
Dieses
Verhältnis spielt eine besondere Rolle bei der Korrektur unwillkürlicher
Thematisierungen anschaulicher Gegenstände. Wenn wir etwa zwei Baumstämme
a,
b sehen und denken, es sind zwei Bäume, dann aber sehen, daß sie doch unten mit einander verwachsen sind, so drücken wir mit Hilfe des
Verhältnisses Δ
Υ,Ι die Vereinigung der beiden Baumstämme aus und benutzen diese, um auf das Vereinigte antipodisch hinzuweisen, siehe dazu 5) das
Führen:
[a, Ι0], [b, Ι0], [a, Υ1], [b, Υ2],
wobei das
Antipodische ein weiteres Ι ist, falls Υ angegeben ist, und Υ ohne
weitere Ιs sonst. Entsprechendes gilt für Δ
σ,μ.
Abschließend muß ich noch auf einen sehr gewöhnlichen Fall der
Thematisierung zu sprechen kommen, welcher indes technisch gesehen komplex ist, nämlich der
zeitlich offenen Thematisierung, daß heißt der
Thematisierung eines
Gegenstandes samt seiner
Geschichte.
Wenn wir etwa einem Bekannten begegnen, so
thematisieren wir gleich alles mit, was er zuvor getan hat. Und im Falle von Zwillingen mag es dabei wieder nötig werden zu
korrigieren.
Ach, das warst du gar nicht? Da wir in dem Fall aber keine kontinuierliche Anschauung haben, stützen wir uns also auf Δ
σ,μ, um den unerwünschten Abschnitt loszuwerden.
Dieser Fall ist indes in sofern anders gelagert, als diese Korrektur eine bleibende Wirkung hat. Der Grund dafür liegt darin, daß sich dabei unsere
Erwartung ändert und die unwillkürliche
Thematisierung der
Erwartung folgt, genauer gesagt
spekuliert sie, nimmt auf
Erwartetes Bezug, siehe dazu 7).
2. Das Unterteilen, bestehend aus:
- dem Unterteilten (τ)
- dem Unterteilenden (τχ)
- dem Gesonderten (φχ)
Dieser Art sind die
Verwirklichungen, aber
Wahrnehmungen können auch
passiv durch die
emotionale Reaktion auf ihren Verlauf
unterteilt werden, etwa durch das leichte
Erschrecken jedes Mal, wenn man ein Geräusch hört.
Ein weiteres
passives Unterteilendes ist das
Erkennen von etwas
Erwartetem (im Falle des
Unerwarteten wäre es nicht das
Erkennen, sondern die
Überraschung), wobei alle
passiven Unterteilungen zugleich in sofern
Spezifikationen sind, als daß der
Auslöser des
Unterteilenden in ihrem Rahmen
thematisiert wird.
3. Das Zeitigen, bestehend aus:
- dem Zeitigenden ([Λ, τ0])
- dem Gezeitigten ([Δ, φ])
Hierbei handelt es sich um das
Eintreten in einen
zeitlichen Horizont nach
Maßgabe von zu erzielenden
Eindrücken, wobei ein
zeitlicher Horizont durch die jeweils gerade aktuelle
Einsicht in die
zeitliche Abfolge zeitlich auf einander
folgender Wahrnehmungen gegeben ist.
Wenn wir etwas im
Logos vorgestelltes zeitigen, so steht die jeweils aktuelle
Einsicht in die
zeitliche Abfolge des bereits
Gezeitigten im
Verhältnis φ der
Zeitigung zum
Zeitigenden. Dabei wird das als nächstes zu
Zeitigende stets
erwartet, und wenn etwas anderes als es
gezeitigt wird, so bricht die
Zeitigung dort mit einem Gefühl der
Enttäuschung ab, welche die gerade aktuelle
Wahrnehmung überdies
unterteilt.
Der Inhalt des
Logos besteht wie gesagt aus
Thematisierungen, sowohl auf der Grundlage von inner- als auch überzeitlichen
Wahrnehmungen, also solchen, welche
zeitliche Verhältnisse nicht beziehungsweise doch
wahrnehmen. Parallel dazu gibt es aber auch inner- und überzeitliche
vorgestellte Thematisierungen im
Logos, wobei die innerzeitlichen gegebenenfalls im Rahmen einer
logischen Erweiterung erwartet wurden und die überzeitlichen erst noch zu
zeitigende zeitliche Erweiterungen beschreiben mögen.
Wenn man beispielsweise auf den richtigen Moment wartet, etwas zu tun, ohne die Richtigkeit genauer zu bedenken, so bewirkt das Gefühl, daß dieser Moment gekommen sei, eine
Unterteilung, welche zugleich der
vorgestellten und
erwarteten Verwirklichung die Tür öffnet. Die eigene
Wahrnehmung reißt dabei nicht notwendigerweise ab und ganz bestimmt nicht, wenn im Beispiel Tennis gespielt wird.
Der
Logos ist also zu mehreren
Thematisierungen neben einander fähig, wobei überzeitliche
Wahrnehmungen aufgrund der Endlichkeit ihrer
Verhältnisse stets als vollständig
thematisiert betrachtet werden können und die
vorstellende Thematisierung nur in soweit von Belang ist, als sie nicht spontan geschieht, da im Falle einer spontanen
Thematisierung nur ihr Ergebnis zählt, dann aber als
Themenwechsel einer spontanen
Thematisierung verstanden werden kann, siehe dazu 5) das
Führen.
4. Das Prognostizieren, bestehend aus:
- dem Gegebenen (τ)
- der Prognose, oder auch der Erwartung ([Π, φ])
Das
Prognostizieren ist die überzeitliche Entsprechung der
Einsicht und besagt, daß wir erwarten, daß die
Prognose zeitlich auf das
Gegebene folgt, vermittelt uns also einen Begriff davon, wie sich die Gesetze der
zeitlichen Abfolge aus unserer subjektiven Sicht heraus darstellen.
Dabei kann das
Gegebene auch eine bloße
Vorstellung in Λ sein. Allerdings
erwarten wir eine
Erwartung nur dann, wenn das
Gegebene eine
Wahrnehmung in Δ ist. Daher rührt der Unterschied von
eigentlichen zu
uneigentlichen Erwartungen.
5. Das Führen, bestehend aus:
- der Ausgangslage (τ)
- dem Führenden, oder auch dem Hinweis ([Λ, τ0])
- dem Ziel (φ)
Die
Führung ist die innerzeitliche Entsprechung der
Zeitigung und die
logisch begründete Entsprechung der
Spezifikation. Dieser Art sind also die
Themenwechsel und
Besinnungen, wobei das jeweilige
Ziel durch auf es
hinweisende vorgestellte Erscheinungen wie folgt bestimmt wird.
Im Falle eines
Zielthemas werden
Erscheinungen der Art [
a, ο], [
b, λ], [
c, α] als
Hinweise im
Logos vorgestellt vorgegeben, und im Falle einer
Zieleinsicht werden
Erscheinungen der Art [
a, ν], [
b, φ], wobei
a,
b,
c entweder
vorgestellte Themen oder wieder
vorgestellte Hinweise auf
Themen sind.
Formal gesehen ist das
Zeitigende ebenfalls ein
Hinweis auf eine
Einsicht.
Hinweise auf
Themen enthalten oftmals Bezüge auf
Erwartungen der Art [[Λ, τ
0], α
i], [[Π, φ], α
i], so daß das
Zielthema ein solches ist, von welchem wir (
zugleich!, vgl. 7 das
Spekulieren) etwas bestimmtes
erwarten. Das einfachste Beispiel dafür ist der
Hinweis auf eine
Kugel, aber selbst dieses Beispiel ist noch zu kompliziert, als daß ich es an dieser Stelle angeben möchte.
Falls eine
Führung fehlschlagen sollte, sind
Ziel und
Ausgangslage identisch, aber in dem Falle wird es von der
Enttäuschung, daß die
erwarteten Hinweise sich in der Form nicht ergeben haben, unterteilt.
Was man daran bereits sieht: Eine
Zielthematisierung besteht zumeist nicht nur aus
einem Thema - wir können schlicht nicht verhindern, auch noch anderes zu
thematisieren, - aber sie besteht nur aus
einem Thema, auf welches hingewiesen wurde, mit anderen Worten nur aus
einem Zielthema.
Natürlich könnten wir sagen, daß etwaige sonstige
Themen Teil anderer
Thematisierungen sind - doch dem ist nicht so. Sie sind Teil derselben
Thematisierung, aber von ihnen gilt die
Einsicht nicht,
Ziel zu den
vorgestellten Hinweisen zu sein, das heißt, sie haben sich zwar
zeitlich aus der
Ausgangslage ergeben, aber nicht
logisch.
Oder, um es noch auf eine weitere Weise auszudrücken: Es liegt eine
Thematisierung vor, welche teils das
Ergebnis einer
Spezifikation ist und teils das
Ergebnis einer
Führung.
6. Das Erwägen, bestehend aus:
- dem Gegebenen (τ)
- dem Erwogenen ([Λ, τ0])
- der Erwägung ([Π / ?Π / ΨΠ, φ])
Das
Erwägen steht zur
Prognose, wie das
Besinnen zur
Einsicht steht, das
Erwogene wird auf die Wahrscheinlichkeit seines
zeitlichen Folgens auf das
Gegebene überprüft.
Die Angabe des
Hinweises φ, um anzuzeigen, daß das
vorgestellte Thema Teil der
Prognose ist, ist hier obligatorisch, der
Hinweis ν auf das
Wahrnehmungsvermögen hingegen ausgeschlossen, denn da das
Erwägen nicht zeitlich eingebettet ist, also nicht das Verstreichen der Zeit, die
Dauer,
wahrnimmt, kann es auch nicht
unterteilt werden, und entsprechend kennt es auch kein
Fehlschlagen, sondern stattdessen ein
Offenhalten und ein
Ausschließen in Form zweier gesonderter
Wahrnehmungsvermögen ?
Π und Ψ
Π, so daß
a priori die Art der angestrebten
Wahrnehmung bei der
Erwägung unklar bleiben muß.
7. Das Spekulieren, bestehend aus:
- dem Gegebenen (τ)
- dem Spekulierenden, oder auch dem Hinweis ([Λ, τ0])
- der Spekulation ([Π / ?Π / ΨΠ, φ])
Das
Spekulieren steht zum
Erwägen, wie der
Themenwechsel zur
Besinnung steht, das
Spekulierende weist auf
vorgestellte Themen hin, welche wir zum
Gegebenen wahlweise
erwarten,
offenhalten oder
ausschließen.
Um letzteres zu tun, verwenden wir [τ, α
i], [[[Π, ν], φ], α
i], beziehungsweise [τ, α
i], [[[?
Π, ν], φ], α
i] oder [τ, α
i], [[[Ψ
Π, ν], φ], α
i].
Es ist natürlich möglich, daß eine
Spekulation nicht gelingt, aber in dem Falle blieben wir sozusagen hängen, bis es uns zu dumm wird. Ein definitives Gefühl, daß sie
fehlgeschlagen ist, gibt es jedenfalls nicht.
Freilich, es gibt
Spekulationen, welche wir gar nicht erst begännen, weil wir
erwarten, daß sie unmöglich sind.
Und um nicht Anlaß zu Mißverständnissen zu geben, sowohl das
Erwägen als auch das
Spekulieren können
gezeitigt werden, wobei es das
Spekulieren erlaubt,
bedingt zu
zeitigen, nämlich durch die
Erwartung unter diesen oder jenen Umständen mit dem passenden Schritt zum vorgegebenen
Ziel zu kommen.
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