Logos heißt Begriff, und begreifen müssen wir unsere Erfahrungen (Wahrnehmungen), um uns auf sie beziehen zu können. Entscheidend dabei ist aber nicht die anschauliche Einsicht, welche in der Übereinstimmung eines Begriffs mit seinem Gegenstand liegt, sondern die reflexive Einsicht, daß sich ein Begriff auf einen Gegenstand bezieht, welche denn auch von Platon in seinem siebten Brief zur Definition des Logos im engeren Sinne als gegenstandsgegenstandsbezüglicher Begriffsgegenstand verwendet wird, denn auf der reflexiven Ebene (streng genommen den reflexiven Ebenen) erscheint das Netz gegenstandbegrifflicher Verbindung, welches in der netzförmigen Zeit ausgeleuchtet wird.
Damit sich diese Ausleuchtung also vollziehen kann, das heißt, damit die Frage nach den logischen Zusammenhängen der begrifflichen Beziehungen gestellt werden kann, deren Gesetzmäßigkeiten erforscht werden können, was sich anhand einer begrifflichen Beziehung über eine andere aussagen läßt, ist es zunächst einmal erforderlich, die Begriffe zu bestimmen, deren logische Zusammenhänge wir erforschen wollen.
Ich glaube, daß es eine Reihe angeborener Verhältnisse gibt, in welche wir Einsicht haben, und daß sich alle Begriffe aus der logischen Verbindung (Negation, Konjunktion, Disjunktion) dieser Verhältnisse ergeben. Es ist freilich möglich, die Negation davon auszunehmen und sie den Aussagen vorzubehalten, wie es beispielsweise das Estnische tut, welches die begriffliche Negation nicht kennt, was formal darauf hinausläuft, daß die Negation, so vorhanden, stets die letzte Operation in einem komplexen Ausdruck ist, aber erstens kennt unser Denken keine Normalformen, und zweitens ist es aus bewußtseinstheoretischer Sicht ein schwerer Fehler, dem fertigen Produkt, hier der Aussage, auch nur ein Gramm mehr Gewicht als nötig zu geben: Alles ist in den einfachst möglichen Formen anzulegen, aus welchen sich das Ganze schließlich zwanglos ergeben muß.
Es wäre also möglich, sich auf diese angeborenen Verhältnisse zu beziehen und alle Begriffe durch sie zu definieren, und dies geschieht gewissermaßen auch in der Mathematik, denn die Zermelo-Fraenkelsche Mengenlehre stützt sich auf eine Teilmenge ihrer, behauptet dann allerdings auch Dinge, welche sich nicht wissen lassen, wie daß es eine Menge aller induktiv gebildeten Mengen, welche die vorangegangenen enthalten, gibt, aber den Begriff
induktiv auf diese Weise gebildet gibt es schon, und dann muß man eben etwas Gehirnschmalz darauf verwenden, ob es erlaubt ist, seiner Entsprechung durch eine als existent angenommene Menge vorzugreifen.
Dies ist übrigens ein praktisch relevanter Punkt, also daß man nicht damit auskommt, Begriffe zu definieren, sondern daß man, aufgrund des Begriffs der Existenz, das heißt der Wahrnehmbarkeit, von welchem wir aus trivialen Gründen nur seine Entsprechung kennen, so daß wir gezwungen sind, über seine Nichtentsprechung Theorien aufzustellen, welche sich auf die Gesetzmäßigkeiten unserer Wahrnehmung gründen, nicht umhinkommt, außerdem hinreichend zuversichtlich und insbesondere eindeutig besinnbare Wahrnehmungen in als existent angenommenen Mengen zusammenzufassen, wie eben auch im Fall der Zahlen, also neben den Begriffsdefinitionen noch Existenzbehauptungen für Mengen begrifflich bestimmter Besinnungen aufzustellen.
Nur praktisch läßt es sich außerhalb der Mathematik nicht so angehen, da die von uns verwendeten Begriffe zu komplex sind. Hätte ich die von mir verwendeten Begriffe vollständig auf die angeborenen Verhältnisse zurückgeführt, so könnte man daraus bereits Data's
emotion chip entwickeln. Und also müssen wir von beliebigen Begrifflichkeiten ausgehen, welche der Erfassung menschlicher Erfahrung zu Grunde liegen.
Und wenn nun jemand zu einer dieser beliebigen Begrifflichkeiten greift, anstatt selbst eine zu entwickeln, so sprechen wir nicht mehr von einer
Erfassung, sondern von einer
Auffassung; es wäre nämlich beleidigend, einem selbst denkenden Menschen zu sagen, daß das eben seine Auffassung sei, was er erfaßt hat, aber wer eine beliebige Begrifflichkeit übernimmt, übernimmt nicht zugleich die Einsichten, welche dieser Erfassung zu Grunde liegen und in welchen der Schlüssel zur Rückführung auf die angeborenen Verhältnisse liegt, doch kann er ihnen im Laufe seiner Anwendung der Begrifflichkeit ebenfalls begegnen, wann er also anfängt zu erfassen.
Wenn wir nun mit Aristoteles und Newton sagen, daß Zwerge auf den Schultern von Riesen mehr sehen als diese selbst, so rufen wir zur Gemeingültigkeit einer Auffassung auf, welche uns von einem Riesen als einer Reihe von Zwergen hinterlassen wurde, um ihre logischen Zusammenhänge im Laufe der Generationen Stück für Stück auszuleuchten.
Deshalb heißt es Universität und Einrichtung, weil uns Universitäten und Einrichtungen eine Richtung geben, eine gemeingültige Auffassung, doch während dies bei der Entwicklung neuer Technologien durch die Etablierung von Standards und damit wiederholbarer Erfahrungen von Nutzen ist, trocknet es zugleich die natürliche Vielfalt der Erfassungen individueller Erfahrungen aus, bis es schließlich soweit kommt, daß wir einander nichts mehr zu sagen haben, weil die Grundlage eines Dialogs, nämlich unterschiedliche individuelle Erfassungen des beleuchteten Gegenstands, nicht mehr gegeben ist.
Aber, wie ich schon sagte, kann das menschliche Leben nicht auf die Wiederholung eines Kanons akzeptierter Erfahrungen reduziert werden, sondern vollzieht sich in einer Spannung, einem Sprung in das Unbekannte, als Teil einer Geschichte, welche sich nur einmal begibt, und weil sie einmalig ist, sind wir gehalten, uns individuell anzustrengen, sie zu erfassen, und uns über unsere Erfassungen auszutauschen, um ihren gegenwärtigen Herausforderungen gewachsen zu sein.
Wie viel Intelligenz gehört dazu, um zu verstehen, daß, was der Universität entspringt, Regel und Maß in die Welt bringt und nichts von der gerade angebrochenen Zeit weiß? Dieses Wissen wird vom einzelnen Forscher in sie hineingetragen, so lange es sich mit weltlicher Regelung und Mäßigung verbinden läßt, doch wo es nicht der Erhöhung der Warte von Zwergen dient, wo es etwa etwas von ihnen fordert, da findet es keinen Platz unter ihrem Dach. Lange haben wir uns gemüht, unser Leben annehmlicher zu gestalten, doch darin liegt nicht mehr die Herausforderung, und unsere Erfassungsfaulheit, Auffassungsbegierigkeit und Dialoglahmheit, welche unserem altbewährten Schlachtroß, der Universität, entspringen, behindern ihre Bewältigung nur.
Post Scriptum vom selben Tag. αἰῶνός in
Matthäus 13:39 heißt selbstverständlich
Zeitalter.
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