Zeremoniell und Weissagungen der drei Zeitalter
Wenn es ihn gibt, so müßte der Gottesdienst, wie wir ihn seit geraumer Zeit kennen, um Beklommenheit kreisen. Aber wie läßt sich das überhaupt beurteilen? Verbirgt nicht jeder seine innersten Gefühle in seinem Herzen?
Wiewohl das für gewöhnlich zu geschehen pflegt, spricht sich das Zeremoniell doch eindeutig in seinen Gesängen aus, und mustergültig in diesem:
Ich ruf zu dir, Herr, Je-su Christ!Sich darum zu mühen, wie man einem Vorbild zu entsprechen vermöchte, heißt, dessen Verständnis zu bedenken. Halten wir also fest:
Ich bitt, er-hör mein Kla-a-gen,
Ver-leih mir Gnad zu die-ser Frist,
laß mich doch nicht ver-za-a-gen!
Den rech-ten Glau-ben, Herr, ich mein',
Den wol-lest du mir ge-e-ben-n,
Dir zu le-e-ben-n-n,
Dem Näch-sten nütz zu se-e-ein,
Dein Wort zu hal-ten e-e-ben-n-n.
Melodie
- der Gottesdienst im Zeitalter der Werke nimmt seinen Ausgang vom Vorbild, welches er beklommen einzulösen sucht.
- die Segnung im Zeitalter der Wacht nimmt ihren Ausgang von der Vorgabe, welche sie betreten auszulösen sucht.
Und das läßt sich auch historisch belegen, etwa am Römischen Reich.
Die Zeremonie des Zeitalers der Wunder wird also besessen zu verfolgen suchen, nur was? Die Rechtgläubigkeit ist es, von ihr nimmt die Widmung ihren Ausgang.
Sehen tun wir derartige Zeremonien allerdings in Rahmen, welche nicht unbedingt mit dem Begriff Rechtgläubigkeit in Verbindung gebracht werden dürften, etwa bei über glühende Kohlen laufenden Indern oder bei den Trancetänzern des Voodoo.
Und doch wird auch dort der rechte Glaube gesucht. Der Grund für die burleske Natur jener Veranstaltungen besteht letztlich in ihrer Gemeinschaftlichkeit - ist es doch nicht gerade leicht, gemeinschaftlich Einsichten über den rechten Glauben zu erlangen und zu beherzigen, so daß meistens gewisse Grunderfahrungen im Mittelpunkt solcher Zeremonien stehen dürften.
Ausgeschlossen ist es aber nicht, einen Katalog an Glaubenssätzen aufzustellen, gemeinschaftlich ihre Richtigkeit einzusehen und gemeinschaftlich zu bekräftigen, sich von ihnen leiten zu lassen. Doch gleich wie feinsinnig ein solches Zeremoniell auch ausgearbeitet wäre, es würde von den Heutigen zweifellos als fanatisch und irre angesehen werden, da ihr eigener Materialismus spirituelle Feig- und logische Faulheit ist.
Dessen ungeachtet bemächtigen sich sogar die Heutigen der Weissagung, allerdings nur, weil bei ihr im Zeitalter der Werke ein sie mildernder Umstand eintritt, nämlich ihre Unverfänglichkeit.
Weissagungen, nämlich, dienen stets der Bewältigung einer Bestürztheit
- die Anfeuerung drängt zur Einlösung,
- die Einleitung zur Auslösung und
- die Beglaubigung zur Verfolgung.
Einzuleiten ist hingegen höchst folgenschwer, wenn etwa der Spruch des Orakels von Delphi darüber entscheidet, wann ein Krieg beginnt.
Und Beglaubigung ist schwierig. Ein Glaube wird als recht erkannt, und dann muß das Orakel ihn durch ein Wunder beglaubigen. Keine ganz leichte Aufgabe. In etwa so, als wenn jemand meinte, von einem Geist besessen zu sein, und nun muß die Weissagung damit übereinstimmen, ob nun er sie ausspricht oder ein anderer.
Und doch ist dies möglich und ein Beweis, daß der Glaube die Welt beeinflußt.
Anfeuerung, Einleitung und Beglaubigung sind also kommunikative Hilfestellungen (Weissagungen) bei der Einlösuung, Auslösung oder Verfolgung, und Vorbild, Vorgabe und Rechtgläubigkeit Standards bei diesen und damit Artungs-, Kreislaufs- oder Einzugsideale (Ideale der Rechtschaffenheit, des Friedens oder der Verbundenheit).
Zusammen bilden sie die soziale Verflechtung des Glaubens als gemeinschaftliche Forderung und ihre individuelle Vertretung:
- der Anfeuernde vertritt die Vorbildlichkeit,
- der Einleitende vertritt die Vorgegebenheit und
- der Beglaubigende vertritt die Glaubensgerichtetheit.
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