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30. April 2015

Sich selbst treu sein und Gott

Erst dann kann man dasjenige verdauen,
an welchem einen etwas abstößt,
wenn man dies Abstoßende erkannt hat.

Ißt man zuvor von ihm,
so stößt einen das Abstoßende von innen auf fremde Bahnen.

Dies zu beherzigen,
sich zu hüten
und sein Urteil aufzusparen,
heißt seinen Weg zu kennen.

Kennst du ihn?

So wie es auf diese Weise erscheint,
scheiden wir unsere Erfahrungen im Dienste dessen,
der sie verdaut:
Indem unser Geist ihren Platz erkennt,
schlagen wir die Pflöcke ein,
zwischen welchen sich Gottes Gerechtigkeit entspannt.

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27. April 2015

Soziale Dynamik

Was bedeutet es eigentlich, beim Abschied der Unwiederbringlichkeit zu gedenken?

Die Franzosen tun es oft, die Deutschen selten.

Es kommt heutzutage sowieso nur noch bei Zufallsbekanntschaften vor, wenn überhaupt!, das Internet ist ja mittlerweile der potentielle Spielverderber jedes schönen traurigen Abschieds geworden, wie das Flugzeug zuvor jedes schönen traurigen Abschieds von den eigenen Verwandten.

Aber dessen ungeachtet, was blitzt in ihm auf?

Das Bewußtsein dessen, daß sich die eigenen Umstände ändern, Vertraute entfallen, daß das Leben erst einmal wieder ein paar Grad kälter wird.

Aber wenn es das wird, so ist einem das auch bewußt. Die einzige Variable in dieser Angelegenheit ist das Sich Anvertrauen.

Ich kenne dieses Anvertrauen nur aus der Schulzeit und da nur im Rahmen des Bemühens, meine Ruhe zu haben, ein Aspekt, dessen Gewicht man aber nicht unterschätzen sollte: Ganz allgemein dürfte es in menschlicher Gesellschaft zuvörderst darum gehen, jene aufzufinden, deren Überzeugungen man seine eigene Unversehrtheit anvertrauen mag, um diesen Überzeugungen dann zu entsprechen.

Einzig auf dieser Grundlage wird man aber kaum jemals der Unwiederbringlichkeit gedenken, man arrangiert sich ja nur.

Es geht hier also um Formen des Sich Anvertrauens, welche einem Zugang zu Dingen gewähren, welche man genießt, und zu diesen finden Franzosen, scheint es, leichter im Umgang mit anderen Zugang als Deutsche.

Dies ist, denke ich, keine Frage des Temperaments, sondern eine Frage dessen, was in einer Gemeinschaft Ansehen besitzt: Unabhängig von aller Politik genießt in Deutschland kraftvolle Gefolgschaft das höchste Ansehen, während in Frankreich persönliche Expertise höher im Kurs steht. Und aus diesem Grunde sind die eigenen Mitbürger hierzulande keine große Hilfe bei der Verfolgung der eigenen Interessen; alles muß von der Gemeinschaft organisiert werden.

Ich sprach diesen Punkt auch schon an, es handelt sich wieder um die unterschiedliche Gewichtung des Öffentlichen gegenüber dem Privaten bei Leistungs- und bei Umgangserwartenden. Aber hinsichtlich dessen, wann letztere auf ihren Händen sitzen und wann nicht, ist noch einiges zu sagen.

Zunächst einmal geht es Umgangserwartenden im allgemeinen um kraftvolle Verteidigung, und diese wird nur dann zu kraftvoller Gefolgschaft, wenn ein hinreichend hoher Urbanisierungsgrad vorliegt. Leben sie hingegen hinreichend isoliert, so wissen sie Erfindungsreichtum durchaus zu schätzen: Die schlechte Versorgungslage zwingt sie zur Improvisation. Von daher kommt es, daß aus ihrer Peripherie immer wieder starke Persönlichkeiten und interessante Problemlösungen hervorgehen. Ein etwas albernes Beispiel dafür, aber sei's drum, ist der verstellbare Schraubenschlüssel, welchen die Schweden erfunden haben. Kein Profi wird mit dem arbeiten wollen, dazu muß man ihn zu oft nachstellen, aber dem Notwendigkeitshandwerker ersetzt er einen Werkzeugkasten.

Zum zweiten ist die Weise zu erwägen, in welcher sich die Organisation der Gemeinschaft vollzieht. Es gibt, kommunal betrachtet, nur zwei Organisationskatalysatoren.
  1. Die Tendenz einer hinreichend isolierten Gruppe von Menschen, welche ihr Glück auf die gleiche Weise versuchen wollen und können, sich abzusprechen und die Regeln ihres Wettbewerbs unter einander festzulegen, welche etwa zum Marschrutkasystem in etlichen ehemaligen Sowjetrepubliken geführt hat.
  2. Die Notwendigkeit der Wartung von Liegenschaften, sehr allgemein verstanden.
Ersteres pflegt mit großem Eifer zu geschehen, schafft aber nur horizontale Organisationen, also solche, in welchen die einzelnen Glieder unabhängig von einander bleiben und der Gewinn der Kooperation nicht in Zuarbeit, sondern in gedeihlicher gegenseitiger Beeinträchtigung liegt.

Dies ist also keine aufbauende Organisation, sondern eine Organisation bestehender Vermögen, oder anders ausgedrückt, eine ständische Organisation.

Organisierter Aufbau kann einzig durch gemeinschaftliche Verantwortungsübernahme für eine Ressource irgendeiner Art geschehen, oder anders gesagt, durch eine ordensmäßige Organisation, und auf kommunaler Ebene bedeutet dies Wartung, einschließlich Modernisierung, der kommunalen Mittel.

Da es hierauf nun wirklich zuvörderst ankommt, möchte ich es noch deutlicher sagen: Ohne, daß die Verantwortung der Gemeinschaft für einen bestimmten Bereich bewußt gemacht und institutionalisiert wird, gibt es weder langfristige Intaktheit noch Fortschritt in diesem Bereich in hinreichend verbundenen umgangserwartenden Gemeinschaften.

Wer nicht auf private Expertise setzt, mit allen Folgen, welche das hat, insbesondere kuriose Meinungsbilder und mafiöse Strukturen, der muß einen Rahmen schaffen, in welchem dieselbe Expertise eine öffentliche Heimat findet.

Ansonsten verblödet er.

Es ist dabei allerdings nicht nötig, sämtliche Leistungen öffentlich zu erbringen. Es genügt, wenn die öffentliche Hand fähig ist, private Leistungen zu ermessen und Anreize für sie zu geben. Mit anderen Worten sollten umgangserwartende Gemeinschaften zunächst Verantwortung für die konkreteren Formen des öffentlichen Ansehens übernehmen, indem sie erwünschte Leistungen definieren und in ausreichendem Maße honorieren. Darüberhinaus können diese auch in öffentliche Organisationen integriert werden, ohne daß ihr privater Charakter verloren ginge.

Das ist alles sehr allgemein gesprochen und besitzt viele Konkretionen. Ich denke etwa an ein Bildungssystem, in welchem die Gemeinschaft nicht die Inhalte, sondern lediglich die Verpflichtungen der Wissen Voraussetzenden, Besitzenden und Erwerbenden festlegt, und zwar auf eine solche Weise, daß sich jede Seite ausreichend honoriert fühlt, wozu das Vorhandensein einer öffentlichen Rumpforganisation von Nöten sein mag, in welche die übrigen Beteiligten integriert werden, aber nicht mit Aussicht auf Aufnahme in diese, sondern mit Aussicht auf Honorierung durch diese. Eine Aufgabe, welche gar nicht einmal so schwer ist, denn ohne Regeln in diesem Bereich leiden alle Seiten.

Dies alles kann, und dies alles muß Politik auch leisten, wenn man der Gestaltung der sozialen Dynamik Bedeutung beimißt. Anderen die eigenen Rezepte vorzuschreiben führt zu Leid und Destruktivität.

Gut, ich habe mich hier über weite Strecken wiederholt. Eigentlich wollte ich darüber schreiben, was Leidenschaft ist, nämlich die Auflehnung gegen die Fügung in die eigene Schwäche, welche einen dazu bringt, das Leben zu erdulden.

Nun, vielleicht habe ich das hiermit auch getan:
Völker sind wie Frauen, erdulden Jahrhunderte (nun gut, Überfrauen, sozusagen), und scheuen vor keinem Leid zurück, um sich in Ausbrüchen der Leidenschaft zu behaupten.
Aber Vorsicht! Lauft nicht ins offene Messer! Und schließt nicht von Leidenschaft auf Glauben, denn es gibt auch die Leidenschaft eines geköpften Huhns.

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25. April 2015

John Ronald Reuel Tolkien: The Lord of the Rings (1954-1955)

Tolkien's concept behind Middle Earth was to map European myths onto a mythical land, called Middle Earth.

It would appear he took the liberty to turn the Americas into Valinor and Atlantis into Númenor. Somewhat more certainly Forlindor is Wales, Harlindor Cornwall, Rohan Lower Saxony, the Misty Mountains the Scandes, the White Mountains the Alps, the Anduin a composite of the Baltic sea, the Danube, the Black Sea and the Aegean Sea, Minas Tirith Constantinople, Near Harad Arabia, Far Harad Northern Africa, Mordor Anatolia, the Sea of Rhûn the Caspian Sea, the Celduin the Volga, the Iron Mountains the Urals, the Empty Lands Kazakhstan, Carrock some island in the Baltic Sea, possibly Saaremaa, Fangorn the Black Forrest or the Bavarian Forrest and Esgaroth St. Petersburg.

Elves are associated with Celtic folklore, horses with Saxon folklore (Hengist and Horsa) and trolls with Norwegian folklore, greater times with Constantinople, Elephants with Phoenicians, shape shifters with Finnic folklore, enchanted forests with southern German folklore and St. Petersburg is a city on an island in a river and St. George a man of the east.

The geography matches within the limits of some obfuscation.

According to Tolkien himself, he was bothered by the lack of English myths. So he went about to create some. But he was a prudent man, he didn't want to introduce any new elements, so he simply turned the knowledge of foreign myths into a myth itself. Thus the Silmarillion was born and before its backdrop The Lord of the Rings.

The ring motive, of course, was borrowed as well. But Tolkien didn't want to write an allegory. He didn't like the idea to tell somebody what life is like. He was a prudent man, he didn't want to be presumptuous. He just wanted to describe life, not analyse it. So for example, Galadriel's mirror doesn't mean anything, it just shows what a dream might show, if it's not fictitious.

And accordingly the ring motive doesn't amount to more than the western peoples' struggle for freedom, interpolated from the ancient Greeks to the modern British, ignoring everything that doesn't quite fit into that picture.

Yet Tolkien had a point, for at the time he conceived of all this, the Hobbits had the turn of further events indeed in their hands.

It was a warning then, a bit romantic. But a fundamentally different warning than what the films of late communicate. Tolkien never really thought of this struggle as a last man standing kind of thing. The flood of dangers is just a reflection of the mythical genre, in which the stories of those who got away are being told. He meant to inspire good sense, overcome sadness and raise awareness of the historical horizon.

And he didn't bother when some things didn't fully add up, like with the role of the giant eagles, who would let others fight first and only intervene if necessary: an obvious reflection on the aristocracy's behaviour, which doesn't quite fit the Hobbits for freedom idea, but that of higher powers showing the way. However, for the time having been, it was part of good sense, powers, rights and duties having been distributed as they were.

So today, in our time, when Jackson has turned a kaleidoscope of European myths into underwear models hopping around in tasteful costumes in an apparently hopeless fight to preserve the last of their kin / kind being led by their king trusting the power of whimpering incantations, what is thus inspired?

And the weird thing is... this inversion came about unintendedly. It was no biting of the snake, but a transfusion of blood from one poisoned man to another, a seal upon Hobbitan defeat. There was a reason, why Tolkien had the Shire pillaged at the end, for Hobbits at his time were already in too deep to just go on. For the rottenness to be mended, it needs to be exposed. Jackson didn't treat The Lord of the Rings with any more luck than he treated King Kong with: in his hands everything gets distorted beyond recognition under layers of grease he uses to gloss over his lack of sentiment.

Really, how perverse to assume he could have done a work justice, this once. You've been had.

Admit it!, for his version breeds insecurity of oneself, then fear, then hostility and delusion, or everything put together: weakness out of weakness.

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22. April 2015

Der Seewolf (1971)

Erinnerungen, Erinnerungen. Auf Booten riecht es nach Lack. Einen Sommer stand eines zur Wartung bei uns in der vermieteten alten Scheune. Wir durften natürlich drin rumklettern, mein Bruder und ich. Wie alt ich wohl war? Es muß die Zeit gewesen sein, als Luftaufnahmen noch etwas Faszinierendes für mich hatten, unser Hof in Öl, auf der Grundlage einer Luftaufnahme, mein Vater bestand darauf, das Dach der Wellblechscheune nachschwärzen zu lassen, weil er es in der Zwischenzeit frisch geteert hatte, ich fand es bescheuert, zu deutlich war der Eingriff zu erkennen. Wir holten Stroh aus der Nähe von Bad Segeberg und vermieteten einmal im Jahr Stellplätze für Pferde, wenn der örtliche Reitclub, welchen mein Großvater mitgegründet hatte, die Gründungsurkunde hing stolz bei ihm im Flur, die deutschen Meisterschaften im Springreiten austrug.

Neben der Miete bekamen wir selbstverständlich auch Freikarten.

Tja, meine Kindheit war von derselben Schönheit wie meine Zeit beim Bund. Ein Haufen Erinnerungen, die Rhododendren im Park in Blankenese, wo ich immer vor oder nach irgendeiner Gymnastikveranstaltung dort, an welche ich mich allerdings nicht erinnern kann, umherlief, aber grundsätzlich: ein Verließ!

Wenn ich heute die Unzufriedenheiten meines Sohnes sehe, nehm' ich's mit Humor. Wozu ihm beibringen, daß es nicht immer nach seiner Nase geht? Freilich, etwas disziplinierter dürfte er gerne sein.

Aber gut, der Seewolf.

Um was es Jack London wohl ging? Eine leicht verschleierte Liebeserklärung an Wolf Larsen, seinen Charakter und seine Weltsicht?

Jedenfalls fiel und fällt es mir schwer, ihn unter der Rubrik böse zu verbuchen. Was soll man ihm schon groß vorwerfen? Daß er sich mit Menschen umgibt, denen gegenüber er sich als Herr aufspielen kann, wenn nicht gar muß?

Gut, das stimmt schon, das ist ein Makel, aber doch kein gewaltiger. Über weite Strecken wirkt die Serie also wie neidisches Gezischel. Larsen ist kein Dieb, selbst wenn er stiehlt: Er baut sein Reich aus eigener Kraft und verteidigt es. Warum desgleichen gleich mit Luzifer in Verbindung bringen? Die Dame hätte auch gleich sagen können, er sei die Venus; das wäre in etwa genauso passend gewesen. So gesehen also schon eine etwas seltsame Geschichte, welche Jack London hier erzählt.

Nun gut, vielleicht ist es nicht die Geschichte, die seltsam ist, sondern nur die Weise, wie sie erzählt wird. Denn worum geht es im Ganzen?

Van Weyden ist froh, nicht wissen zu müssen, wie man eine Fähre steuert, damit er sich auf's Schreiben von Film-, äh, Buchkritiken verlegen kann. Ein Hoch auf die Arbeitsteilung! Dann trifft er Frisco Kid, alias Wolf Larsen, und lernt am Ende doch noch was, was ihn überhaupt erst in die Lage versetzt, das zu tun, was ihm wirklich gefällt.

Doch Larsen übertreibt es natürlich auch. Er reduziert seine unmittelbaren Mitmenschen zu Werkzeugen und leidet folglich darunter, nicht Teil einer größeren Gemeinschaft zu sein. Es gilt die goldene Mitte zu halten, und was wäre also zweckmäßiger, als eine Geschichte um die beiden Pole zu stricken, zwischen welchen sich diese Mitte befinden muß?

Das ist nicht seltsam, seltsam sind nur Liebeserklärungen an Harmstorfs Bizeps und der Wunsch, ihn mit den eigenen Händen zu erledigen.

Abgesehen von dieser etwas hysterischen Grunddisposition ist die Serie natürlich auch etwas zu redundant, wenn sie ständig auf der Spur von Schopenhauer, Darwin und Nietzsche kriecht, um genau das in Folge zu verdammen, ohne dabei auch nur irgendeinen synthetisierenden Gedanken zu entwickeln. Ob Jack London meint, daß, wenn der Natur das einzelne Leben nichts wert ist, dies ein sozusagen wissenschaftliches Urteil wäre, welchem der rational denkende Mensch also auch im Sinne der Beachtung eines Naturgesetzes folgen sollte?

Wahrscheinlich. Letzten Endes verletzte Eitelkeit, denn wir sind der Natur keineswegs nichts, doch eben nur bedingt etwas wert, und auf Kosten anderer zu leben ist keine Frage der Einsicht in das Wesen der Natur, sondern eine Frage der Rolle, welche ich als Mensch ausfüllen möchte. Wenn ich sage: Die anderen arbeiten meinem Interesse zu, so habe ich es aufgegeben, mich an der Entfaltung des Wunders, welches im Menschen steckt, zu beteiligen.

Und was das wissenschaftliche Aufrechnen des Rechts der Vielen gegenüber dem Recht der Wenigen angeht: Es ist zuweilen unvermeidlich, aber stets zu vermeiden. Wollen wir das nicht gleich paradox nennen. Der Mensch ist von Natur aus nur für seine Familie verantwortlich, darüberhinausgehende Hierarchien sind Notbehelfe. Und Not muß Not bleiben, damit Freiheit und Würde des Einzelnen bleiben.

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Raising Arizona (1987)

An und für sich ein exzellenter Film, gutes Auge für die lokalen Besonderheiten, das Flair, die Manierismen, Lebensphilosophien und praktischen Einrichtungen, kurzweilig geschnitten, ausgeglichene Balance zwischen heiteren und ernsten Tönen, etwas zu anspruchslos vielleicht in der Parodie der Gut, daß wir einmal darüber gesprochen haben!-Haltung, aber insgesamt weit von dummem Humor entfernt.

Und doch... kein Film, welchen man ins Herz schließen kann.

Der Grund dafür ist, daß der Film ernsthaft zynisch ist. Was Wagner ständig angedichtet wird, eine grundsätzliche Unzufriedenheit mit den bestehenden Verhältnissen, steht hier wahrhaftig im Zentrum: Hi und Ed geben der Versuchung nach, ihr Leben außerhalb der Legalität zu gründen. So unterschiedlich sie sind, sie wollen etwas vom Leben, und die Legalität gibt es nicht her.

Und nun singen Ethan und Joel Coen Kafka in der Verwandlung gleich das herzerweichende Lied des Lebensrechts der Gesetzlosen: Kasse auf, ich habe schließlich Träume, und arbeiten mag ich nicht.

Während es Kafka in der Verwandlung aber sardonisch meint, einem Abstreifen eines Tagtraumes gleich, stellen sich die Coen Brüder wenigstens dem Anschein nach tatsächlich auf den Standpunkt, daß das Nichtaufgehen innerhalb der Legalität zwar unerfreulich für die Anderen, nichtsdestotrotz aber ein zu respektierender Teil menschlicher Normalität ist, weshalb sie den Film auch über weite Strecken mit Beethovens Ode an die Freude unterlegt haben.

Zum ersten Mal stößt einem dieser Gedanke übel auf, als sich Gale und Evelle bei den McDunnoughs häuslich einrichten: Sie verhalten sich durchaus nicht übler als ihre sonstigen Bekannten, doch zugleich strömen sie aus jeder Pore unter ihren gegelten Haaren aus, daß sie nichts Gutes im Sinn haben.
Alle Menschen werden Brüder, wo dein sanfter Flügel weilt.
Besser ein Auge zudrücken! wäre die menschliche Antwort darauf, doch den Coens geht es nicht darum zu versöhnen, sondern darum zu verstören.

Dennoch, oder gerade deswegen, weil es ihnen hier tatsächlich gelingt, ist Raising Arizona kein sonderlicher Publikumserfolg beschieden gewesen, im Gegensatz zu ihren späteren drastischeren Werken, welche mit geradezu unerschöpflichen Strömen zustimmender arrogant misanthropischer Kommentare übergossen werden; auch von der deutschen Presse.

Die Frage dürfte erlaubt sein, was mich im Alter von 13 Jahren an diesem Film faszinierte. Der Einzige war ich nicht, beim Bund machte sich unser Gruppenführer einen Spaß daraus, sich bei einem kleinen Spiel MAMA DIDN'T LOVE ME mit Kreide auf die Jacke zu schreiben, bevor er eine Axt schwingend aus dem Gebüsch sprang, was mir ein Hey! Arizona Junior! entlockte, aber viele Freunde hatte der Film wie gesagt nicht.

Ich empfand den Film damals auch als sehr karg, aber er hatte eine gewisse Präzision, welche mir zusagte, dennoch, übermäßig komisch ist er ja nicht, und ich bin weder ein Fan der Coens' noch von Nicolas Cage, also was ist es?

Ich vermute, es ist der Ton, kein Akkord, ein einzelner verärgerter Ton, die Art Enttäuschung, welche die Rede kurz und bündig macht. Revidierend bin ich mir indes gar nicht sicher, daß der Film so gemeint ist. Freilich bevölkern viele solche Typen den Film und die Absicht des Films ist es zu verstören, aber das macht die Coens nicht notwendigerweise selbst enttäuscht. Andererseits sind alle Filme der Coens irgendwie eng und das spricht für ein enges Herz der Filmschaffenden. Dennoch, auch davon gibt es wohl verschiedene Varianten, und die Lennon'sche Besserwisserei, beispielsweise, ist etwas anderes. Wahrscheinlich ist es bei den Coens aber ein Bedürfnis etwas zu sehen, was es auf Erden nicht zu sehen gibt, auch wenn es dabei nicht um wie auch immer geartete Menschen geht. Ich möchte fast sagen, es geht ihnen um Gerechtigkeit als solche, ein stimmiges Begriffsgebäude. Das jedenfalls erklärte ihre seltsame Stellung zwischen Verschmähtheit und Bejubeltheit: Gerechtigkeit als solche interessiert nur Wenige, aber Viele weiden sich an den Widersprüchen im Denken Anderer.

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20. April 2015

Eins, Zwei, Drei (1961)

Meine DVD-Sammlung umfaßt zwei Filme Billy Wilder's, Manche mögen's heiß und eben Eins, Zwei, Drei.

Ersterer ist ein launige Komödie über all die Dinge, über welche Menschen nicht gerne reden, sie aber dennoch tun, darin Ghostbusters nicht unähnlich, beide Sammelbände des Unanständigen. Die jeweils schönste Szene in der Hinsicht ist wohl die Alle Sekretärinnen trinken irgendwas-Szene in Manche mögen's heiß und die Irgendwie muß man hier doch reinkommen-Szene in Ghostbusters.

In Eins, Zwei, Drei, andererseits, geht es nicht um die kleine Heuchelei, sondern um den großen Beschiß, antimilitaristisches Marschieren, wirtschaftliche Freiheit an der Schuldenkette, Anständigkeit, welche ihre Taten nicht nennen darf. Hier ist der Mensch nicht mehr Täter, sondern aus dem Leichtsinn des Glaubens heraus Opfer seiner Selbsttäuschung geworden.
Nie dürft ihr so tief sinken, von dem Kakao, durch den man euch zieht, auch noch zu trinken.
Wilder findet die richtigen Bilder, um das Primat der Wirklichkeit vor der Ideologie auf den Punkt zu bringen, etwa durch die strammstehende Bürobelegschaft, welche von dieser Gepflogenheit einfach nicht lassen will.

Er hat schon damals, vor dem Bau der Berliner Mauer, die gänzliche Absurdität des Ansatzes, durch US-affine Eliten ein US-fernes Volk zu erreichen, deutlich gesehen und dargestellt, ohne freilich dadurch bewirkt zu haben, daß die Vereinigten Staaten von diesem Ansatz gelassen hätten: Er ist sogar durch die Verfügbarkeit von Auslandsstudenten aus aller Herren Ländern in den Vereinigten Staaten noch verstärkt worden. Man möchte fast meinen, es ginge ihnen darum, ihre Hampelmänner auflaufen zu lassen, um andere Völker in Sicherheit zu wiegen.

Nur sind jene in kultureller Hinsicht tatsächlich sicher: Es ist schlicht unmöglich, daß ein Volk, welches sich in einer grundverschiedenen Lage zu den Vereinigten Staaten befindet, deren Lebensauffassung übernimmt. Und sich Lebensauffassungen für andere Völker ausdenken, tun die Vereinigten Staaten nicht. Es mag also zu einer Transformation der betroffenen Völker kommen, aber nicht von der propagierten Art.

Denn es geht eben um nichts, was es verdiente, an es zu glauben.

Schlagt euch den Gedanken, es könne gut sein, aus dem Kopf, und macht das Beste draus! lautet Wilder's Fazit, und ich würde rückwirkend ein Noch könnt ihr es! dranhängen. Denn es ist natürlich alles kein Zufall. Der Mensch suchte anfang des 20. Jahrhunderts gerade deswegen nach neuen Glauben, um dem erahnten Ende des alten zu entkommen, welches sich heute vollzieht.

Eins, Zwei, Drei ist damit ein Film von bedrückender Aktualität, ein possierlicher Ausblick auf das letzte Stück leerer Zeit vor dem Schluß, deren Vergeblichkeit den Film wie versilbertes Sauerkraut durchzieht.

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19. April 2015

Gesellschaftsverträge

Ich möchte in diesem Beitrag den Blick weiten auf die unterschiedlichen Arten von Gesellschaftsverträgen und die Voraussetzungen und Notwendigkeiten ihres Zustandekommens.

Bisher besprach ich ausführlich die idealgebundenen Verträge, das heißt die der Harmonie, Größe oder Ewigkeit verbundenen, in welche die Mitglieder der Gesellschaft eine der ihnen passenden Rollen, Forscher oder Errichter, Schlichter oder Verteidiger, Zwinger oder Bringer, ausfüllen, siehe den Beitrag Gemeinschaftsstiftende Erzählungen.

Die Notwendigkeit dieser Verträge besteht darin, die politische Handlungsfähigkeit der betroffenen Gesellschaften auf Dauer zu gewährleisten. Und die Bedingung ihres Zustandekommens ist, diese Notwendigkeit einmal zu erleben.

Denn ohne ein solches Gemeinschaftserlebnis schließen einander Fremde keinen idealgebundenen Vertrag. Beispiele hierfür in der heutigen Zeit sind die Vereinigten Staaten von Amerika und Brasilien. In den übrigen Staaten der amerikanischen Kontinente gibt es zwar auch keine idealgebundenen Verträge auf nationaler Ebene, sehr wohl aber innerhalb der verschiedenen gesellschaftlichen Schichten. Es handelt sich bei ihnen also um Kastenstaaten.

Idealgebundene Verträge sind aber nur eine Art von Gesellschaftsverträgen, nämlich die horizontalen. Die vertikalen bestehen aus den Generationenverträgen.

Es gibt dabei im wesentlichen wiederum zwei verschiedene Arten von Generationenverträgen, nämlich
  1. die Verschenkung von Gelegenheiten und
  2. die Verschenkung von Privilegien.
Der Unterschied zwischen diesen beiden Polen, welche selbstverständlich auch gemischt auftreten können, besteht in der Determiniertheit der Gesellschaft, oder anders ausgedrückt, ihrer Starre, denn während die ältere Generation im ersten Fall lediglich Versuche anstellt, die Verhältnisse innerhalb der nächsten zu bestimmen, legt sie diese im zweiten Fall nach Maßgabe ihres eigenen Urteils fest.

Die Vereinigten Staaten geben ein Beispiel für die erste Art ab, Brasilien eines für die zweite.

Aber so, wie eine Gesellschaft ohne horizontalen Vertrag sein mag, mag sie auch ohne vertikalen sein. Denn auch vertikale Verträge besitzen eine Voraussetzung, nämlich die Zuneigung der Generationen zu einander.

Doch kommen wir auf die Notwendigkeit dieser Art Verträge zu sprechen.

Angenommen, die ältere Generation betrachtet die jüngere mißliebig und ist in Folge dessen nicht geneigt, ihr irgendwas zu schenken, so wird sie die jüngere entweder ausnutzen und in dieser einen dozilen Typ züchten oder, wo ihr Wissen veraltet ist, Gefahr laufen, von dieser betrogen zu werden.

Ist also in einem Land das Generationenverhältnis zerrüttet, gewinnen Seilschaften aufgrund fehlender Konkurrenz an Gewicht und dadurch Verschwörungen gegen das Gemeinwohl, denn die politische Vertretung des Gemeinwohls lebt nicht von der Selektion seiner Vertreter, sondern von seinem Anklang, und ist darum in einem von Seilschaften dominierten Umfeld nicht zu Hause.

Es muß an dieser Stelle allerdings angemerkt werden, daß der Staat durch seine Einstellungspraxis im öffentlichen Dienst erheblichen Einfluß auf die Gesamtsituation nimmt, welcher freilich nur aus sehr abstrakter Zuneigung quillt oder nicht quillt: Je mehr Freiräume der Staat dort der jüngeren Generation gibt, desto mehr kann er gesamtgesellschaftlich kitten.

Frankreich tut sich diesbezüglich positiv hervor. Es mag sein, daß sich das nordeuropäische Gelegenheitsdenken hier mit dem Prinzip staatlicher Bevollmächtigung beißt - ein Widerspruch, welcher vielleicht nicht überall klar erkannt wird.

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16. April 2015

Demokratie unter den Bedingungen des Weltmarkts

Nur was offen zu Tage liegt, heischt Respekt.
Das Verborgene wird von der Zeit überrollt.

Ebenso wie nicht das Dach einer Kirche,
welche man vergräbt, einstürzt,
sondern ihre Wände.

Regierungen stellen die Infrastruktur und fordern dafür eine Beteiligung am Gewinn.

Sie vertreten somit die Interessen aller, welche an der Infrastruktur beteiligt sind, und sie können es, so lange die Infrastruktur attraktiv ist.

Die Infrastruktur gliedert sich dabei wie folgt:
  1. Recht des Investors
  2. Schutz dieses Rechts
  3. Lob dieses Rechts / Propaganda
  4. Bildung
  5. Transport
  6. Energie
Die ersten drei Bereiche bilden den Kern jeder staatlichen Infrastruktur, die letzen drei sind optional.

Was immer eine Regierung für die Wähler tun mag, es kann unter Punkt 3) verbucht werden. Diese Sichtweise ist abgeschlossen. Und auch alternativlos, so lange eine Regierung sich vom Weltmarkt abhängig macht, denn in dieser Abhängigkeit ist keine andere Haltung als jene, die eigene Infrastruktur anzupreisen, möglich.

Jedes Maß an auf sonstige Ziele gerichteten Regierungshandelns muß mit der Ungunst des Weltmarkts bezahlt werden, also dem sukzessiven Wegfall solcher Geschäfte, von welchen die Regierung mehr als der Weltmarkt profitiert.

Die natürliche Tendenz eines Staats unter dem vom Weltmarkt nahegelegten Verständnis von Regierung besteht also darin, die Wähler durch allerlei Geschenke dahinzubringen, ein zunehmend gegen sie gerichtetes Recht zu respektieren und ihm also den Schutzmantel des Etablierten anzulegen.

Und wenig ist dabei zu bizarr.

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14. April 2015

Gottgebundene Gesundheit

Gott als Fluchtpunkt des Erlebens des Lebens, als dasjenige, welches das Erfahrene erfahren werden läßt und sein Zeugnis wiegt, befreit den Gläubigen davon, selbst Verantwortung für sein Erleben als solches zu übernehmen: Weder muß er wissen, wodurch er leben wird, noch muß er wissen, in welchem Maße seine Empfindungen zu berücksichtigen sind; um beides kümmert sich Gott.

Und umgekehrt fallen dem Ungläubigen diese Aufgaben zu, so daß es nur natürlich ist, wenn er in einer Welt lebt, in welcher es verbindliche Antworten auf diese Fragen gibt.

Freilich, je eindeutiger diese Antworten sind, desto weniger möchte man überhaupt noch leben. Der Mensch muß auf diese Fragen zwar alltagstaugliche Antworten finden, aber jede finale Regel bringt ihn um seinen Lebenssinn.

Wenn man es zu Ende denkt, endeten wir so am wahrscheinlichsten in Kunstwelten, während sich Maschinen um die Voraussetzungen unseres Lebens sorgten, ohne daß wir davon wüßten, denn das deprimierte uns unnötig.

Ohne Gott ist der Mensch ein pathologienbeladener Entsorgungsfall.

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13. April 2015

The Taser

12. April 2015

Johannes 11:10

ἐὰν δέ τις περιπατῇ ἐν τῇ νυκτί, προσκόπτει, ὅτι τὸ φῶς οὐκ ἔστιν ἐν αὐτῷ.
Wenn er aber in der Nacht wandelt, stößt er sich, denn es ist kein Licht in derselben.
Post Scriptum vom 3. April 2018. Wollen wir mal nicht zu sehr auf die Ironie abheben, aber das ist falsch, αὐτῷ ist männlich oder sachlich und νυκτί ist weiblich, also sehr wohl demselben.

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Vom Träumen

Träumen ist ein Spiel mit Glauben.

So wie Kinder Versteck spielen, oder Fangen, so spielen sie auch mit Glauben, indem sie an etwas zur Probe glauben.

Gestern etwa drohte mir mein Sohn damit, Lava würde sich durch den Wald ergießen, wenn wir nicht den rot eingezeichneten Weg abgehen würden, denn unter dem rot eingezeichneten Weg sei die Erdkruste nur 4 Kilometer dick, und nicht 40 wie sonst.

Sehr lustig. Meinte er, wir würden den Boden festtreten?

Aber es muß wohl genauso sein wie in den anderen Fällen auch, ein Kind versteht das Leben aus der Aktion heraus, wie ich ja auch jüngst festhielt, erst Erfahrungen sammeln, dann resumieren. Und das Erfahrungen Sammeln mit Glauben ist eben das Träumen oder Phantasieren.

Was lernt ein Kind dabei?

Daß Glauben Bedingungen hat, würde ich sagen. Einerseits logische Konsistenz, andererseits die Übereinstimmung mit dem eigenen Gefühl, oder, um beides zusammenzufassen, die Übereinstimmung mit dem eigenen Urteil.

Aber nicht nur Kinder träumen. Wenn ein Jugendlicher mit einer Jugendlichen zusammen träumen möchte, so steht die Erwartung dahinter, gemeinsam über ein paar gemeinsam zerpflückte Phantastereien zum eigenen Glauben zu gelangen. Es ist genauso ein Liebesversprechen, wie sich zusammen durch's Leben zu schlagen. Der Schwerpunkt liegt nur woanders, nicht bei den praktischen Schwierigkeiten des Lebens, sondern bei seinen prinzipiellen: Der gemeinsam verfolgte Glaube ist die Schnittstelle, über welche beide Partner sich auf einander beziehen, wie ich es im Beitrag Zur anderen Hälfte im Rahmen der Vorstellung der Diener der Wahrheit geschildert habe.

Wenn er erreicht wird, erfüllt der Glaube die Träumerei und läßt sie dadurch hinter sich, die personale Liebe hingegen, welche in der Liebe des gelebten Glaubens ertrinkt, bewahrt sich einen sentimentalen Schatten. Zu lange hat sich ihr Gefühl mit den eigenen Bestrebungen verbunden, als daß es nicht synonym zu ihnen geworden wäre. Am Ende muß man zum Geliebten sagen: Du bist das Ringen, auf welches ich gebaut bin, und unter Umständen ergibt sich daraus nicht unerhebliche Peinlichkeit.

Indes, mühsam und gewunden ist so mancher Pfad. Ich bin sogar geneigt zu sagen:
Es gibt keine direkten Wege im Falschen, welche nicht weiter ins Falsche hineinführen. Wer herrscht, baut die Straßen, wohin er will.
Und wir alle müssen, Etappe für Etappe, die Strecke zurücklegen, welche vor die jeweils nächste gesetzt ist, um schließlich aus ihm herauszufinden.

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11. April 2015

Ein Blick auf mein Leben bisher

Wenn ich mein Leben bisher so betrachte, ist es die Geschichte des Zurückweichens vor und sogar halbwegs erfolgreichen Einrichtens zwischen übermächtigen Planierraupen.

So ungerecht jeder einzelne Vorfall ist, sie ist keine persönliche Ungerechtigkeit, sondern stets das Ergebnis gesellschaftlicher Konditionierung, und ich betrachte all diese Vorfälle mittlerweile als wetterartige Umweltbedingungen.

Und so bin ich, allem zum Trotz, ziemlich zu Frieden.

Ich werde sehe müssen, zu was mir Kraft und Mittel bleiben, aber gefangen bin ich nicht, auch nicht in dem Sinne, vom Leben abgeschnitten zu sein.

Und was die Anderen betrifft, ich glaube nicht daran, daß Ungerechtigkeit zu etwas führt. Sicher, der einzelne ungerechte Akt mag es, aber langfristig frommen nur institutionalisierte Prinzipien. Und ich stehe ja gerade nicht einzelnen ungerechten Akten gegenüber, sondern der institutionalisierten Prinzipienlosigkeit, dem zum System erhobenen Foul.

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10. April 2015

Verkehrte Welt

Wenn die Lehrer nicht die Schüler, sondern die Schüler die Lehrer unterrichten, wird nichts Vorteilhaftes gelehrt.

Wenn nicht viele Frauen einzelne Männer, sondern einzelne Frauen viele Männer suchen, ist kein Unabhängiger zu finden.

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Martha und Maria

Die zeitlichen Hinweise zu den Beiträgen Geist in Tieren und Menschen und Wären Eltern doch Ältere! aufgreifend stellt es sich so dar, daß Martha und Maria die beiden Seiten des Wunsches nach Zukunft sind: Martha späht nach Licht, Maria will es gestalten.

Sie stehen damit für die beiden wählbaren Gesinnungen, Martha für die reflektierte und Maria für die engagierte.

Um Martha zu gewinnen, gilt es, ihren Glauben an die Gottverbürgtheit ihrer Zuversicht zu wecken, und bei Maria ist es der Glaube an die Gottgefälligkeit ihrer Vorkehrungen, welchen es zu wecken gilt.

Konkret ist Martha durch die volle Besinnung darauf, was es heißt, ein Mensch zu sein, geholfen und Maria durch die volle Besinnung auf den Umfang menschlichen Lebens: Die Reflexion entfaltet sich unter der Weite des Himmels, das Engagement im Rahmen des Vorbilds.

In Zeiten, in welchen alles mit dem Strom der Jugend entschwindet, gefesselt an die Machbarkeit, wird sich die Kraft eines Vorbilds daran erweisen, aus ihr herauszuführen und zu gläubiger Verantwortungsübernahme für die Zukunft.

Und so salbt Maria Christi Füße.

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9. April 2015

Wären Eltern doch Ältere!

Sie öffnen die Bahn,
tragen zusammen,
setzen die Grenzen,
erschließen die Quell'n.

Wo seid ihr nur?

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5. April 2015

Gesetze und Heuristiken bei der Suche nach zielführenden Zugfolgen

Vier gewinnt.

Möglichkeiten, die weitere Ausfüllung des Brettes zu bestimmen:
  • B kann vor jedem Zug von A sämtliche auf geraden Höhen (Zählung beginnt mit 1) momentan unerreichbaren Stellen für sich sicherstellen oder anders ausgedrückt, A kann eine Stelle auf einer gerade Höhe nur dann belegen, wenn B sie A freiwillig überläßt, denn wenn B am Zug ist, gibt es stets in wenigstens einer Spalte eine Stelle auf einer gerade Höhe, welche B belegen kann.
  • Wenn A es schafft, B dazu zu bringen, nicht weiter in gewisse Spalten zu setzen, in welchen eine ungerade Anzahl von Steinen liegt, so vertauschen sich die Rollen von A und B in den übrigen Spalten.
  • Ist nur noch eine Spalte übrig geblieben, so belegt A die übrigen Stellen auf ungerader Höhe und B die übrigen Stellen auf gerader Höhe.
Diese drei Garantien erlauben es, viele aussichtslose Stellungen frühzeitig zu erkennen, indem in jede Stellung die garantierten Stellen zusätzlich eingetragen werden. Die Einsicht in die Zwingbarkeit hier ist eine allgemeine, welche sich aus den Bedingungen für das Belegen der Stellen ergibt.

Letzteres ist natürlich immer der Fall, aber beim Schach, beispielsweise, unterscheiden sich diese Bedingungen für jede Figur und sind auch nur im Falle der Bauern ähnlich einfach und zwingend (immer vorwärts, nie zurück).

Entsprechend stark unterscheiden sich die Charaktere der beiden Spiele, Vier gewinnt lebt davon, daß es Menschen trotz der besseren Übersicht über die Aussichten einer Stellung nicht so ohne weiteres möglich ist, die Aussichtslosigkeit einer Stellung korrekt festzustellen, wodurch es oftmals dazu kommt, daß ein Spieler trotz seiner eigenen Fehlkalkulation ein Spiel gewinnt, weil sie dem anderen auch nicht klar ist und er sich schon alleine dadurch in weitere Fehlkalkulationen verstrickt. Dies gilt so freilich wieder für alle Strategiespiele, aber bei Vier gewinnt entsteht daraus ganz regelmäßig ein fortgesetztes Fallen Stellen und Sich Herauswinden, welches der Spieler gewinnt, welcher die meiste Erfahrung darin hat, wohingegen es beim Schach nur während des gegenseitigen Figurenschlagens dazu kommt, welches aber keine exakte Wissenschaft ist, sondern im Grunde genommen nur dazu dient, die Lage übersichtlicher zu gestalten, um das End- und damit das eigentliche Schachspiel einzuleiten. Und in diesem eigentlichen Schachspiel gibt es keinen linearen Fahrplan mehr, wo man abzählen könnte, an welcher Station zum Ziel man nun angekommen ist. Vielmehr hält man die Augen auf nach allem, was irgendwie nicht nach Remis aussieht, irrt sich dabei oftmals und gibt sich dann doch mit Remis zufrieden.

Jedenfalls ist es das letzte Mal zwischen Carlsen und Anand so gelaufen.

Nun gut, worauf ich hier eigentlich hinauswill ist, daß ich es für einen falschen Ansatz der künstlichen Intelligenz halte, menschliche Heuristiken, wie etwa beim Schachspiel, statisch zu imitieren. Vier gewinnt liefert ein schönes Beispiel dafür, warum man das nicht tun sollte: Diese Heuristiken pflegen falsch zu sein, ich habe beispielsweise fast immer als B gegen andere menschliche Spieler gewonnen und auch gegen die künstliche Intelligenz der Linuxversion, obwohl B sich von Anfang an in einer aussichtslosen Lage befindet.

Die folgende Eröffnung, beispielsweise, ist ziemlich furchteinflößend,

....... ....... .......
....... ....... .......
....... .o..... .o....o
.x.o... .x.o..x .x.ox.x

aber eben nicht zielführend. Die Linuxversion auf hard eingestellt (Stufe 6 von 7, aber 7 macht's genauso) ist übrigens so blöd, gleich zweimal nach einander in die Mitte zu setzen.

.......
...x...
...o...
.x.o...

Das Spiel ist verloren nach der ersten Garantie, nunja, beinahe, A kann noch in die sechste Spalte setzen, worauf B in die fünfte, A in die vierte, B in die sechste, A in die zweite, B in die erste, aber dann ist der Ofen aus. Stufe 6 bedrängt einen indes nicht derartig unnachgiebig, und so man kann sogar etwas Kunst schaffen und folgendes Bild bis zum Sieg auffüllen:

xxxxxxx
oooxooo
xxxoxxx
oooxooo
xxxoxxx
oooxooo
ooxoxoo
xxoooxx

Nennen wir es: Maximaler Unnutz. A hat zwei 4er und elf 3er, aber nützen tun sie alle nichts.

Nein, der statische Teil einer künstlichen Intelligenz sollte nur aus Aussagen bestehen, welche beweisbar stimmen. Dann kann sie immer noch Heuristiken wie die Unterteilung der Spielphasen beim Schach entwickeln, um ihre Chancen, im Suchraum etwas Brauchbares in der nunmal nur vorhandenen Zeit zu finden, aus dem jeweiligen Blickwinkel heraus zu erhöhen.

Vorzugsweise sollte sie aber auch dort nach Gesetzen suchen, welche den Ausgang von möglichen Zugfolgen vorhersagen.

Betrachten wir dazu ein anderes Beispiel.

Schiebepuzzle.

Wie schiebt man die Teile herum, um das Bild zusammenzukriegen?

Nun, das ist nicht schwer. Man schiebt bei Numerierung von links nach rechts und dann wieder von links nach rechts eine Zeile tiefer und unter der Annahme, daß das letzte Feld frei bleibt, das erste Teil auf das erste Feld und so weiter, bis man beim n-1. Teil angekommen ist, wobei n die Anzahl der Zeilen und Spalten im quadratisch angenommenen Schiebepuzzle  bezeichne, eine Annahme übrigens, welche völlig unwesentlich ist. Dieses n-1. Teil also schiebt man auf Feld n, um es anschließend mit einer kleinen 4er Rotation in einem 2x2-Feld zusammen mit dem n. Teil an die richtige Stelle zu bekommen.

Anschließend kümmert man sich analog um den Rest der ersten Spalte, um dann in einem Schiebepuzzle der Größe n-1 wie gehabt fortzufahren, bis man schließlich bei einem Schiebepuzzle der Größe 2x2 anlangt, in welchem man nur noch rotieren kann.

Betrachten wir das einmal genauer:

12 1. .1 31 31 3. .3 23 23
3. 32 32 .2 2. 21 21 .1 1.

Die Permutationsgruppe von 3 Elementen, hat 6 Elemente, von welchen uns hier aber nur 3 zur Verfügung stehen, nämlich die Rotationen (1)(2)(3), (123) und (132) , oder anders gesagt Stillstand, Schritt nach rechts und Schritt nach links.

Was heißt das für die Permutationsgruppe der Teile des Schiebepuzzles?

Nun ja, es heißt, daß wir mit unserem Algorithmus in einer Untermenge bleiben, welche nicht (n*n-1)! Elemente besitzt, sondern nur (n*n-1)!/2.

Und was heißt das?

Das heißt, das wir beweisen müssen, daß in einem Schiebepuzzle nur Permutationen möglich sind, deren Signum positiv ist.

Das ist indes einfach. Jede Permutation des Schiebepuzzles ist aus einer Abfolge von Vertauschungen des freien Felds mit einem Teil des Schiebepuzzles zusammengesetzt so, daß das freie Feld am Anfang und am Ende am selben Platz, dem letzten Feld, steht.

Eine solche Permutation hat die Form (ab) und ein negatives Signum. Wir müssen also zeigen, daß die Anzahl dieser Vertauschungen gerade ist.

Und nichts leichter als das. Denken wir uns schlicht ein Schachfeld. Das letzte Feld sei schwarz. Dann führt jede gerade Anzahl von Vertauschungen das freie Feld auf ein schwarzes Feld und jede ungerade das freie Feld auf ein weißes, und da wir von schwarz auf schwarz wollen, benötigen wir also eine gerade Anzahl von Vertauschungen.

Mit anderen Worten brauchen wir uns nicht darum zu sorgen, daß wir durch Rotation im verbleibenden 2x2-Puzzle nicht die richtige Anordnung zu Stande bringen, denn eine entsprechende Umordnung ist durch das Kaputtschieben des Ausgangsbildes nicht erreichbar.

Anders ausgedrückt können wir jedes Schiebepuzzle mit unserem Algorithmus Schritt für Schritt zurückschieben.

Hier ist es also so, daß wir ein Gesetz gefunden haben, welches uns die nötigen Züge zur Erreichung unseres Zieles vollständig an die Hand gibt, indem wir eine Weise erkannt haben, so zu ziehen, daß die späteren Züge den partiellen Erfolg der vorherigen nicht zu Nichte machen.

Übrigens gibt es auch ein, wenn auch nicht hinreichendes, so doch notwendiges Gesetz des Philosophierens. Es lautet:
  • Sammle Erfahrungen, ordne sie und beginne von vorn.
Ordnung ohne Empirie, auf welche sie sich bezieht, läßt einen nichts klarer sehen, Empirie ohne Ordnung ebenso. Es ist also von vornherein klar, wozu man seine Zeit jeweils einteilen sollte.

Die Hinreichendheit eines Gesetzes bedeutet, daß es zur Lösung führt, die Notwendigkeit, daß es Unsinn ausschließt, meistens aber sind den Ausgang absehende Gesetze weder notwendig, noch hinreichend, um zum Ziel zu gelangen, nichtsdestotrotz aber von wesentlichem Nutzen zu diesem Zweck, wie man am Beispiel der Gesetze zu Vier gewinnt ersehen kann.

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