Loyola bündelt hier sein Verständnis der menschlichen Psyche unter dem Einfluß des Guten und des Bösen, und ich werde wiederum die Gelegenheit nutzen, um festzuhaltn, womit ich übereinstimme und womit nicht, Numerierung wie bei Loyola.
Regeln für die erste Woche.
2. Wiewohl Lust nicht immer böse ist, sondern nur, wenn sie Achtung oder Sorge zuwiderläuft, so ist Sorge doch immer gut - jedenfalls für den Einzelnen. Soll heißen, einer mag wohl übervorsichtig scheinen, aber nur Gott weiß, zu welchem Zweck. Wir müssen dies als sein Geheimnis achten und den Zögernden lassen. Und wie ich schon sagte sind Tränen kein Auftrag, sondern Verheißung, es ist dem Zweifelnden verhießen, seine Zweifel zu überwinden, den Auftrag, sie zur Seite zu schieben, hat er nicht.
5. Sofern man zu Zeiten der Trostlosigkeit überhaupt noch etwas tun kann, soll man am Vorigen festhalten, einverstanden.
6. Im Falle extremer Trostlosigkeit mag Beten angemessen sein, ansonsten sollte man sich eher stoisch zeigen.
7. Das mag man sich in der Tat denken.
8. Eben, aber das Beten ist nicht Voraussetzung dafür, die Trostlosigkeit zu überwinden, und das soll man auch nicht meinen. Wenn man betet, so weil man muß, aus Schmerz oder Angst, nicht weil man die Zeit der Trostlosigkeit, welche einem auferlegt wurde, zu verkürzen sucht.
9. Nur die dritte Ursache stimmt, Gott zeigt uns, daß er derjenige ist, welcher die Welt in seinen Händen hält.
10. Das ist ziemlich überflüssig, da man dann ja lediglich abwarten und, soweit es geht, am Vorigen festhalten muß. Es gibt also keinen Grund, sich in Zeiten des Trostes mit der Trostlosigkeit zu betrüben.
11. Man mag sich das denken, einverstanden.
12. Ich sehe das nicht. Dem bösen Feind muß man nur die kalte Schulter zeigen, bei seinem Weib sollte man das besser nicht tun.
13. Das ist allerdings sehr wahr, und zwar nicht nur in Bezug auf die Beichte, sondern auch in Bezugˇauf die eigene Reflexion der Einflüsterungen des bösen Feindes. Ich möchte dafür ein Beispiel angeben, welches mir wichtig scheint. Wenn Politiker oder Journalisten oder sonst welche nicht offen, sondern in Andeutungen sprechen, so sind die Zuhörer damit zu Frieden, die Andeutungen verstanden zu haben, und bemühen sich nicht mehr, darüber nachzudenken, ob sie mit den Folgen des Angedeuteten einverstanden sind, und falls nicht, dieses auch zum Ausdruck zu bringen. Wer also in Andeutungen spricht, bringt die Menschen dazu, ihm diskussionslos zu folgen - jedenfalls zunächst, irgendwann kommt es zu Bruch und gewaltsamem Kampf.
14. Das wiederum lehne ich ab. Wir werden in unseren Schwächen versucht, um stärker zu werden. Das hat durchaus auch sein Gutes.
Regeln für die zweite Woche.
1. Nein, es ist schlicht so, daß uns an jeder Haltung Zweifel kommen müssen, damit wir sie noch weiter verbessern können. Diese Zweifel kommen also nicht vom bösen Feind, wiewohl hin und wieder ein Zweifel närrisch ist und man selbst besser beraten, sich hinzulegen und auszuschlafen, als sich gestreßt und übermüdet zu verrennen. Es stimmt allerdings, daß unsere Stimmung um so besser ist, je besser unsere Haltung ist, und daß uns dies ab einem bestimmten Punkt sehr hilft, indem sie sich nämlich im Falle einer Verirrung derartig verschlechtert, daß uns die Verirrung als solche sehr bald bewußt wird.
2. Fein beobachtet.
3. Ich denke nicht, daß der böse Feind die Seele trösten kann, beruhigen schon, trösten nicht. Wenn es anders wäre, so könnte Alkohol ja trösten, und das widerspräche 2), wonach nur Gott grundlos zu trösten vermag.
7. Daß der böse Feind meine Seele scharf berührt hätte, ist mir bisher nicht widerfahren. Einmal hat es der gute Engel getan, einmal habe ich bitterlich bereut. Grundsätzlich stimmt es natürlich schon, daß jede Abkehr schärfer als jede Fortsetzung ist, aber ich glaube, hier liegt wieder eine irrige Spiegelung vor. Sorge und Lust sind nicht spiegelgleich. Der gute Engel ist nicht schlicht die Inversion des bösen. Was bittesehr sollte das Gegenteil von Reue sein? Eine stechende Lust? Sowas gibt es doch gar nicht. Wenn wir uns manchmal jäh schlecht verhalten, so ist es aufgestauter Haß, und in diesem steckt die Sorge, unseren Verpflichtungen nicht tätig nachzukommen, was freilich manchmal aufgrund unserer Schwäche zu falschen Taten führt. Wir versagen dann, schaffen es nicht unserem Anspruch gerecht zu werden, weder tätig, noch untätig.
Es ist aber meines Erachtens scharf zwischen Schwäche und Bosheit zu unterscheiden. Es ließe sich zwar sagen, daß der Böse unsere Schwächen sucht, aber aus dem schon genannten Grunde ziehe ich es vor, es nicht zu tun, wir müssen unseren Schwächen erliegen, um stärker zu werden. Der Böse wird vielmehr Bosheit als Schwäche tarnen wollen, doch je klarer einem ihr Unterschied ist, desto weniger wird es ihm gelingen.
Fazit.
Falsche Vorstellungen der menschlichen Seele und der Natur von Gut und Böse sind gefährlich. In Loyolas Fall führen sie zu einer Haltung, welche blind gegen die Wahrheit unerbittlich ihren eigenen Zerrbildern folgt.
Dies wirft natürlich grundsätzliche Fragen auf, derart, ob es jemals angemessen sein kann, Menschen erklären zu wollen, wie ihr Inneres beschaffen ist.
Ich würde sagen, nein, es ist nie angemessen. Die Betonung liegt auf
wollen. Ich will es nicht. Nichts treibt mich dazu, anderen meine Ansicht des menschlichen Bewußtseins zu geben.
Letztlich ist dies eine Frage, welche die Rekrutierung durch Orden betrifft. Ein Orden ist schlecht beraten, wenn er diejenigen aufnimmt, welche ihm beitreten wollen, ohne seine Beweggründe zu verstehen. Mit anderen Worten darf ein Orden keinerlei Druck ausüben, um eine ihm gemäße Auffassung in seinen Beitrittskandidaten herbeizuführen. Er mag gerne sagen, was seine Auffassung ist, oder genauer gesagt versuchen, diese mitzuteilen, aber wenn ihm jemand beizutreten wünscht, so muß er prüfen, ob dieser in sich dieselbe Wahrheit findet, welche dem Orden zu Grunde liegt.
Und wenn man Schulen betriebe, um seine Auffassung zu kommunizieren, so müßte man es dabei belassen, Anregungen zu geben, welche aufzugreifen die Schüler frei wären. Man dürfte von ihnen erwarten, daß sie diese Auffassung formal kennen, nicht aber, daß sie sie auch in innerer Anschauung finden.
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