Der Sanguiniker bildet den Urzustand der Art Homo sapiens sapiens.
Das ist angesichts der vorangegangenen Modellierung des Bewußtseins zu erwarten und läßt sich auch empirisch belegen, wenn man denn der Genetik Glauben schenkt.
Üblicherweise geht das Temperament vom Vater auf den Sohn (und die Tochter) über. Üblicherweise paaren sich auch Partner gleichen Temperaments, was die Erklärung für ersteres sein mag. Ich will mich in dieser Frage nicht festlegen, dennoch aber verlangen, daß sich die Entstehung der verschiedenen Temperamente, zumindest soweit es ihre Häufigkeit betrifft, mit der Mutationsgeschichte des Y-Chromosoms in Einklang bringen läßt.
Nun sind meine Ressourcen zur Durchführung psychologischer Untersuchungen begrenzt, andererseits liegen die Temperamente der Menschen ziemlich offen zu Tage. Und wenn ich meine Allerweltserfahrungen mit dem
Stammbaum des Y-Chromosoms in Einklang bringe, so wage ich zu behaupten, daß sich erstmals in der Haplogruppe F etwas anderes als ein Sanguiniker gezeigt hat.
Zur Erinnerung, die Motivation des Sanguinikers entspringt seinen Umständen, die Motivation des Cholerikers und Melancholikers entspringt ihrer Haltung. Dies ist kein kleiner Unterschied und kann schwerlich die Folge veränderter Rahmenbedingungen sein. Man wird verlangen müssen, daß er mit einer Mutation einher ging.
An dieser Stelle allerdings hört die Vorhersagekraft meiner Bewußtseinsanalyse auch schon wieder auf. Es ist nicht so, daß nun zunächst nur Choleriker entstanden wären und später dann mit einer weiteren Mutation auch Melancholiker folgten. Allerdings ist in der Tat zunächst ein Typus entstanden und später dann mit einer weiteren Mutation (innerhalb der Haplogruppe MNOPS) ein anderer. Es sind dies aber Typen, welche ich zuvor noch nicht beschrieben hatte.
Diese beiden Typen sind klar genug erkennbar, um keinen Zweifel daran zu hegen, daß sie in der Tat fundamentale Charaktere menschlicher Gesellschaften bilden, und selbst wenn sie sich nicht besonders gut mit den Verbreitungsgebieten der Untergruppen von F (ausschließlich MNOPS) und MNOPS in Einklang hätten bringen lassen, verdienten sie wohl eine Beschreibung an eigener Stelle.
Der erste Typus ist getrieben, immer auf der Suche nach Vervollkommnung seines Lebens, andere freundschaftlich neben sich entfalten lassend, hilfsbereit und großzügig. Der zweite Typus ist zurückhaltend, streng, genügsam, ordnungsliebend.
Diese Typen sind natürlich nicht gänzlich unvereinbar, einer mag Spaß verstehen, aber irgendwo seine Grenze haben, ab welcher sein Verhalten ins Gegenteil umschlägt, und folglich ist man nicht unbedingt versucht, die Sache als erblich zu betrachten. Sie ist es aber, wobei einem nach dem vorigen gar nichts anderes übrig bleibt, als gerade die Lage dieser Grenze als das Erbliche anzusehen. Irgendwann vor ein paar zehntausend Jahren ist jemand auf einer indonesischen Insel final eingeschnappt, was ihm erstaunlicherweise einen ungeheueren selektiven Vorteil bescherte.
Der ursprüngliche Typus, also sämtliche Haplogruppen vor F, befindet sich heute noch in Afrika, in Tibet, in der Mongolei, bei einigen ostsibirischen Stämmen, bei den australischen Eingeborenen, den Maoris und beinahe auch in Japan in der Mehrheit. Der erste haltungsmotivierte Typus, also alle verbleibenden Haplogruppen vor MNOPS, befindet sich heute in der Türkei, in Georgien, im Iran, auf der arabischen Halbinsel, bei einigen Stämmen in Papua-Neuguinea, in Südindien, sowie beinahe auch in ganz Indien und in Italien in der Mehrheit. Der zweite haltungsmotivierte Typus schließlich befindet sich so gut wie überall sonst in der Mehrheit und insbesondere auch bei den amerikanischen Ureinwohnern, den Inuit und in Japan, wo der erste haltungsmotivierte Typus vollständig fehlt, nicht aber in Indien und Italien, wo er auch nur die zweitgrößte Gruppe bildet, in Spanien und Indonesien andererseits sehr wohl.
Soviel zum empirischen Hintergrund, vor welchem diese Zuordnungen getroffen wurden. Ich möchte an dieser Stelle nicht verschiedene Gesellschaftszusammensetzungen gegen einander abwägen, das erscheint mir auch in den meisten Fällen sinnlos, wenngleich eine bloße Beschreibung vorhandener Charakteristika durchaus Sinn macht, ich würde allerdings gerne die Frage danach stellen, ob es einen Zusammenhang zwischen cholerischem oder melancholischem Temperament einerseits und dem Grad der Ordentlichkeit andererseits gibt.
Nun, einen anderen Zusammenhang gibt es offensichtlich. Ein erhöhter Grad der Ordentlichkeit geht empirisch nachweisbar mit einem Mangel an Religiösität einher, ja, wenn man das Richtverbot bedenkt, ist dieser Zusammenhang für das Christentum sogar dogmatisch. Moslemische Länder, welche vom zweiten haltungsmotivierten Typus dominiert werden, zum Glück ist das in deutlicher Weise nur in Indonesien so, bilden diesbezüglich, je nach Verständnis von Religiösität natürlich, eine Ausnahme, da der Koran dort explizit als Einladung zum Richten verstanden wird, was manch unschönen Anblick auf offener Straße beschert. Wenn man die Sache allerdings tiefer betrachtet, so kommt man nicht umhin, mit praktisch gelebter Religiösität immer einen Verzicht auf Handlungen zu verbinden, da sonst von Gottesvertrauen keine Rede sein könnte. Einem Volk, welches zu unordentlich ist, mag eine Religion Ordnung befehlen, ohne dadurch aufzuhören, eine Religion zu sein, bei einem Volk, welches eh schon zu überzogener Ordnung neigt mündet ein solches Vorgehen hingegen zwangsläufig in mörderischem Fanatismus. Daß Indien, obgleich von eher unordentlichen Menschen bevölkert, dennoch eine Religion besitzt, welche zwar einerseits sagt, daß man nunmal das tun müsse, was man tun muß, andererseits dies aber zumindest latent als eine Last darstellt, deren zulässige Abschüttelung jedenfalls einen Grund zur Freude darstellte, liegt natürlich daran, daß diese Religion in erster Linie den höheren Kasten gilt, in welchen der zweite haltungsmotivierte Typus klar dominiert. Übrigens ist die stoische ganz allgemein eine einfache diesem Typus angemessene Haltung, welche er von sich aus an den verschiedensten Orten der Welt angenommen hat. Es gehört schon ein gerüttelt Maß an Verrücktheit dazu, diesen Typus aufzustacheln, und letztlich tut das jede optimistische Weltsicht, denn unbehelligt von menschlichen Gefühlen wie er nunmal ist, vernichtet er ohne Gespür für die Wunde, welche er schlägt, und deshalb auch fast ausnahmslos das Falsche. Einzig seine eigene Vollkommenheit darf man ihm verheißen, alles darüber hinaus ist Mord.
Nicht Wenigen hat sich dieser Zusammenhang ganz praktisch in ihrem Leben durch die Lektüre Schopenhauers erschlossen. Erst nachdem der Zwang weg ist, die Welt auf die richtige Bahn zu bringen, weil das Leben eh nicht so gedacht ist, kann man damit anfangen, einzelne Dinge auf die richtige Bahn zu bringen. Ich spreche da übrigens zu einem gewissen Grade auch von mir selbst, allerdings war ich immer schon eher tolerant und bin auch weiterhin nicht bereit, mich auf alles einzulassen. Eine Ausnahme gibt es, und zwar das Recht auf den natürlichen Platz allen Daseins in der Welt. Die Konsequenzen dessen bedenkend, handele ich lieber selbst, wo es nötig ist und ich es kann, ohne allerdings der Unmöglichkeit auszuweichen.
Nun, dies alles hat uns nicht unbedingt der eingangs gestellten Frage näher gebracht. Der Melancholiker ist zwar von einem inneren Kompaß abhängig, aber dieser muß nicht unbedingt transzendenter Art sein. Allerdings ist das Begreifen als solches sicherlich ein vergleichsweise musischer Zeitvertreib und zugleich ein vergleichsweise entfernter, zu welchem den Religiösen also nur Not oder große Hoffnung zöge und den Areligiösen? Nun, die Entfernung macht ihm nichts aus, und wenn ihn die Muse auch nicht küßt, so tut es vielleicht auch ein Blick in die Leere.
Ich denke, diese Betrachtung wird der Sache einigermaßen gerecht. Es ist zwar verwunderlich, daß Kinder sich schon sehr früh als Choleriker oder Melancholiker zeigen, indes mag da auch Imitation eine Rolle spielen und generell liegt es nahe hier ab einem bestimmten Alter, sagen wir mit zwölf Jahren, eine bewußte Entscheidung anzunehmen, welchen Teil der eigenen Haltung man für wichtiger befindet, richtig aufzufassen oder richtig umzusetzen.
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