Lebensrollen
Zunächst einmal sind die Chakren in dem Sinne real, daß, wenn man bestimmte, auf natürliche Weise mit ihnen verbundene Haltungen annimmt, sich diesen entprechende Stimmungen in klar erkennbarer Weise einstellen. Ich möchte dies noch einmal ausführlicher besprechen, um dem Vorwurf der Beliebigkeit entgegenzutreten.
Die Chakren entsprechen unterschiedlichen Punkten auf unserer Wirbelsäule, welche durch den Kopf fortgesetzt gedacht wird. Je höher der Punkt, desto höher die Funktion des entsprechenden Verhaltens. Dies allein ist bemerkenswert, denn die Höhe der Funktion ist etwas objektives und ergibt sich daraus, auf welchen weiteren Funktionen sie beruht.
Nun denn, die Wirbelsäule beginnt mit dem Steiß. Das Wurzelchakra befindet sich an diesem Punkt. Die Haltung und Stimmung, welche dem Wurzelchakra entsprechen, muß ich Männern jedenfalls nicht erklären, vorausgesetzt, daß sie schon einmal mit einer Frau Geschlechtsverkehr hatten (womit ich nicht sagen will, daß sich letzterer auf ersteres reduziert, wohl aber, daß er ohne ersteres nicht auskommt).
Die Funktion hier ist ebenfalls elementar und beruht auf keinen weiteren, es ist einfach nur die blinde Durchsetzung des eigenen Willens.
Als nächstes kommt das Sakralchakra, welches sich in etwa auf Höhe des Gebärmuttermundes befindet, bei einer Frau, versteht sich, aber auf der nämlichen Höhe auch bei einem Mann. Nun denn, die Stimmung hier ist die grundlose, lustbestimmte Zuwendung, welche man auch als Mann verspüren kann, wenn man die entsprechende Meditation befolgt. (Beschreibungen all dieser Meditationen finden sich im Netz. Ich verzichte an dieser Stelle darauf, sie vorzustellen.)
Diese Funktion ist schon nicht mehr elementar, denn Zuwendung setzt voraus, daß es einen Willen gibt, welcher sie sucht.
Als nächstes kommt das Nabelchakra zwischen Nabel und Solar Plexus. Die Meditation bewirkt hier eine forsche, wetteifernde Stimmung, welche am elementarsten im Zweikampf zweier Buhlen zu finden ist.
Diese Funktion ist eine echte Metafunktion, sie sorgt dafür, daß von zwei gleichartigen Funktionen die stärkere den Vorzug erhält. Die Bedingung der Gleichartigkeit kann man dabei auch zu einer gegenseitigen Bezüglichkeit auflockern, um dann auch die Jagd unter diesem Fall zu fassen.
Anschließend kommt das Herzchakra auf Herzhöhe. Die Stimmung, welche sich durch entsprechende Meditation einstellt, ist die edele Großzügigkeit, welche im Gegensatz zur sakralen Lust aus individueller Sicht nicht grundlos ist, sondern vielmehr Achtung ausdrückt.
Auch dies ist eine Metafunktion, nur daß die Bevorzugung hier in das individuelle Ermessen gestellt ist, wobei die auf der vorigen Stufe beförderte Tüchtigkeit natürlich auch für die Achtung ein große Rolle spielt, aber keine ausschließliche.
Dann, auf der Höhe der Schlüsselbeine, kommt das Kehlchakra. Hier ist es erstmals etwas schwieriger, die entsprechende Haltung und Stimmung zu finden. Letztlich ergibt sie sich aus der Wärme der Stimme, der Schwingung der Stimmbänder. Die Bezeichnung Schwan für einen Poeten weist in die richtige Richtung.
Die Funktion hier ist wiederum eine bevorzugende Metafunktion, welche unter individuelles Belieben gestellt ist, aber ihr Objekt ist nicht mehr ein anderer Wille als Ganzes, sondern nur mehr einzelne Äußerungen desselben, welche durch Unterweisung befördert werden, also deutlicher gesagt ist die Funktion hier Unterrichtung.
Damit verlassen wir die Wirbelsäule und gehen auf den Kopf über. Nun, die Meditation auf das Stirnchakra bewirkt das Eintauchen in Phantasiewelten. Kaum kann man sagen, daß eine Stimmung damit einherginge, und doch tut sie es. Allerdings wird sie bald, je nach Art der Phantasie, von anderen Stimmungen überlagert. Wenn ich sie beschreiben sollte, würde ich vielleicht sagen, daß sie sich anfühlt wie schmelzendes Eis.
Die Funktion hier ist natürlich die Vernunft, welche das Dasein in einen überzeitlichen Rahmen rückt.
Und schließlich das Kronenchakra auf dem Scheitel, welches zu einer passiv liebenden, zugleich entrückten und verbundenen Stimmung führt.
Die Funktion hier ist die Einbeziehung in das Werden der Welt, die Einbeziehung in die Entwicklung der Funktionen, aus welchen die Welt besteht, auf der Grundlage des eigenen Wohlgefallens am eigenen Dasein.
Ich habe das vorher nicht in Zusammenhang mit einander gebracht, aber es scheint mir nun recht möglich, daß die Stellung der Offenheit und das Schicksal der eigenen Seele unmittelbar mit einander zusammenhängen.
Gut, fassen wir zusammen, die Chakren führen uns also auf sieben Lebensrollen, nämlich Wirker, Schenker, Streiter, Liebhaber, Lehrer, Richter und Wähler.
Ich halte es für bemerkenswert, daß die heutige Konsumgesellschaft im Kern daraus besteht, daß wir regelmäßig Orte des Wählens aufsuchen, sei das nun ein Spielwarengeschäft oder ein Urlaubsort, und den Rest der Zeit damit verbringen, für unsere Mitmenschen Orte des Wählens zu erschaffen.
Darin spiegelt sich mit Sicherheit unsere Programmierung, das, was wir letztlich alle zumindest unterbewußt für den höchsten Lebenssinn halten. Nur daß wir uns nicht voll einbringen, unsere Wahl darauf beschränken, was wir benutzen und nicht wählen, in welchen Formen wir leben. Die Formen sind durch die Maximierung der Wahlfreiheit an Ge- und Verbrauchsgütern bestimmt. Nein, das ist nicht optimal, aber es ist ganz offensichtlich ein Versuch, optimal zu sein.
Man muß das im Hinterkopf behalten, wenn man sich daran macht, etwas besseres zu finden. Ich habe das auch getan, aber ohne es so klar wie jetzt gesehen zu haben. Mag sein, daß ich dazu noch etwas schreiben werde.
Labels: 03, gesellschaftsentwurf, gesellschaftskritik, gesetze, ἰδέα, φιλοσοφία