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30. August 2012

Eine Bemerkung zum Verhältnis zwischen Gesinnung und geistigem Horizont

Mit Gesinnung sind hier materialistisch, heroisch und philosophisch gemeint und mit geistigem Horizont sinnlich, herzlich, verständig und friedlich.

Wie ich bereits vor einigen Jahren bemerkte, entsprechen sich die Gesinnungen und die ersten drei geistigen Horizonte durch die Teile des Bewußtseins, welche sie jeweils betreffen, nämlich Anschauung, Haltung und Vernunft, wobei die Gesinnung in der Motivation durch und der geistige Horizont in der Fähigkeit zur Reflexion des entsprechenden Teils besteht, Vernunft hier als die Begriffe betreffende Haltung und nicht als Zeuge der Existenz. Der vierte Teil des Bewußtseins, welcher sich reflektieren läßt, einen aber nicht motivieren kann, ist, in der gegenwärtigen Sprache, die Bezeugung selbst.

Es ließe sich mehr dazu sagen, warum gerade diese Teile die geistige Reife messen, aber darum geht es mir an dieser Stelle nicht, sondern um eine Weise, auf welche sich diese Reife äußerlich ausdrückt.

Es ist nämlich so, daß man einem Menschen recht leicht ansehen kann, ob seine Motivation höher als sein Reflexionsvermögen ist, diesem entspricht oder hinter diesem zurückbleibt. Ist ersteres der Fall, so verhält sich der Mensch scheu oder distanzierend, stimmt sie überein, so verhält er sich auf nüchterne Art direkt und wenn sie zurückbleibt, so verhält er sich offen oder Nähe suchend.

Es ist wichtig zu wissen, daß diese Äußerung eine relative ist und nicht direkt über den geistigen Horizont Aufschluß gibt, sondern nur über sein Verhältnis zur Gesinnung, da man andernfalls nur allzu leicht auf eine Stufe stellt, was nicht auf eine Stufe gehört.

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28. August 2012

Depression als evaluative Inkongruenz

Wie ich im Beitrag Die drei Zeugen schrieb, bewerten wir unser Leben durch unsere Vernunft, unsere Selbstwahrnehmung und unseren Willen, und dabei kann es selbstverständlich auch einmal dazu kommen, daß wir es als schlecht bewerten. Wo das unseren Willen betrifft, sind wir gekränkt, wo unsere Selbstwahrnehmung, da bestürzt und wo es unsere Vernunft betrifft, sind wir am Boden zerstört.

Normalerweise ist es aber so, daß diese Tiefpunkte von alleine vorübergehen, da wir uns in der Auseinandersetzung mit dem Unerfreulichen recht bald von ihm ab- und Hoffnungsvollerem zuwenden.

Das Besondere an der Depression ist hingegen, daß sie nicht aus innerem Streben überwunden wird, sondern vielmehr aus Erschöpfung von einem abfällt.

Wie kommt das?

Ich behaupte, daß es daran liegt, daß man mit der Vernunft bewertet, was nicht in ihren Bereich fällt, also Funktionen und Wirklichkeit, denn in unserer Eingebundenheit in die und Konfrontiertheit mit der Welt kann sie nichts finden, was sie lieben könnte. Lieben kann sie einzig sich in Haltungen ausdrückende Ideen, und von denen wird sie durch bewußte Entscheidung abgeschnitten, wobei dieser Umstand selbst natürlich unbewußt bleibt.

Starkes Gift steht dort bereit, Menschen auszuzehren, natürliche Haltungen werden verspottet und die Gedanken zu weltlichen Dingen hinabgezogen, auf daß sie nie aus diesem Labyrinth herausfinden mögen.

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25. August 2012

Einige Bemerkungen zu einem Vortrag Prof. Dr. Schachtschneiders



Schachtschneider spannt hier zwei Gegensätze auf, ein Mal zwischen Volksherrschaft und Republik, einschließlich dem zwischen Dezisionismus und Kognitivismus und zum anderen zwischen Religion und Philosophie, welchen ich nicht folge.

Worin unterscheidet sich denn ein Guru, welcher Jünger um sich schart von einem Philosophen, welcher Schüler um sich schart? Beide glauben für gewöhnlich an Gott und daß sie durch ihre Lehrtätigkeit die Erkenntnis der göttlichen Ordnung fördern, und beide entwickeln ein moralisches System auf dieser Grundlage.

Der Ausschluß der Religion aus diesem Bereich ist ausgesprochen töricht, schon alleine weil man sich auf diese Weise einer wertvollen Vergleichsmöglichkeit benimmt. Wenn man wie Schachtschneider vom Allgemeinwohl her denkt, sollte man sich geradezu dafür schämen zu sagen, daß es erst durch die Erklärung der Menschenrechte ins Blickfeld der Politik geraten ist. Ich will an dieser Stelle nicht auf die Dynamik zu sprechen kommen, welche sich aus der internationalen Instrumentalisierung der Menschenrechte ergibt, nämlich die Aufhebung der nationalen Souveränität und damit die Aufhebung der Fähigkeit, Politik im Sinne des Gemeinwohls zu gestalten, denn ich möchte diesen Beitrag nutzen, um meine von Schachtschneider abweichenden Positionen zu Volksherrschaft und Religion zu verteidigen, und dazu gehört die reale Wirkung der Menschenrechte nur am Rande.

Nachdem ich also den Gegensatz zwischen Religion und Philosophie mit ein paar Worten für nichtig erklärt habe, möchte ich mich jetzt etwas ausführlicher mit der von Schachtschneider gemeinten Republik beschäftigen.

Nach ihm, Schachtschneider, gibt es so etwas wie ein richtiges Recht, welches sich die Menschen zu finden bemühten. Nun, das sagt das Wort Recht einerseits natürlich schon von sich aus, aber in dieser Bedeutung ist damit nicht eine Sammlung von Gesetzen gemeint, sondern das Empfinden, welches sich im eigenen Gewissen einstellt, und wenn man jetzt andererseits hergeht und diese subjektive Richtigkeit der eigenen Haltung in eine objektive Richtigkeit der öffentlichen Verfassung umwandelt, so hat man den Grund ihrer Gültigkeit verlassen.

Schachtschneider meint, daß das Liebesgebot  diesen Grund wiederherstellen könne, aber das ist nicht wirklichkeitsnah gedacht. Zunächst einmal müßte man fragen, was Liebe hier eigentlich bedeutet. Mein Verständnis der Bibel ist, daß ich anderen zur Erkenntnis der göttlichen Ordnung verhelfe, damit diese sich nicht quälen, weil sie sich und die Welt nicht verstehen. Dieses kann man allgemein bejahen, ohne Ansehung der Situation. Aber wer darunter mehr versteht, Speisung der Hungernden und so weiter, der muß auf die Situation blicken, denn er kann ja ein Brot nur ein Mal weggeben. Soweit es die Erkenntnis betrifft, ist das Liebesgebot unanfechtbar, weil sich Wissen ohne direkten Wertverlust teilen läßt, aber wo Interessengegensätze entstehen, und das ist überall sonst der Fall und indirekt auch beim Wissen, gibt das Liebesgebot keine vollständige Antwort mehr auf die entstehenden moralischen Fragen.

Man gerät in eine Situation, in welcher die Interessen von Vielen die Interessen Weniger überwiegen. Man gerät an die Grenze des Kognitivismus und in den Bereich des Dezisionismus, einen Bereich, in welchem sich die Republik der Volksherrschaft öffnen muß.

Es gibt aber noch einen anderen Aspekt der Republik, wie sie Schachtschneider vorschwebt, welchen ich kritisieren muß, nämlich die Vorstellung, daß Verfassungsgerichte Wächter der Verfassung sein könnten. Wie gesagt, ich glaube nicht, daß es überhaupt möglich ist, eine Verfassung von quasi göttlichem Rang aufzustellen, weil die Menge der Fragen, welche man allgemein, ohne Ansehung der Situation, moralisch richtig entscheiden kann, sehr überschaubar ist, aber selbst wenn das möglich wäre, so wären Gerichte nicht geeignet sie zu verteidigen, denn ein geschriebener Text läßt sich nicht danach befragen, wie er gemeint gewesen ist in Fällen, welche er nicht explizit beschreibt.

In solchen Fällen fällt irgendjemandem die Interpretationshoheit zu, und auf diesen Jemanden wird fortan Druck ausgeübt, er wird zu einem gewöhnlichen Beteiligten im allgemeinen Gerangel um Macht. Will mir Schachtschneider etwa einreden, daß es ein Zufall ist, daß die einzige Verfassung, welche noch in ihrem ursprünglichen Sinn Anwendung findet, gerade jene ist, welche nicht von Gerichten, sondern von der Umma verteidigt wird?

Der Grund dafür ist einfach, ein Gläubiger ist durch keinerlei Kompetenzgrenzen eingeschränkt. Und daß, wer die Verfassung verteidigt, auch durch keine Kompetenzgrenzen eingeschränkt sein sollte, findet sich schon bei dem exakt 1000 Jahre vor Mohammed geborenen Platon. Sein Philosophenkönig ist aus den Reihen des Kriegerstandes rekrutiert und hat also selbst Erfahrung mit der Anwendung von physischer Gewalt. Es ist der Prozeß seiner Selektion, welcher bei Platon das Recht garantiert, nicht das geschriebene Wort, bei den Moslems ist es die systematische Militarisierung der Gläubigen, also jener, welche glauben, daß das geschriebene Wort von Gott stammt. Platon sucht unter Kriegern nach Philosophen und die Moslems unter Gläubigen nach Kriegern. Das Ergebnis ist in etwa dasselbe.

Die katholische Kirche nun hat während ihrer Herrschaft dieses System dahingehend modifiziert, daß sie zwar unter Heerführern nach Königen Ausschau hielt, dabei aber vermittels der Juden die eigentliche Macht in den Händen behielt. Das hätte sie freilich nicht tun können, wenn die Allgemeinheit ihr Spiel durchschaut hätte, denn dann hätte die Kirche sie ja schlecht gegen die Juden aufhetzen können, falls diese sich weigerten, einem mißliebigen König die Staatsfinanzen zu entziehen.

Aber auch die Kirche hat keine Kompetenzgrenzen akzeptiert, sich lediglich in der Gewaltanwendung auf eine bestimmte Wirkweise beschränkt. Die Frage ist berechtigt, ob es möglich ist, daß eine Kirche offen sagt, was sie tut, und weiterhin effektiv bleibt. Aber ich hege die Hoffnung, daß die Menschen klug genug sind, um zu verstehen, daß es in ihrem eigenen Interesse ist, eine Institution zu unterstützen, welche gegebenenfalls zwar nicht selber das Recht bricht, aber den Rechtsbruch für die Menschen organisiert.

In Deutschland haben heutzutage Parteien diese Rolle übernommen, nur verantworten sich Parteien nicht vor Gott. Ich betrachte meine Position in dieser Frage als reine Vernunft. Irgendjemand wird immer in diese Rolle schlüpfen, und je strenger seine Selbstverpflichtung ist, desto besser. Die strengsten Selbstverpflichtungen sind aber religiöse Selbstverpflichtungen. Auch ist es gut, wenn zwischen diesen die größtmögliche Einigkeit besteht, weshalb nirgendwo geduldet werden darf, daß mehrere Religionen diesen Anspruch stellen.

Aber gut, davon schrieb ich ja auch schon. Ich wollte es nur noch einmal wiederholen, um klarzumachen, von welcher Art meine Ablehnung der vorherrschenden Meinung in diesen Fragen ist, nämlich daß ich denke, daß diese Meinung nicht auf der Realität fußt und zu nichts außer Verfall führen kann.

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24. August 2012

Das blaue Licht (1932)

Ich stolperte heute über ein auf Film aufgezeichnetes Interview mit Hans Ertl, in welchem er sich auf erfreulich unzweifelhafte Weise als Kindskopf herausstellte, und ich fragte mich, mit wem man es wohl bei Leni Riefenstahl zu tun hätte. Nun, ihre Interviews mögen etwas über sie aussagen, aber was die offene Selbstdarstellung angeht, ist sie so ziemlich das genaue Gegenteil von Hans Ertl. Deshalb entschloß ich mich, mir einmal ihren Erstling Das blaue Licht anzuschauen.

Riefenstahl verbindet hier zwei Motive, nämlich Sexualität und Sitte mit unbewußtem Glück. Das blaue Licht ist, was das erste Motiv angeht, ein recht moderner Film, ja, geradezu verblüffend modern, was den zweiten Punkt angeht hingegen antimodern.

Die Modernität zeigt sich in der geradezu pornographischen Bildsprache, selten habe ich Männer derart als Sexobjekte dargestellt gesehen und Riefenstahls eigene Datstellung der Junta ist ebenfalls sehr sinnlich und körperlich angedacht, wobei Riefenstahls Gesicht aber nur bei, wie sie selber sagt, weichem Licht von vorne auch nur im entferntesten sinnlich wirkt. Damit dieser Film seine Wirkung entfalten kann, muß man über diesen Punkt hinwegsehen, mehr auf ihre Gestik achten als auf ihre Mimik. Und dann sieht man eben einen recht modernen Film über ein Thema, über welches man schon viele Filme gesehen hat. Die Beschränktheit des begehrenden Individuums durch die Gesellschaft.

Nun, bis kurz vor Schluß könnte man glauben, daß es sich damit hätte. Aber dann biegt der Film plötzlich Richtung Siegfried und Brünnhilde auf dem Walkürenfelsen ab. Es gibt allerdings einen Unterschied zwischen Wagner und Riefenstahl. Bei Wagner stürzt Siegfried durch seinen Wunsch nach gesellschaftlicher Anerkennung durch Unwürdige, begleitet von Akkordeonmusik, bei Riefenstahl stürzt Junta durch die christlich-fortschrittliche Moral ihres Siegfrieds, außergewöhnliche Schönheit ist nur für außergewöhnliche Menschen bestimmt, man soll die Perlen nicht vor die Säue werfen, das ganze Leben verliert dadurch seinen Sinn.

Wagners Aussage kritisierte Achtende, Riefenstahls Aussage verherrlicht sie. Wo Wagner die Hinwendung zu unpassenden Maßstäben geißelt, da hält Riefenstahl die außergewöhnliche Leistung, das Bestehen in tödlicher Gefahr als ewigen Maßstab hoch. Nun gut, das findet sich bei Wagner auch, in Form des den Fels umlodernden Feuers, aber der Kontext gibt dem ein anderes Gewicht, Wotan ruft Loge nur Brünnhilde zu Liebe, Loge ist generell ein unzuverlässiger Helfer und Siegfrieds Triumph über Wotan wurde von Wotan selbst herbeigesehnt. Wagner steht hier quasi auf dem Standpunkt, daß Frauen nunmal so sind. Daß das ganze Theater eben aufgeführt werden muß, wie er es am deutlichsten Hans Sachs in den Meistersingern von Nürnberg sagen läßt, Riefenstahl hingegen entgeht das alles.

Und das ist durchaus ironisch.

Denn selbstverständlich legt Riefenstahl an sich selbst - und sie ist beseelt von dem Wunsch ein außergewöhnlicher Mensch zu sein - nicht ihren eigenen ewigen Maßstab an, sondern den Maßstab Hollywoods. Sie will ein Star sein, wie Marlene Dietrich! Aber aufgrund ihrer unsinnlichen Art konnte sie es nur in Deutschland werden. Und das hat sie später noch gewurmt. Hätte sie es vielleicht nicht doch in Hollywood geschafft?

Vielleicht als Regisseurin, das Talent hatte sie wohl, aber die Zeiten waren andere. Als Schauspielerin nicht.

Interessant natürlich, daß sich Riefenstahl bereits 1932 derart klar gegen die Idee eines allgemeinen Glückes durch allgemeinen Wohlstand gewendet hat. Darin liegt natürlich eine Aussage für sich, welche man nicht nur vor dem Hintergrund Wagners diskutieren sollte. Allerdings wird diese Kritik durch Riefenstahls Hinwendung zum Körperlich-Archaischen entwertet, denn daran hat sie, wie gesagt, selber nicht geglaubt. Sie hat ein Beispiel dafür gegeben, daß Menschen, wie sie ja auch selbst, nach etwas besonderem streben, nur eben das primitivste, in Verkennung ihrer selbst.

Nun gut, objektiv gesehen ist ihr auf diese Weise Kunst gelungen, nur daß die Ideen, welche diese Kunst darstellt, letztlich fremde Ideen sind. In gewisser Weise ist es ihr genauso wie den Freimaurern ergangen, wahrscheinlich ist das sogar der tiefere Grund, warum sie in Teilen so modern ist, beide beschwören ein ihnen fremdes Sein und beide tun es, um sich den Anschein zu geben, objektiv zu sein und ewige Wahrheiten zu verkünden. Aber Achtende sind nunmal zu allerletzt objektiv, so subjektiv wie niemand sonst, und ihre Bemühungen verbergen ihre Sehnsüchte nicht, sondern lassen sie nur um so klarer hervortreten.

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19. August 2012

Die drei Zeugen

Wo es drei Ebenen der Existenz gibt, da sollte es auch drei Zeugen der Existenz geben.

Die Vernunft ist der Zeuge der Ideen, welche sich uns wie gesagt in Form gewisser Begriffe darstellen, nämlich solcher, welche sich in unserem Wollen auffinden lassen.

Das Ich in seiner grundlegenden Dreigeteiltheit in Lust, Aufmerksamkeit und Sorge ist der Zeuge der Funktionen, in welche wir eingebunden sind.

Und der Wille, welcher sich in allen Teilen unseres Ichs zeigt, ebenso aber auch in allen einfacheren Bewußtseinsformen, ist der Zeuge der Bedingtheit, welche wir Wirklichkeit nennen.

Die drei Zeugen bezeugen ihr Los, und Gott gestaltet die Welt für sie, indem er sie durch die drei Zykeln führt.

Wir haben unsere Vernunft nicht in erster Linie dazu, um effektiver nach Nahrung suchen zu können, sondern dazu, um unsere Existenz Ideen nach zu ermessen. Wir sind ihre Zeugen, in uns und durch uns gewinnt die Welt einen ideellen Zusammenhang.

Die Hohepriester des Lichts auf Erden, so wahr die Sonne durch die Wolken bricht.

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16. August 2012

Zur Beseitigung einer bestehenden Ordnung

Ein einzelner Mensch befindet sich nie in der Lage, daß er weiß, was für die Allgemeinheit besser ist als die bestehende Ordnung, indes mag er es sehr wohl ahnen.

Zunächst müssen wir aber an dieser Stelle einen Schritt zurücktreten und bestehende Ordnungen etwas genauer betrachten. Es ist nämlich keineswegs so, daß alles an einer bestehenden Ordnung die Allgemeinheit betrifft, und wo das nicht der Fall ist, liegt die Meßlatte zu ihrer Abänderung natürlich niedriger.

Menschen haben ein Recht auf Freiräume. Diese Freiräume müssen wiederum keineswegs stets von derselben Art sein, ich behandelte diesen Punkt auch schon, das Private ist lediglich ein Beispiel eines Freiraums, welches im besonderen dem romanischen Geist (achtend-suchend), das Lokale ein anderes, welches eher dem arischen (versuchend-suchend) entspricht.

Wenn also eine bestehende Ordnung ihren Subjekten ihre Freiräume, worin auch immer diese bestehen mögen, nimmt, so ist es das gute Recht jedes Einzelnen dagegen vorzugehen. Wenn der Fall aber so liegt, daß grundlegende Prinzipien einer Ordnung, welche die Allgemeinheit betreffen, von Einzelnen als verderblich angesehen werden, so haben sie lediglich das Recht, sich auf den erwarteten Kollaps dieser Ordnung vorzubereiten. Herbeiführen dürfen sie ihn nicht, und zwar deshalb nicht, weil es das Siegel der wahren und einzig rechtmäßigen Anteilnahme ist, daß sie das, was kommen wird, vorwegnimmt, und wer dieses Siegel nicht zu sehen verlangt, öffnet der Verirrung Tür und Tor.

Natürlich kann sich aber jeder, welcher solches denkt, der bestehenden Ordnung so weit es geht entziehen, und er darf ihr selbstverständlich auch im von ihr selbst erlaubten Rahmen schaden, etwa wirtschaftlich, wobei es allerdings sündhaft wäre, es nur des Schadens wegen zu tun, wohingegen es vorbildlich wäre, wenn es der Vorbereitung auf ihren Kollaps diente. Schränkte die Ordnung diesen Rahmen ein, könnte er gegebenenfalls wieder für seinen Freiraum streiten.

Natürlich mag die Hinausschiebung eines Kollaps diesen nur verschlimmern, aber so lange die persönlichen Freiräume intakt sind, läßt sich ihm angemessen begegnen. Es gibt an dieser grundlegenden Strategie nichts zu bemäkeln, und wenn sie sensiblen Menschen auch Härten auferlegt, so hilft ihnen doch Gott.

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15. August 2012

Infantilität

Ich verblieb im letzten Beitrag mit der Frage, ob die heute herrschende Gleichheitsethik durch Gewalt oder durch Einsicht beseitigt werden wird, eine Frage, welche ich natürlich nicht mit letzter Sicherheit beantworten kann. Indes läßt sich eine Lage desto besser einschätzen, je genauer man sie studiert, und diesbezüglich scheint mir der Aspekt der Infantilität der heutigen Gesellschaft äußerst ertragreich zu sein.

Das Kind zeichnet sich in ethischer Hinsicht dadurch aus, daß es die Gründe für die Regeln, an welche es sich halten soll, nicht versteht und mangels eigener Erfahrung auch nicht verstehen kann. Was seine innere Ungetrübtheit noch verstärkt, ist der Umstand, daß seine Eltern sich für gewöhnlich nicht gar so streng an ihre eigenen Regeln zu halten pflegen, wie sie es von ihrem Kind verlangen. Um es kurz zu sagen, Regeln, das ist etwas für die anderen, die Erwachsenen, welche man nicht versteht und nicht verstehen kann, welche einen zwingen, so zu tun als ob, obwohl sie sich selber nicht dazu zwingen.

Ein Kind nimmt an den Kämpfen von Erwachsen nicht teil. Es könnte es auch nicht, selbst wenn es das wollte, denn es versteht ja nicht, was die strategisch wichtigen Ziele sind.

Kinder können sich diese Haltung leisten, weil sie Kinder sind und mit der Zeit stärker werden, während die Erwachsenen mit der Zeit schwächer werden. Sie können sie sich leisten, weil ihre Chance, die Gesetze umzuschreiben, so es nötig werden sollte, erst noch kommt.

Nun gehört es zu den Mißständen unserer Zeit, daß weite Teile der erwachsenen Bevölkerung geistig Kinder geblieben sind und sich auch entsprechend verhalten, ein Mißstand, welcher sich selbst auf jene erstreckt, welche Macht, strategisch wichtige Positionen in ihren Händen halten.

Sie verstehen ihre Macht nicht, verstehen nicht, wozu es ihrer bedarf, benutzen sie einzig zu kindischen Zwecken. Und das bedeutet natürlich auch, daß ihnen diese Macht leicht entrungen werden kann. Nun wird man selbst ein dreijähriges Kind, welches einen mit einem geladenen und entsicherten Revolver bedroht, nicht frontal angehen und zur Herausgabe bewegen wollen, aber selbstverständlich wird man im Laufe eines Tages viel leichter wieder an diesen Revolver herankommen, als wenn das Kind bereits zwölf Jahre alt gewesen wäre.

Indes setzt dieses Vorgehen, wenn man es auf die heutigen Verhältnisse überträgt, die Bereitschaft zur Militanz voraus und diese wiederum geht mit einer natürlichen Neigung zur Feindschaft Hand in Hand.

Wesentlich an der heutigen Situation scheint mir einzig, daß es eine solche natürliche Neigung gibt, denn es bedeutet, daß ein militantes Vorgehen ergriffen werden wird und aufgrund der Infantilität der Gesellschaft wird es, wenn nicht erfolgreich, so doch schwerwiegend genug sein, um der Gesellschaft insgesamt ein militantes Vorgehen, also die Ausrufung des Ausnahmezustandes, aufzuzwingen.

Ich neige also zur Antwort, daß Gewalt die Gleichheitsethik beseitigen wird. Indes, wenn dies so kommt, ist eine Vorbereitung auf den Ausnahmezustand wesentlich, und dazu gehört insbesondere ideologische Flexibilität. Zu überleben und die Perspektive zu haben, so zu leben, wie man will. Mehr würde ich niemandem empfehlen, denn während Zerstrittenheit heute allenfalls frustrierend ist, wird sie dann tödlich sein.

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Von der Gleichheitsethik

Nachdem ich im vorigen Beitrag herausgestellt habe, daß eine parlamentarische Demokratie die Welt danach ansehen muß, ob sie gemäß einer bestimmten allgemeinen Ethik verbesserungswürdig ist oder nicht, möchte ich mich nun mit der speziellen allgemeinen Ethik, welche die Politik Deutschlands bestimmt, nämlich der Gleichheitsethik, auseinandersetzen.

Die Gleichheitsethik ergibt sich aus dem Glauben, daß alle Menschen gleich sind, und zwar in dem Sinne, daß jeder andere Mensch sich von einem lediglich durch seine Erfahrungen unterscheidet, während das, was diese Erfahrungen macht, dasselbe ist, nämlich der eine, allen gemeine menschliche Geist.

Nicht selten wird dieses religiös hergeleitet, wir seien alle gleich, weil Gott uns alle geschaffen habe oder, etwas ausführlicher formuliert, weil wir alle nach seinem Bilde geschaffen worden wären, was recht verstanden nichts anderes bedeutet, als daß Gott dabei ein Ziel verfolgt hat, daß wir so sind, wie wir sind, weil Gott es so wollte.

Natürlich gibt es nicht den geringsten Grund zu glauben, daß Gott allen Menschen denselben Geist gegeben hat. Es gibt in der Bibel sogar verschiedene Hinweise darauf, daß das nicht der Fall ist. Sei es, daß einige Kinder Gottes genannt werden und andere nicht, sei es, daß das Unkraut unter dem Getreide wächst, bis es zur Zeit der Ernte gekommen ist und das Unkraut ins Feuer geworfen wird.

Auch ist es nicht so, daß die Bibel diese Unterschiede menschlichen Entscheidungen zuschreiben würde. Sie bestehen aufgrund der (Un-)Gnade Gottes, je nachdem, von welcher Seite aus man es betrachtet.

Aber daß es sich so verhalten soll, ist etwas, das heute nicht recht akzeptiert wird, da sich daraus allerhand unbequeme Fragen ergeben. Die Bibel liefert die erlösenden Antworten auf sie nicht frei Haus, sie hält diese Dinge lediglich fest, um dem Gläubigen nicht das Gefühl zu geben, daß seine eigenen Empfindungen gotteslästerlich wären.

Freilich sind sie es nach der heute vorherrschenden Gleichheitsethik. Nun, selbstverständlich gab es zu keiner Zeit eine konsequente Gleichheitsethik, also eine, welche nicht irgendjemanden doch als minderwertig ausschließen würde. Diesbezüglich ist folgendes festzuhalten. Desto näher sind wir an einer reinen Gleichheitsethik, je unzweideutig böser die Gruppe der Ausgeschlossenen ist. Heute besteht diese Gruppe aus Psychopathen, also Menschen, welche aus physiologischen Gründen kein Unrechtsempfinden besitzen. Reiner wird eine Gleichheitsethik nicht mehr werden.

Damit ist aber auch schon das Wesen einer Ethik der Ungleichheit, der Vielfalt beschrieben, nämlich daß sie Andersartigkeit nicht als Bosheit wertet, sondern als von Gott gewollten alternativen Ausdruck menschlichen Seins.

Beschäftigen wir es nun mit den politischen Konsequenzen der Gleichheitsethik. Da die Gleichheitsethik blind gegenüber unterschiedlichen Wünschen, Lebenszielen, Empfindlichkeiten, unterschiedlichem Rechtsempfinden letztlich, ist, verpflichtet sie die Menschen dazu, allen übrigen Menschen, welche sich in einer den eigenen Maßstäben gemäß unerfreulicheren Lage befinden als man selbst, zu helfen, sich aus ihr zu befreien, unabhängig davon, ob diese Menschen sich selbst mit voller Absicht in diese Lage gebracht haben oder nicht.

Nun ist es aber so, daß sich jeder in seiner Haut am wohlsten fühlt. Die Gleichheitsethik erzeugt also zwangsläufig ein schlechtes Gewissen und eine nimmerendende Verpflichtung, allen anderen Menschen zu helfen, bis sie sich in derselben Haut befinden wie man selbst.

Wann immer jemand in Zweifel ob der Weisheit dieses Vorgehens gerät, wird er an den grundlegenden Glauben erinnert. Woher er denn sagen könne, daß jener dort anders wäre als er selbst?

Und diesbezüglich gibt es nur zwei Alternativen.

Entweder, diese Andersartigkeit beweist sich faktisch, indem ein Zustand gewaltsam hergestellt wird, in welchem es Menschen, welche die obige Frage zu stellen pflegen, nicht mehr geben wird oder sie beweist sich intellektuell, indem es jenen, welche sie ahnen, gelingt, ihre Ahnung zu präzisieren und mitzuteilen, bis daß es wiederum keine Menschen mehr geben wird, welche die obige Frage zu stellen pflegen.

Ich habe, zumindest was die Präzisierung meiner Ahnung angeht, mein Bestes getan und bin mit der erreichten Unterscheidung in Ringende, Suchende, Achtende und Versuchende zu Frieden.

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Parlamentarismus

Wenn man die Parlamente verschiedener Länder beobachtet, stellt man fest, daß die meisten von ihnen von zwei einander entgegengesetzten Fraktionen dominiert werden, und zwar derart, daß eine Fraktion die Verhältnisse verändern möchte und die andere sie so belassen, wie sie sind.

Ich behaupte, daß es einen sehr allgemeinen Grund für diese Zusammensetzung der Parlamente gibt. Die Verhältnisse ändern zu wollen, setzt voraus, Mißstände in den gegenwärtigen Verhältnissen zu sehen. Aber im Gegensatz zur direkten Demokratie wird in der parlamentarischen Demokratie ja nicht über einzelne Verhältnisse abgestimmt, welche möglicherweise verbesserungsbedürftig sind, sondern immer über alle zusammen. Damit nun eine Partei überhaupt gewählt werden kann, um alle Verhältnisse zum Besseren zu wenden, ist es zwingend nötig, daß diese Partei eine allgemeine Ethik vertritt, aus welcher heraus sämtliche Verhältnisse auf ihre Verbesserungswürdigkeit betrachtet werden können.

Die parlamentarische Demokratie ist von Haus aus ideologisch, die direkte Demokratie von Haus aus pragmatisch.

Der Grund nun für die beobachtete Zusammensetzung der Parlamente besteht darin, daß die überwältigende Mehrheit der Menschen in einem Land stets derselben allgemeinen Ethik anhängt. Und wo das der Fall ist, besteht die parlamentarische Demokratie in nichts anderem als darin, dem Volk das Urteil darüber zu überlassen, ob nach der vorherrschenden allgemeinen Ethik die Dinge gut laufen oder im Argen liegen.

Freilich, daß die überwältigende Mehrheit der Menschen eines Landes stets derselben allgemeinen Ethik anhängt, ist nur so zu verstehen, daß dieser Zustand der einzig stabile ist, in welchen das System also stets wieder zurückkehrt, es bedeutet nicht, daß es nicht Übergänge von einer allgemeinen Ethik zu einer anderen geben könnte.

Aufgrund des inhärent ideologischen Charakters der parlamentarischen Demokratie nimmt es wenig Wunder, daß sie oftmals geradezu groteske Schwierigkeiten mit der Lösung recht einfacher praktischer Probleme hat. Wenn dieses Scheitern systematisch wird, wird eine Schwelle erreicht, welche es erlaubt, Politik auf der Grundlage einer alternativen Ethik öffentlich mit einigem Erfolg zu vertreten.

Man darf dabei aber eine Sache nicht vergessen. Diese alternative Ethik verdankt ihren öffentlichen Anklang einzig einem praktischen Problem und dem Wunsch der Menschen, es zu lösen. Weil dieses im Rahmen der vorherrschenden Ideologie nicht möglich ist, sind viele Menschen, man muß sagen, die Vernünftigen eines Volkes, dazu bereit, durch die temporäre Unterstützung einer alternativen Ideologie einen Zustand im Parlament herzustellen, welcher praktisch gesehen ein pragmatischer ist.

Auf diese Weise vollziehen sich die Übergänge von einer allgemeinen Ethik zu einer anderen nicht. Damit eine allgemeine Ethik durch eine andere ersetzt werden kann, ist es notwendig, daß sich die Situation in dem betreffenden Land so grundlegend ändert, daß die bestanden habende allgemeine Ethik keine Antworten mehr auf die ihr innewohnenden Fragen formulieren kann.

Wobei man natürlich sehen muß, daß jede Ethik ein Kompositum aus vielen Teilen ist, und das keinesfalls alle Teile ersetzt zu werden pflegen.

Mit anderen Worten verkürzt die parlamentarische Demokratie nicht die Lebensdauer einer allgemeinen Ethik, sondern führt lediglich dazu, daß ihre Schwächen augrund ihrer systematischen Anwendung deutlicher zum Vorschein treten, was indes keinen Lernprozeß anstößt, wie man vielleicht denken könnte, da es den meisten Menschen völlig klar ist, daß auch gute Regeln Ausnahmen besitzen.

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13. August 2012

Was ich an Hubers Stelle gesagt hätte.

Ich bin zurzeit mit weltlichen Dingen, sprich Arbeit, beschäftigt und senke das Niveau hier mal ein wenig, indem ich die Kommentare von anderen kommentiere.

Michel Friedman im Gespräch mit Bischof Wolfgang Huber.



Friedmans Gesprächsführung hier ist vorbildlich, Hubers Antworten nicht so ganz, gegen Ende kommt er nahe daran, sich selbst zu widersprechen.

Vielleicht hätte Huber sich die Mühe machen sollen den Begriff Gott eindeutig zu definieren. Der Seinsgrund von allem, das woraus alles ist und wohinein alles einfließt, und insbesondere auch unser Bewußtsein, mithin also nicht die körperliche Welt, sondern was sie gebiert.

Der Atheist nimmt an, daß alle Kommunikation durch Zwang geschieht, und sei es, daß die eigene Zunge gezwungen wird, und daß die körperliche Welt als Empfänger dieses Zwingens ihr Medium ist.

Der Theist nimmt an, daß es jenseits unseres Willens und des sich aus ihm ergebenden Zwingens noch etwas in uns gibt, welches unsere Existenz verantwortet. Und dieses etwas kann sie nicht alleine verantworten, sondern nur in Verbindung mit einem Medium, und zwar deshalb, weil unser Bewußtsein in seiner vereinzelten Subjektivität keinen Vergleichsmaßstab besitzt. Weil wir immer nur wir selbst sind, können wir unsere Existenz unmöglich ohne ein verbindendes Medium verantworten.

Wir laden Begebenheiten auf unser Herz, welche uns erfreuen oder erdrücken, und es sind diese Urteile, welche in die ständige Neuschöpfung der Welt und unserer eingehen. Dabei ist es ziemlich belanglos, ob ich dieses gleichnishaft durch Wiedergeburt oder jüngstes Gericht ausdrücke.

So definiert glauben Buddhisten sehr wohl an Gott, denn sie glauben ja an dieses Medium.

Und so kann auch die Frage, ob etwas, das dieses Medium verneint, als Religion bezeichnet werden kann, glasklar mit Nein! beantwortet werden.

Stellt sich schließlich noch die Frage, ob ein Atheist gleichwertig zu einem religiösen Menschen sein kann.

Die Antwort darauf ist trivial: Nicht vor Gott! Und das ist eine Aussage, welche diese Welt betrifft. Das Medium ist da, wer seine Existenz leugnet, leugnet die Bedeutung der Urteile seines Herzens, und bewirkt dadurch, daß er das, was ihn ausmacht, seine Seele, verflucht, oder genauer gesagt der Verfluchung ausliefert.

Wenn viele das tun, liefern sie ihr Land der Verfluchung aus, mit allem, was in ihm ist.

Welchen Sinn haben milde Worte vor dem Hintergrund dieser Sachlage?

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11. August 2012

Ästhetik versus Willen

Hans Ulrich Gumbrecht hat einen im Grunde sehr interessanten Beitrag in seinem Blog veröffentlicht, welchen ich nur zu gerne aufgreife, Europas (doppelte) Müdigkeit.

Das ist natürlich Schopenhauers These, daß ein Genie sich dadurch auszeichnet, daß es die Welt objektiv, also seinem eigenen Willen enthoben betrachtet.

Der stimme ich auch zu. Eine Enthebung aus dem eigenen Willen, dem eigenen Schweißgeruch, ist unbedingt nötig, um ein Werk von allgemeinem ästhetischen Wert zu schaffen, erst dadurch wird es möglich, wesentlichere, allgemeinere Willenskräfte offenzulegen.

Und auch wenn nicht jeder ein Genie ist, so kennt vielleicht doch jeder den Unterschied zwischen Siegeswillen und der Hingabe an die einen umgebende Atmosphäre, eine Atmosphäre, welche sich für Gruppen Formen läßt, sei es als Unternehmensphilosophie oder auch als Mannschaftsgeist.

In dieser Hingabe wirkt durchaus das selbe Prinzip, welches in der Schaffung von Kunst wirkt, nämlich die Aufspürung einer Idee um ihretwillen, der Unterschied besteht freilich darin, daß der Künstler einen persönlichen Bezug zu dieser Idee hat, weiß, oder wenigstens ahnt, warum er sie sucht, während der sich seiner Umgebung Hingebende passiv ist.

Nun mag derjenige, welcher die Atmosphäre in einer Gruppe gestaltet, aber ein Künstler sein, und wenn er das ist, ist die sich dieser Atmosphäre hingebende Gruppe ein Kunstwerk. Herr Gumbrecht vermeint, solches von Joachim Löw sagen zu können. Vielleicht hat er auch Recht. Einen kategorischen Fehler oder eine Monstrosität begeht er jedenfalls nicht, wenn er Sportmannschaften der Ästhetik unterwirft, denn selbstverständlich durchdringt die Ästhetik den Sport, beim Turmspringen, Eiskunstlauf, Tanzen, Reiten, beim Sprung von der Skischanze, und wenn sie zum Erfolg beim Fußball führt, warum dann nicht auch ihn?

Am Arbeitsplatz ist das aber schon was anderes. Wenn in einem Unternehmen eine Atmosphäre gestaltet wird, um das Wirken seiner Angestellten in ein Kunstwerk zu verwandeln, begibt sich dieses Unternehmen in den Bereich des Monströsen. Wenn Staaten das tun, und es ist schon passiert, nicht wahr?, gilt dies umso mehr. Dabei mag es durchaus, wie die Geschichte beweist, ausgesprochen erfolgreich sein. Aber das ist keine Entschuldigung.

Nun sieht Herr Gumbrecht die Ästhetik freilich weniger in den Nürnberger Parteitagen als im diversen New York, um ein Beispiel zu geben. Er beschwört die sich ergebende Atmosphäre einer von vielfältigen Strömungen bestimmten Metropole.

Aber ich denke, er irrt sich da. Diese Atmosphäre ergibt sich nicht, auch diese Atmosphäre wurde geformt, ist letztlich nichts weiter als der Mantel, welchen der Tanz um das goldene Kalb, die Anbetung des Geldes als des gerechtesten Richters der Menschen, zurzeit trägt.

Und damit sagt Herr Gumbrecht nur, was sie alle sagen, welche Amerikas Charme erlagen, daß Amerika spannend ist, unglaublich lebendig, kreativ, entschlossen, risikobereit.

Einzig, daß er glaubt, es sei der vielfältigen amerikanischen Bevölkerung geschuldet und nicht den niedrigen Steuern und der mangelnden Bürokratie.

Freilich, diese Atmosphäre wurde ohne ästhetische Hintergedanken geformt, und doch entwickelt sich aus der Hingabe der Amerikaner an sie tatsächlich eine Art Kunstwerk, etwas immens ästhetisches, weil hier eine Idee so klar zur Form gerinnt.

Ihr Monströses zeigt sich indes auch zusehends deutlicher. Die Hingabe von Massen an eine Atmosphäre endet zwangsläufig da. Für den Einzelnen freilich kann es leicht zu einer Sucht werden. Man ersetzt die Suche nach der eigenen rechten Stimmung durch die draußen aufgesaugte Atmosphäre.

Freilich gibt es an jedem Ort eine Atmosphäre, aber die wenigsten Atmosphären sind sonderlich einladend. Wenn ich es mir recht bedenke, ist es wohl so, daß nur die Verheißung einer Expansion eine Atmosphäre erzeugt, welche Massen dazu bringt, sich ihr hinzugeben. Aber diese Art der schnellen Expansion mündet in Unausgewogenheit und Zerfall. Wahrscheinlich ist Amerika noch nicht einmal das beste gegenwärtige Beispiel hierfür, sondern Saudi-Arabien.

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10. August 2012

Die Herrlichkeit der Unerfahrenheit

Betrachten wir zur Einstimmung das Märchen De Fischer un sine Fru.

Dor weer eenmol eens een Fischer un sine Fru, de waanden tosamen in'n Pißputt, dicht an de See, un de Fischer güng alle Dage hen un angeld. Un he angeld un angeld. So sit he ok eens bi de Angel und kiekt jümmers in dat blanke Water henin. Un he sit un sit. Dor güng de Angel to Grund, dep ünner, un as he se herup hold, so hold he eenen grooten Butt heruut.

Dor sä de Butt to em: "Hör mal, Fischer, ick bed di, laat mi lewen, ick bün keen rechten Butt, ick bün'n verwünschten Prins. Wat helpt di dat, dat du mi doot maakst? Ick würr di doch nich recht smecken. Sett mi weller in dat Water un laat mi swemmen." "Nu," sä de Mann, "du bruukst nich so veel Wöörd to maken, eenen Butt, de spreken kann, harr ik doch wol swemmen laaten."

Mitdes sett he em weller in dat blanke Water, dor güng de Butt to Grund und let eenen langen Striepen Bloot achter sik. So stünn de Fischer up un güng na sine Fru in'n Pißputt.

"Mann," sä de Fru, "hest du hüüt niks fungen?" "Ne," sä de Mann, "ick füng eenen Butt, de seggt, he weer een verwünschten Prins, dor heff ick em weller swemmen laaten."

"Hest du di denn niks wünschd?" sä de Fru. "Ne," sä de Mann, "wat schull ick mi wünschen?"

"Ach," sä de Fru, "dat is doch äwel, hier man jümmers in'n Pißputt to waanen, dat stinkt un is so eeklig. Du harrst uns doch een lütte Hütt wünschen kunnt. Gah na em hen un roop em. Segg em, wi wöllt 'ne lütte Hütt hebben, he deit dat gewiß." "Ach," sä de Mann, "wat schull ick dor noch hengahn?"

De Mann wull noch nich recht, wull aver sin Fru ok nicht to weddern sin un güng hen na de See. As he dor kem, weer de See ganz gröon un geel un goor nich mehr so blank. So güng he an‘t Water und sä:
"Manntje, Manntje, Timpe Te, Buttje, Buttje in der See, mine Fru, de Ilsebill, will nich so, as ick wol will."
Dor kem de Butt answemmen un sä: "Na, wat will se denn?"

"Ach," sä de Mann, "ick harr di doch fungen hatt, nu sä min Fru, ick harr mi doch wat wünschen schullt. Se mak nich mehr in'n Pißputt waanen, se wull geern 'ne Hütt." "Gah man hen," sä de Butt, "se hett se all."

Dor güng de Mann hen, un sine Fru sit nich mehr in'n Pißputt, dor stünn aver eene lütte Hütt, un sine Fru sit vor de Döhr up eene Bank. Dor nöhm sine Fru em bi de Hand un sä to em: "Kumm man rin, süh, nu is dat doch veel beter."

Dor güngen se rin, un in de Hütt weer een lütten Vörplatz un eene lütte herrliche Stuw un Kammer, wo jem eer Beed stünn, un Köök un Spieskammer, allens up dat beste, mit Gerädschoppen, un up dat scheunste upplegt, Tinntüüch un Mischen, wat sik darin höört. Un achter weer ok een lütten Hoff mit Hönern un Aanten, un een lütten Goorn mit Grönigkeiten un Appeln.

"Süh," sä de Fru, "is dat nich nett?" "Jo," sä de Mann, "so schall‘t bliewen, nu wöllt wi recht vergnöögt lewen." "Dat wöllt wi uns bedenken," sä de Fru. Mitdes eeten se wat un güngen to Bedd.

So güng dat wol 'n acht oder veertein Dag, dor sä de Frau: "Hör, Mann, de Hütt is ok goor to eng, un de Hoff un de Goorn is so kleen. De Butt harr uns ok wol en grötter Huus schenken kunnt. Ich möch wol in eenem grooten stenern Schlott waanen. Gah hen tom Butt, he schall uns een Schlott schenken."

"Ach, Fru," sä de Mann, "de Hütt is god noog, wat wöllt wi in'n Schlott waanen." "I wat," sä de Fru, "gah du man hen, de Butt kann dat jümmers doon."

"Ne, Fru," sä de Mann, "de Butt hett uns eerst de Hütt gewen, ick mak nu nich all weller kamen, dem Butt künnt dat sur upstöten."

"Gah doch," sä de Fru, "he kann dat recht good un deit dat geern. Gah du man hen." De Mann weer sin Hart so swoor, un wull nich. He sä bi sik sülben: "Dat is nich recht!" He güng aver doch hen. As he an de See kem, weer dat Water ganz vigelett un dunkelblau un grau un dick, un goor nich mehr so gröön un geel, doch weer‘t noch still. Dor güng he an‘t Water un sä:
"Manntje, Manntje, Timpe Te, Buttje, Buttje in der See, mine Fru, de Ilsebill, will nich so, as ick wol will."
"Na wat will se denn?" sä de Butt. "Ach," sä de Mann half bedrööft, "se will in'n groot stenern Schlott waanen." "Gah man hen, se steit vör de Döhr," sä de Butt.

Dor güng de Mann hen un dachd, he wull na Huus gahn. As he aver dor ankehm, so stünn dor 'n grooten stenern Pallast, un sin Fru stünn ewen up de Trepp un wull rin gahn. Dor nöhm se em bi de Hand und sä: "Kumm man rin."

Mitdes güng he mit ehr rin, un in de Schlott weer eene grote Dehl mit marmelstenern Fliesen, un dor weeren so veel Bedeenters, de reten de grooten Döhren up, un de Wenn weeren all blank un mit scheune Tapeten, un in de Zimmers luter gollne Stöhl und Dischen, un krystallen Kroonlüchters hüngen an de Dek, un so weer dat in all de Stuwen un Kammers. Un dat Eten un de allerbeste Wien stünn up den Dischen, as wenn se breken wullen.

Un achter‘t Huus weer ok'n grooten Hoff mit Peerd- und Kohstall, un Kutschwagens up dat allerbeste, ok weer dor een grooten herrlichen Goorn mit de scheunsten Blomen un fine Appelböm, un een Lustholt wol 'ne halwe Meil lang, dor weern Hirschen un Reh un Hasen drin un allens, wat man sik jümmers wünschen mag.

"Na," sä de Fru, "is dat nun nich scheun?" "Ach ja," sä de Mann, "so schallt‘t ok bliwen, nu wöllt wi ok in das scheune Schlott waanen un wöllt tofreden sin." "Dat wöllt wi uns bedenken," sä de Fru, "un wöllt‘t beslapen." Mitdes güngen se to Bedd.

Den annern Morrn waakd de Fru toeerst up, dat wör jüst Dag, un süht uut jem eer Bedd dat herrliche Land vör sik liggen. De Mann reckd sik noch, dor stödd se em mit denn Ellbagen in de Sid und sä: "Mann, sta up un kiek mal uut de Fenster. Süh, kunnen wi nich König warden öwer all düt Land? Gah hen tom Butt, wi wüllt König sin." "Ach, Fru," sä de Mann, "wat wöllt wi König sin! Ick mag nich König sin."

"Na," sä de Fru, "wullt du nich König sin, so will ick König sin. Gah hen tom Butt, ick will König sin." "Ach, Fru," sä de Mann, "wat wullst du König sin? Dat mog ick em nich seggen." "Worüm nich?" sä de Fru, "gah stracks hen, ick mutt König sin."

Dor güng de Mann hen un weer ganz bedrööft, dat sine Fru König warden wull. "Dat is nich recht un is nicht recht," dachd de Mann. He wull nich hen gahn, güng aver doch hen. Un as he an de See köhm, dor weer de See ganz swartgrau, un dat Water geerd so von ünnen up un stünk ok ganz fuul. Dor güng he an‘t Water un sä:
"Manntje, Manntje, Timpe Te, Buttje, Buttje in der See, mine Fru, de Ilsebill, will nich so, as ick wol will."
"Na wat will se denn?" sä de Butt. "Ach," sä de Mann, "se will König warden." "Gah man hen, se is‘t all," sä de Butt.

Dor güng de Mann hen, un as he na dem Pallast kem, so weer dat Schlott veel grötter worren, mit eenem grooten Toorm un herrliken Zierraat doran, un de Schildwach stünn vor de Döhr, un dor weeren so veele Soldaten un Pauken un Trumpeten.

Un as he in dat Huus kem, so weer allens von purem Marmelsteen mit Gold, un sammtne Deken un groote gollne Quasten. Dor güngen de Döhren von dem Saal up, dor de ganze Hofstaat weer, un sine Fru sit up eenem hogen Troon von Gold und Demant, un harr eene groote gollne Kroon up un den Zepter in de Hand von purem Gold un Edelsteen, un up beiden Siden bi ehr stünnen ses Jumpfern in eene Reeg, jümmers eene eenen Kopp lütter as de annere.

Dor güng he to sin Fru und sä: "Ach, Fru, büst du nu König?" "Ja," sä de Fru, "nu bün ick König."

Dor stünn he und kiekt se an, un as he ehr so ankiekt harr, sä he: "Ach, Fru, wat is dat scheun, wenn du König büst! Nu wöllt wi ok niks mehr wünschen."

"Ne, Mann," sä de Fru un weer ganz unruhig, "mi waart de Tied un Wiel al lang, ik kann dat nich mehr uthollen. Gah hen tom Butt, König bün ick, nu mutt ick ok Kaiser warden." "Ach, Fru," sä de Mann, "wat wullst du Kaiser warden?" "Mann," sä se, "gah tom Butt, ick will Kaiser sin." "Ach, Fru," sä de Mann, "Kaiser kann he nich maken, ick mag dem Butt dat nich seggen. Kaiser is man eenmal im Reich, Kaiser kann de Butt jo nich maken, dat kann un kann he nich." "Wat," sä de Fru, "ick bünn König, un du büst man min Mann, wullt du glieks hengahn? Glieks gah hen. Kann he König maken, kann he ok Kaiser maken. Ick will un will Kaiser sin, glieks gah hen."

Dor mussd he hengahn. As de Mann aver hengüng, weer em ganz bang, un as he so güng, dachd he be sik: "Düt geit un geit nich good. Kaiser is to uutvörschaamt, de Butt wart am End möd." Mitdes kem he an de See, dor weer de See noch ganz swart un dick un füng al so von ünnen up to geeren, dat et so Blasen smeet, un et güng so een Keekwind öwerhen, dat et sik so köhrd. Un de Mann wurr groen. Dor güng he an‘t Water un sä:
"Manntje, Manntje, Timpe Te, Buttje, Buttje in der See, mine Fru, de Ilsebill, will nich so, as ick wol will."
"Na, wat will se denn?" sä de Butt. "Ach Butt," sä he, "min Fru will Kaiser warden."

"Gah man hen," sä de Butt," se is‘t all."

Dor güng de Mann hen, un as he dor kem, so weer dat ganze Schlott von poleertem Marmelsteen mit albasternen Figuren un gollnen Zierraaten. Vör de Döhr marscheerden de Soldaten un se blösen Trumpeten und slögen Pauken un Trummeln. Aver in dem Huus, da güngen de Baronen un Grawen un Herzogen man so as Bedeenters herüm. Dor makten se em de Döhren up, de von luter Gold weeren. Un as he rinkem, dor sit sine Fru up eenem Troon de weer von een Stück Gold, un weer wol twe Meil hoog, un harr eene groote gollne Kroon up, de weer dre Elen hoog un mit Briljanten un Karfunkelsteen besett. In de eene Hand harr se den Zepter un in de anner Hand den Reichsappel, un up beiden Siden bi ehr, dor stünnen de Trabanten so in twe Regen, jümmers een lütter as de annere, von dem allergröttesten Riesen, de weer twe Meil hoog, bet to dem allerlüttjesten Dwaark, de weer man so groot as min lüttje Finger. Un vör ehr stünnen so veele Fürsten un Herzogen.

Dor güng de Mann to ehr und sä: "Fru, büst du nu Kaiser?" "Jo," sä se, "ick bün Kaiser."

Dor blivt he staan un bekiekt se sik so recht, un as he se so ankiekt harr, so sä he: "Ach, Fru, wat is dat scheun, wenn du Kaiser büst."

"Mann," sä se," wat steist du dor so rüm? Ick bün nu Kaiser, nu will ick aver ok Paabst warden, gah hen tom Butt." "Ach, Fru," seggt de Mann, "watt wullst du man nich? Paabst kannst du nich warden, Paabst is man eenmal in der Kristenheit, dat kann he doch nich maken." "Mann," sä se, "ick will Paabst warden, gah glieks hen, ick mutt hüüt noch Paabst warden." "Ne, Fru," sä de Mann, "dat mag ick em nich seggen, dat geit nich good, dat is to groff, tom Paabst kann de Butt nich moken." "Mann, wat Snack!" sä de Fru, "kann he Kaiser maken, kann he ok Paabst maken. Gah foorts hen, ick bünn Kaiser, un du büst man min Mann, wullt du wol hengahn?"

Dor wurr he bang un güng hen, em weer aver ganz flau, un he zitterd un beewd, un de Knee un de Waden slakkerden em. Un dor streek so'n Wind öwer dat Land, un de Wolken flögen, as dat düster wurr gegen Awend. De Bläder weiden von den Böm, und dat Water güng un bruusd, as kaakd dat, un platschd an dat euver, un von feern süh he de Schepen, de schöten in der Noot, un danzden un sprüngen up den Bülgen.
"Manntje, Manntje, Timpe Te, Buttje, Buttje in der See, mine Fru, de Ilsebill, will nich so, as ick wol will.""
"Na, wat will se denn?" sä de Butt. "Ach," sä de Mann, "se will Paabst warden." "Gah man hen, se is‘t all," sä de Butt."

Dor güng he wedder hen, un as he dor kem, so weer dor sowat as en groote Karch mit luter Pallastens ümgewen. Dor drängd he sik dörch dat Volk."

Inwendig weer aver allens mit dusend un dusend Lichtern belücht, un sine Fru weer in luter Gold gekledet, un seet noch up eenem veel högeren Troon, un harr dre groote gollne Kronen up, un üm ehr dor weer so veel von geistlikem Staat, un up beiden Siden bi ehr, dor stünnen twe Regen Lichter, dat gröttste so dick un groot as de allergröttste Toorm, bet to dem allerkleensten Kakenlicht; un alle de Kaisers un de Königen, de legen vör ehr up de Knee und küßden ehr den Tüffel."

"Fru," sä de Mann un kiekt se so recht an, "büst du nun Paabst?" "Jo," sä se, "ick bün Paabst.""

Dor güng he to ehr hin un süht in ehr Gesicht, un dat weer, as wenn he in de hell Sunn kieken deit. As he se sik so ankiekt harr, so ä he: "Ach, Fru, wat is dat scheun, wenn du Paabst büst!" Se sit aver ganz stief as en Boom, un rippeld un röhrd sik nich."

Dor sä he: "Fru, nu si tofreden, nu du Paabst büst, nu kannst du doch niks mehr warden." "Dat will ick mi bedenken," sä de Fru. Mitdes güngen se beid to Bedd, aver se weer nich tofreden, un de Girigheit leet se nich slapen, se dachd jümmers, wat se noch warden wull. De Mann sleep recht good un fast, he harr den Dag veel lopen, de Fru aver kunn goor nich inslapen, un smeet sik von een Sid to der annern de ganze Nacht un dachd man jümmers, wat se noch wol warden kunn, un kunn sik doch up niks mehr besinnen."

Mitdes wull de Sünn upgahn, un as se dat Morrnrood seen deit, richtd se sik öwer End im Bedd up un kiekt dor rin. Un as se uut dem Fenster de Sünn so herup kamen süht, dachd se: "Ha, kunn ick nich ok de Sünn un de Maand upgahn laten?" "Mann," sä se un stöd em mit dem Ellbagen in de Ribben, "waak up, gah hen tom Butt, ick will warden as de lewe Gott.""

De Mann weer noch meist in'n Slaap, aver he vörschrock sik so, dat he uut dem Bedd füll. He meend, he harr sik vörhöörd, un reef sik de Ogen ut un sä: "Ach, Fru, wat seggst du?""

"Mann," sä se, "wenn ick nich de Sünn un de Maand kan upgahn laten, un mutt dat so ansehn, dat de Sünn un de Maand upgahn, ick kann dat nich uuthollen, un hebb kene geruhige Stünd mehr, dat ick se nich sülben kann upgahn laten." Dor süht se em so recht gräsig an, dat em so'n Schruder öwerleep. "Glieks gah hen, ick will warden as de lewe Gott.""

"Ach, Fru," sä de Mann, un füll vör ehr up de Knee, dat kann de Butt nich. Kaiser un Paabst kann he maken, ick bidd di, go in di un blif Paabst.""

Dor kem se in de Boosheit, de Hoor flögen ehr so wild üm den Kopp, dor reet se sik dat Lifken up un geef em eens mit dem Foot un schreed: "Ick holl dat nich uut, un holl dat nich länger uut, wullt du wol hengahn!""

Dor slööpd he sik de Büxen an un leep wech as unsinnig. Buten aver güng de Storm, un bruusde, dat he kuum up de Föten staan kunn. De Hüüser un de Böm weiden um, un de Baarge beewden, un de Felsenstücken rullden in de See, un de Himmel weer ganz pickswart, un dat dunnerd un blitzd, un de See güng in so hoge swarte Bülgen as Karchtöörm un as Baarge, un de harrn bawen alle eene witte Kroon von Schuum up. So schree he, un kun sin egen Woord nich hören:"
"Manntje, Manntje, Timpe Te, Buttje, Buttje in der See, mine Fru, de Ilsebill, will nich so, as ick wol will.""
"Na, wat will se denn?" sä de Butt. "Ach," sä he, "se will warden as de lewe Gott.""

"Gah man hen, se sitt all weller in'n Pißputt." Dor sitten se noch bet up hüüt un düssen Dag.

Das Ende scheint harsch, als hätte der Butt des Fischers Frau bestraft, aber hat er das?


Andererseits hat sie ja wohl noch Fisch zu essen gekriegt, die Fälle sind also nicht ganz vergleichbar.

Wem das zu norddeutsch defätistisch ist, der kann die selbe Lektion auch von Roland Kaiser lernen, bittesehr.



Nein, es ist schon so, Vorfreude ist die schönste Freude, keine Erfahrung überragt ihre Erwartung, und vor allem anderen gilt das für die Erfahrung des Sinns der eigenen Existenz: Die Erfahrung ist nicht schlecht, aber mit dem aus fieberglühenden Augen strahlenden Wahn ihrer Erwartung kann sie sich nicht messen.

Dennoch will ich nicht zurück, dieses Zurückwollen, an welches Roland Kaiser in Santa Maria appelliert, ist selbst Symptom, den Sinn seiner Existenz nicht erfahren zu haben und mit Grund, warum ich nicht zurück will.

Ich erspare mir, Beispiele besonders glühender Erwarter dieser Erfahrung anzugeben, sie sind ja nicht schwer zu erkennen, gebe aber zu, daß ich diesen Beitrag ihretwegen schrieb.

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9. August 2012

Einigkeit

Einigkeit entsteht, wenn eine Gruppe von Menschen zu denselben Einsichten gekommen ist und aus ihnen heraus dieselbe Haltung annimmt, und sie besteht im wesentlichen daraus, daß diese Menschen sich nicht, wie es gewöhnlicherweise der Fall zu sein pflegt, als konkurriende ethische Instanzen betrachten, sondern als Vollstrecker einer Ethik.

Es ist diese Übereinstimmung, welche eine solche Gruppe dazu befähigt, sich intern frei nach Befähigung zu hierarchisieren, denn der Wert einer Fähigkeit wird von allen gleich ermessen, und über ihren Einsatz herrscht Einigkeit.

Die Größe der Gruppen, welchen Einigkeit eignet, variiert gemäß der Eindeutigkeit der ethischen Lage. Allgemein sind sie, wo Recht herrscht, klein, und wo Unrecht herrscht, groß, indes muß man bei dieser Frage den Umstand im Auge behalten, daß Einigkeit naturgemäß partiell ist, daß man sich naturgemäß nur in bestimmten Dingen einig ist, und daß eine Verwirrung der Situation, in welcher man sich befindet, dazu führen kann, daß sich Einigkeit selbst dann nicht mehr einstellt, wenn ihre Bedingungen objektiv vorliegen, was aber umso seltener auftritt, je klarer das Unrecht ist.

Die Einigkeit, welche Ernst von Salomon in Die Geächteten beschreibt, ist darum eine totale, weil die Situation erstens ethisch gleich erfaßt wird, wozu die geteilten Fronterfahrungen wesentlich beitragen, und weil sie zweitens handlungsoffen ist, die Gruppe sich also nicht noch erst darüber einig werden muß, wie sie handlungsfähig werden kann. Es liegt in der Natur der Sache, daß sich Unrecht verschärft, wo ihm nicht Einhalt geboten wird, und somit, daß Einigkeit Lawinen gleich in Schüben auftritt.

Dies ist aber, wenn man es im Ganzen betrachtet, ein mißlicher Umstand, welcher auf einen Mangel an Welterkenntnis hinweist. Jedem Menschen, welcher Teil eines höheren Gemeinwesens ist, sollte stets bewußt sein, daß Recht aufgerichtet und aufrecht erhalten werden muß, und daß dies eine ewige Aufgabe für rechtsbewußte Menschen ist, welche auch beinhaltet, aggressiv in leerstehende Rechtsräume vorzustoßen, wenn der Erfolg hinreichend wahrscheinlich ist. Im Islam untersteht dies, siehe Die Färse, der individuellen Verantwortung, was im jetzigen Rahmen nichts anderes bedeutet, als daß der Koran davon ausgeht, daß sich bezüglich dieser Aufgabe keine Einigkeit herstellen läßt. Der geschichtliche Erfolg der meisten europäischen Nationen hingegen besteht gerade darin, daß sie bezüglich dieser Aufgabe einig waren, letztlich auf dem Fundament des Christentums stehend, wenngleich es wenigstens im Fall der Sachsen wahrscheinlich ist, daß sie diese Einigkeit auch schon zuvor besaßen, wiewohl wohl in einer zynischeren Auslegung der nämlichen Aufgabe - eine Ahnung, welche sich auch in Salomons Hamburgschilderung geschlichen zu haben scheint: Wo sich der Mensch seiner eigenen Interessen bewußt selbst zum Richter aufschwingt, da wird es dämonisch.

Diese Dämonie ist die Dämonie des Geiers, kalt blitzende Augen verfolgen den Niedergang des Nachbarn, um ihm schließlich die eigene Ordnung zu geben.

Mag sein, daß ich mich manchmal so fühle, aber dafür, die Verantwortung für die Aufrichtung und Erhaltung des Rechts zu übernehmen, verlange ich keinen anderen Lohn als das Recht.

Freilich überlasse ich dabei anderen die eigentliche Arbeit, und jene werden ihren Lohn schon nehmen, wenn sie ihn nicht geschenkt bekommen, aber was ist süßer, als die Heimat wachsen zu sehen, wie Friedrich Reinhold Kreutzwald schrieb.

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4. August 2012

Transzendenz in Bildern

3. August 2012

Die Zurücksetzung der Zykeln als Überwindung der Unzulänglichkeit


Denke nicht, Menschensohn, daß Wir Dein Herz nicht kennten!

Wendig bist Du, aber haben Wir Dir nicht die Enden bereitet, wohin Du Dich nur wenden kannst?

Vorzustoßen in die Welt, die Widersacher zu bezwingen, die richtigen Beziehungen zu knüpfen, die Mode anzunehmen, bist Du gekommen.

Aber haben Wir Dein Herz nicht schwer gemacht, damit Du straucheltest?

Haben Wir Dich nicht in den Zweifel geführt, auf daß Du in ihm ertränkest?

Nicht treulos taten Wir dies, sondern damit Du Uns suchtest!

Haben Wir nicht in Deiner dunkelsten Stunde Unser Licht in Dir entzündet?

Haben Wir Dir nicht, nachdem er Dir gänzlich verschlossen schien, den Horizont eröffnet?

Denn wisse! Wer die Welt durchsucht findet in ihr nur die Leere, aber wer die Leere annimmt, findet in ihr das Leben.

Was keine Mode vermag, vermögen doch Wir: Schwör ab, und Wir erheben Dich aus Deiner Ignoranz.

Und was keine Beziehungen vermögen, vermögen doch Wir: Brich auf, und Wir setzen Dich an Deine Stelle.

Und was kein Kampf vermag, vermögen doch Wir: Gib Dich Uns zum Opfer, und Wir geben Deiner Sache Kraft.

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2. August 2012

Kleiner touristischer Überblick über baltische Mittelzentren

Kuressaare



Haapsalu


Rakvere


 
Narva

Rapla

 Pärnu


Viljandi



Tartu



Tõrva

Sigulda




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1. August 2012

Entwurf einer Wirtschaftsordnung

Zur Ressourcen- und Produktionsmittelverteilung

Jede Gemeinde kann zu den gleichen Bedingungen Zugang zu Bodenschätzen erhalten, indem sie nämlich Minenarbeiter für die betreffende Mine stellt. Ist der Andrang größer als das verfügbare Angebot, wird das Angebot gleichmäßig unter den Bewerbern verteilt. Das Existenzminimum lebensnotwendiger Rohstoffe (Salz etwa) muß dabei von jeder Gemeinde möglichst ortsnah und auf regenerative Art und Weise gewonnen werden.

Ebenso kann jede Gemeinde zu den gleichen Bedingungen Zugang zu Fabriken erhalten, indem sie nämlich Bauarbeiter, Betriebspersonal, Material und Energie stellt. Selbstverständlich ist es, wie auch im vorigen Fall, möglich, diese Forderungen gegen andere zu handeln.

Der Anspruch einer Gemeinde auf Kraftwerke läuft analog, wobei in diesem Fall Energie selbstverständlich nicht beigesteuert werden muß. Ortsabhängigkeit ist nicht vorgesehen, das Existenzminimum an Energie ist durch Land- und Forstwirtschaft zu gewähren.

Land- und Forstwirtschaft sind ortsgebunden innerhalb der Gemeinden zu betreiben, und zwar in einem Umfang, welcher den gewöhnlichen Bedarf deckt, unabhängig davon, ob dieses Angebot auch tatsächlich nachgefragt wird. Das heißt es besteht Arbeitspflicht (welche wiederum gegen andere Forderungen gehandelt werden kann), und die Ernte wird gleichmäßig verteilt, es sei denn, jemand zöge sich auf seinen Garten zurück und versorgte sich selbst. Darüberhinaus ist der Handel mit land- und forstwirtschaftlichen Produkten selbstverständlich erlaubt, indes muß ein Selbstversorger nachweisen, daß sein Garten genug für ihn selbst hergibt (also das Existenzminimum).

Die Produktion üblicher Land-, Fortswirtschafts-, Bau und Minenmaschinen wird staatlich betrieben, entsprechend der Nachfrage nach ihnen und die Gemeinden werden zu diesem Zweck gleichmäßig belastet. Bei der Etablierung privat hergestellter Alternativen kann der Staat bei Belieben auch deren Produktion aufnehmen. Ein Patentrecht gibt es allgemein nicht, enteignen darf der Staat aber niemanden, es sei denn, es wären höhere Interessen betroffen und dann nur mit großzügiger Entschädigung.

Ebenso wird die Rüstung vom Staat betrieben.

Verkehrsverbindungen innerhalb einer Gemeinde sind Angelegenheit dieser Gemeinde, und Verkehrsverbindungen zwischen zwei benachbarten Gemeinden sind die Angelegenheit dieser beiden Gemeinden. Darüberhinaus errichtet der Staat Fernverbindungen nach eigenem Gutdünken, wiederum bei gleichmäßiger Belastung aller Gemeinden, wobei hier in allen Fällen jegliche Art von Verkehr gemeint ist. Bewässerung ist dabei übrigens der einzige Fall, in welchem das Prinzip der lokalen Überlebensfähigkeit nicht greift.

Gemeinden können, soweit es sich nicht um Lebensnotwendigkeiten handelt, Arbeitsteilungsverträge mit einander schließen, das heißt sich zu einem Organverbund zusammenschließen, in welchem der Wert einer geleisteten Arbeit in Relation zu den übrigen geleisteten Arbeiten in diesem Verbund vertraglich festgelegt ist.

Alle Entscheidungen des Staates entspringen einer Volksabstimmung mit Ausnahme der Sicherheitspolitik betreffenden, über welche gewählte Vertreter der Gemeinden abstimmen.

Die Entscheidungen der Gemeinde hingegen sind nur in soweit Entscheidungen der ganzen Gemeinde, als sie die Gemeinde gestaltende Entscheidungen sind, Beteiligungsentscheidungen an wirtschaftlichen Unternehmungen können von einer beliebigen Gruppe von Gemeindemitgliedern im Namen der Gemeinde getroffen werden, einzig, daß sich alle Interessierten innerhalb einer Gemeinde zu diesem Zweck zusammenschließen müssen.

Falls diese Unternehmungen Qualifikationen erfordern, obliegt es der Gemeinde zu überprüfen, daß alle ihre Vertreter sie besitzen.

Zum Kreditwesen

Ich äußerte mich schon zu diesem Punkt im Beitrag Zur Währungsfrage. Die Gemeinde sollte hierbei die Rolle eines begrenzten Bürgen für die ausgegebenen Rechte auf Produktionsanteile übernehmen, wobei es natürlich ihre mehrheitliche Entscheidung ist, ob sie das für eine bestimmte Gruppe ihrer Mitglieder tun will oder nicht. Einen gewissen Anreiz muß es natürlich für diese Bürgschaft geben, die Gemeinde wird sie sich also von den Produzenten bezahlen lassen. Auf diese Weise wird die Kreditaufnahme in einem größeren Rahmen, in welchem nicht jeder jeden kennt ermöglicht.

Damit ist dieses Thema natürlich noch nicht erschöpft, es bedarf noch einer Institution, um den Handel mit Produktionsanteilen von seinen materiellen Fesseln zu befreien, denn andernfalls wird er nur sehr eingeschränkt betrieben werden. Dieses Thema muß ich aber auf später verschieben.

Zum Bildungswesen

Ich meine, dies schon einmal ausgeführt zu haben, aber ich finde es nicht (wieder). Jeder, der eine Qualifikation verlangt, muß festgelegten Normen entsprechendes Bildungsmaterial zur Verfügung stellen und ebensolche Prüfungskriterien, welche auch die Form eines Prüfungsautomaten annehmen können. Wo diese Form der Prüfung nicht genügt, obliegt es der qualifikationseinfordernden Instanz, eine weiterreichende Prüfungsinfrastruktur zur Verfügung zu stellen. Die Entscheidung darüber fällt der Staat.

Jedes Mitglied des Staates ist in einer festzulegenden Wissenschaftssprache zu unterrichten, in welcher alle weiteren Anweisungen formuliert sind. Auf diese Weise läßt sich das gesamte Bildungswesen sowohl weit flexibler, als auch weit zugänglicher als heute gestalten.

Zur Modularisierung der Industrie

Diesbezüglich verweise ich auf meinen Beitrag Gedanken zur marktwirtschaftlichen Begünstigung von Standards.

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