Die Einschätzung des letzten Beitrags,
Johannes 12:6, kommt schon hin, den Trost wollte ich für mich selbst, nicht für andere.
Ich ging nämlich wieder durch den Wald spazieren, in welchem ich letztes Mal dem Rudel verwilderter Schäferhunde begegnet bin. Der Schnee war voll von Wildspuren, auch eine Hundespur darunter. Und im Angesicht dessen fühlte ich mich nicht mehr so ganz zu Hause, nicht mehr so ganz in menschlicher Gegenwart.
Gegenwart. Hat so wenig mit Warten zu tun, wie ein Torwart mit Warten zu tun hat, auch nicht im Sinne der Instandsetzung. Nein, Gegenwart ist, wogegen man Wart ist, Wart seiner selbst. Die Gegenwart des Torwarts ist die Sturmabteilung der gegnerischen Mannschaft. Die Gegenwart des Waldgängers die Tiere des Waldes.
In ihrer Gegenwart also begann ich über den Schluß von Robert Don Hughes'
The Wizard in Waiting nachzudenken, also daß Gottesfurcht darin bestehe Seinen Plan für sich anzunehmen.
Aber die Vorstellung, daß Gott einen Plan für einen habe, ist heterodox. Mehr dazu später. Jedenfalls war mir das völlig klar:
Gott hat nichts mit uns vor!
Solange ich im Wald blieb, hatte ich durchaus meine Freude an diesem Gedanken, als ich dann aber wieder in die Zivilisation zurückkehrte, also auf einen Kiesweg am Ende der Welt, wurde mir augenblicklich schlecht, denn nun war ich wieder in der Gegenwart der Menschen, und nur allzu klar ist, was Menschen aus derartigen Aussagen ableiten, und deshalb beschloß ich den Gedanken zu vergraben und stattdessen Trost für das aufsteigende Fieber und die aufsteigenden Kopfschmerzen zu suchen.
Aber da Gott selbst mich darob einen Dieb nennt, werde ich nun doch mit diesen Dingen herausrücken, auch wenn sie der Erwartung nach Anstoß erregen werden.
Es gibt zwei Arten Gebete und zwei Eigenschaften Gottes, welche man in ihrem Rahmen annehmen muß.
Die eine Art Gebet ist eine Bitte um Rechtleitung, die andere Art Gebet eine Bitte um ein Wunder.
Es ist dieses zweite Gebet, welches der Vorstellung, daß Gott etwas mit uns vor hat, entgegensteht. Aber halten wir erst einmal fest, was man von Gott annehmen muß.
- Gott hat alles, so wie es ist, erschaffen und insbesondere uns.
- Gott besitzt Intelligenz.
Wenn Gott keine Intelligenz besäße, wäre es wenig hilfreich, ihn um Rechtleitung zu bitten.
Aber was die Bitte um Wunder angeht, sie entspringt stets einer Schwierigkeit, in welche uns unsere Natur treibt, und welcher wir stets dadurch zu entkommen suchen, daß wir uns etwas Größerem anvertrauen, entweder etwas Bestehendem, im Falle der (subjektiv) zurücksetzenden transzendenten Akte, oder etwas, was aus der Überzeugung unseres Glaubens heraus zu Stande kommen muß.
Und wenn nun Gott tatsächlich etwas mit uns vorhätte, so wäre er erstens ein schlechter Vater, aber das nur nebenbei, dann aber gäbe es für uns auch nur eine Aufgabe, nämlich in die für uns bereitgestellte Rolle hineinzuschlüpfen, und eine weitere Notwendigkeit, um die Behebung unserer Schwierigkeiten zu bitten, bestünde nicht, denn unmöglich könnte sie Teil seines Vorhabens mit uns sein, welches sich ja gerade durch das Fehlen derartiger Widersprüche von unserem vormaligen Weg auszeichnete.
Nein, Gott hat uns unsere Natur gegeben, und wenn wir ihn bitten, gibt er uns noch obendrein Rat, wie wir ihr gemäß glücklich werden - wie ein
guter Vater.
Aber nicht alle bitten um Rat, und das Übel, welches daraus erwächst, ist für alle in der Welt, und nicht nur für sie alleine, wiewohl sie in seinem Zentrum stehen, und verlangt, daß wir zu Zeiten um seine Behebung bitten.
Der Versuch ist erlaubt, um zu sehen, was Gottes Schöpfung aus ihm erwächst, und sie selbst zieht ihm die Grenzen, indem sie Gott darum bittet, die Wunden zu heilen, welche er geschlagen hat.
Wer hingegen glaubt, er müsse nur neu in Christus geboren werden, übersieht, daß dadurch keine Abhilfe für das geschaffen wird, was jene anrichten, welche Ihm nicht folgen.
Bei den wiedergeborenen Christen handelt es sich um Anhänger einer fundamentalen und äußerst schwer wiegenden Heterodoxie.
Mit dem ewigen Leben, wie ich es beschrieben habe, und Philip Kindred Dick auch, hat sie nichts zu tun, denn die wenigsten wiedergeborenen Christen dürften einen Begriff von ihm haben, sich selbst als Teil von Christi Heilskonzeption zu sehen ist sogar das exakte Gegenteil des Geisteszustandes, in welchem sich die meisten von ihnen befinden dürften, also einer Herausgelöstheit aus allem Elend.
Nein, das ewige Leben ist vielmehr eine Hineingelöstheit in alles Elend, aber von der Art, daß das Elend unter seinem Blick schmilzt.
Seine Kraft verdankt sich der Verschmelzung der Erkenntnis des Heiligen mit der Erkenntnis des gegenwärtig Möglichen.
Und letzteres ist etwas, was man in Europa kaum findet. Es ist asiatisch, der Buddhismus seine Religion und das
I Ching sein Prüfstein.
Auch ist das ewige Leben, wie ich vor kurzem schrieb, nicht ganz einfach, sondern äußert sich in einigen Erscheinungen, welche an Schizophrenie grenzen. Im Hinduismus heißt es, man müsse die niederen Chakren zuerst öffnen, um Schwindel zu vermeiden. Das dürfte sich hierauf beziehen. Denn ein Bewußtsein des Heiligen und gegenwärtig Möglichen ohne ein Bewußtsein der eigenen Kraft ist schwindelerregend.
Aber wie oft sieht man dergleichen in Europa oder bei wiedergeborenen Christen? In echt? Nicht als Teil einer schlechten Hippie-Jesus-Aufführung?
Eben, so gut wie nie.
Was könnte verräterischer sein, als daß es in einer Apotheke ein Medikament nicht gibt?
Die Krankheit ist unbekannt, ebenso wie die Bedingung ihres Auftretens.
Gleichwohl, ein paar Mal bin ich ihm begegnet - und ihr auch.
Wer das gegenwärtig Mögliche sucht, muß sich für das Feine sensibilisieren, etwa dadurch, daß er sein Leben an einen seidenen Faden hängt, oder dadurch, daß er sein Bewußtsein zerteilt und fixiert. Wie gesagt, Buddhismus.
In Europa dürften es Frauen, welche auf dem ersten Wege zu ihm gelangten, sein, welche die größte Gruppe seiner Vertreter stellen, denn dieser Hang ist gar nicht wenigen Frauen angeboren. Männer suchen die Gefahr mehr als ihre Grenzen, bei Frauen ist es umgekehrt, aber extrem ist diese Präferenz auch wieder nicht.
Also, Gott hat uns schon richtig erschaffen, Erbsünde ist kein Geschwür, welches es herauszuoperieren gälte, sondern vielmehr die Last, welche zu tragen unser Leben in eine Leistung verwandelt.
Kein Gebet erfüllt sich ohne Gottes Einwilligung und kein Maß an Rechtleitung kann Sein Gericht ersetzen.
Manchmal ist es sogar so, daß sich die Rechtleitungen eines jungen und eines alten Menschen widersprechen, Sohn und Vater meistens, und allgemeine Rezepte für die Aufhebung solcher Konflikte gibt es nicht.
Aber wie in dem Fall die Unterbindung einer Rechtleitung nötig wird, so kann es auch vernünftig sein, gewisse Gebete zu unterbinden zu versuchen, selbst wenn Gott ihnen Gehör schenkte, gewisse Experimente, welche Er uns erlaubt oder zu denen Er uns gar anregt, möchten andere von uns doch guten Willens nicht mitmachen.
Von der Art ist die Welt. Deshalb gibt es Sein Gericht.
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