Fünf Trägerschaften
Das 20. Jahrhundert zeichnet sich hingegen durch seine Wissenschaftlichkeit aus, welche zu seinem Anfang zwar bereits seit wenigstens 100 Jahren vorbereitet wurde, aber sich erst in ihm vollständig institutional manifestierte.
Ihr entspricht die regelgemäße Hege der staatlichen Verfügungsmasse, von welcher ich im vorigen Beitrag schrieb, und die ihr verpflichtete Trägerschaft heiße die staatliche Trägerschaft.
Die staatliche Trägerschaft operiert unter der stillschweigenden Annahme, dem generativen Zykel des Zeitalters der Werke zu dienen, indem technologischer Fortschritt und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als sich gegenseitig bedingend angenommen werden und die Regeln zur Hege der staatlichen Verfügungsmasse im Hinblick auf letztere bestimmt wurden. Ich schrieb indes bereits im Mai 2014:
Open the gates and let opportunity wash the pillars away.Damit die staatliche Verfügungsmasse regelgemäß gehegt werden kann, müssen
Shut the gates and let audacity take their place.
- die Staatsbürger für die regelgemäße Hege auf die im vorigen Beitrag erwähnte Weise gewonnen werden,
- gegebenenfalls durch Verleiten, Vormachen und Verunsichern von eigenen Aussichten abgebracht werden,
- gegebenenfalls durch Irreleitung, Reinreiten und Aufhetzung zu staatlichen Auffassungen gezwungen werden,
- chaotische Bildungen durch scheinbare Natürlichkeit, induzierte Annehmlichkeit (gleich ob erfahren oder antizipiert) und scheinbare Wichtigkeit unterdrückt werden, sowie verschleppt und
- die Ehrungen für das Staatswohl eingespannt oder wenigstens neutralisiert werden (1, 2).
Die staatliche Trägerschaft hat der werkegenerierenden also den Rang abgelaufen und sich dabei gleichzeitig von deren Ausrichtung entfernt: Zwar griff die werkegenerierende oftmals zu den gleichen Mitteln, war dabei aber immer freier, da sie das Gemeinwohl als Argument für sich ins Feld führen konnte. Und folglich ist es heute nötig geworden, sich aus der staatlichen Regulierung zu lösen und zum Ureigenen zurückzukehren, und die Trägerschaft, welche sich zur Förderung der Ureigenheit verpflichtet, heiße seelische Trägerschaft. Ihre Aufgabe besteht also darin, die Ehrungen aus der staatlichen Einspannung oder Neutralisation zu befreien, und die natürliche Entwicklung der Menschen als Gott seelisch verbundene Wesen zu fördern, wozu sie sowohl das Wesen des (gegenwärtigen) Staats, als auch jenes der Seele verdeutlichen muß.
Es ist aber wichtig zu verstehen, was der Staat ist, bevor man sich über seine Auf- und Ablösung Gedanken macht. Versteht man den Staat als nationalen Hoheitsraum, so löste man ihn durch die Auflösung nationaler Gesetze ab - ein Gedanke, welcher am Ende von The Matrix geäußert und von Soros (etwas zu skandalös) umgesetzt wird - aber wenn der Staat als Einrichtung zur Menschenverwertung nach etabliertem Schema verstanden wird, so wird er durch die Auflösung nationaler Hoheitsräume gestärkt, da diese zum Teil noch der werkegenerierenden Trägerschaft verhaftet sind (selbst in rein protestantischen Ländern: Die Verhaftung ist jedenfalls hauptsächlich ideell). Freilich ist dieser gestärkte Staat, wie im vorigen Beitrag beschrieben, gerade wegen seiner Stärke nicht lebensfähig, aber das macht die Befreiung aus ihm nicht leichter: Die Motivation, ihm zu entkommen, wird zwar größer, aber nicht die Möglichkeit. Auch wenn ein Unhold den anderen austreibt: Tiefer in diese Hölle zu sinken, hilft niemandem. Abgesehen davon sinken auch nicht alle nationalen Hoheitsräume in sie, und die großen Verschmelzer müssen sich überlegen, wie sehr sie ihr Schiff noch belasten möchten.
Indes, das ist nur der neueste Irrweg, auch die mächtigeren noch intakten nationalen Hoheitsräume werden von staatlichen Trägerschaften dominiert, und an der Notwendigkeit der seelischen Trägerschaft ändert die Rückkehr zu ihnen nichts.
Schließlich muß dann natürlich die generierende Trägerschaft des Zeitalters der Wunder aus der seelischen erwachsen.
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