Liebe erlaubt die Verbesserung von etwas Ungenügendem.
Liebe erlaubt aber zugleich auch etwas viel Fundamentaleres, nämlich das eigene Überleben in einem an sich ungenügenden Umfeld.
Dies hat sowohl persönliche als auch systemische Konsequenzen. Jeder will ja überleben, und wenn er absieht, daß ihm sein Umfeld keine Möglichkeit bietet, ein sinnerfülltes Leben zu führen, so wird er gar nicht anders können, als sich einen Begriff angewandter Liebe zu basteln, in dessen Rahmen er die Gelegenheit hat, wenigstens scheinbar auf die Möglichkeit eines sinnerfüllten Lebens hinzuarbeiten.
Er würde, es nüchtern betrachtend, auch zugeben müssen, daß es ihm nur um sein eigenes Überleben in einem leeren, weiß getünchten Raum ging, daß was er auch je im Rahmen seiner Liebe tat, nichts zur Verbesserung seiner Lage beigetragen hat und es ihm lediglich stetiger Selbstbetrug durch Projektionen in die Persönlichkeiten anderer erlaubte, sich auf irgendeinem Weg zu wähnen.
Aber dessen bedarf es, um zu überleben. Insbesondere sind Frauen keine Objekte, welche, wenn man nur genug Mühe auf sie verwandte, die Welt lebenswerter machten. Aber gerade komplexer gestrickte Männer brauchen die Illusion, daß sie aus ihnen irgendetwas formen würden. Wenn man so will, eine doppelte Bemächtigung der Frau, Fleisch und Geist sollen sich dem Manne fügen. Unter idealen Lebensbedingungen würde hingegen auch kein komplexer gestrickter Mann das letztere wollen, es ist eine reine Kompensation für ein Leben in einer Welt, welche ihm ein Gefängnis ist.
Aus diesem Grunde nimmt er die eigenständige Frau, welche einerseits selbst unter der Welt leidet und andererseits durch nichts außer sich selbst fixiert ist, so daß ihrer Umformung wenig im Wege steht.
Komplex gestrickt ist dabei in dieser Hinsicht jeder Mann, dessen Geist keinen Widerhall im örtlichen sozialen Gefüge hat, sei es, weil er alleine ist oder weil seinesgleichen keinen gemeinsamen Standpunkt finden können.
Letzteres ist für Menschen, welche eine soziale Verantwortung verspüren, in den heutigen Gesellschaften sehr schwierig, da große Unklarheit darüber herrscht, auf welchem Wege sich die Eigenverantwortung einer Gruppe Gleichgesinnter herstellen ließe.
Wo dies aber nicht möglich ist, muß so ein Mensch, um nicht zu verbittern, ein Ventil für seine Ambitionen haben, und das ist im Regelfall eine Frau.
Man muß, so will es mir scheinen, die Schopenhauersche germanische Weiberverehrung vor diesem Hintergrund sehen, also daß gerade germanische Gesellschaften große Schwierigkeiten damit haben, das in ihnen liegende geistige Potential sozial umzusetzen, wobei man allerdings einräumen muß, daß es sich hierbei natürlich auch um biblische Vorstellungen handelt.
Letzteres ist natürlich kein Zufall, sondern das zentrale Element des Christentums als Staatsreligion, und mit diesen Worten schwenke ich zu den systemischen Konsequenzen über, daß, wie schlecht die Umstände auch sein mögen, dem Leben stets liebend entgegenzutreten ist.
So weit ist dies auch wirklich ein christliches Gebot, nur wenn Liebe durch Verschonung ersetzt wird, handelt es sich um eine neuzeitliche Perversion dessen, aber auch in rein christlicher Gestalt ist es für eine Gesellschaft durchaus zweischneidig, denn eine Verteidigung eines sinnerfüllten Lebens gegen ein sinnentleertes erfordert unter diesem Gebot große Einsicht in die Gesetzmäßigkeiten der Geschichte, da für die Liebe stets
in dubito pro reo gilt, was den Kreis der Verteidiger sehr einschränkt, wenn nicht eine anerkannte intellektuelle Hierarchie unter ihnen besteht, welche der Einsicht ihrer Würdenträger auch wirklich entspricht.
Letzteres ist eine ungeheuer starke Forderung. Man wird sie als unrealistisch abtun müssen. Das heißt aber nicht per se, daß man ohne die Zurückhaltung, welche die Liebe empfiehlt, besser führe. Nicht auf Approximationen einer solchen intellektuellen Hierarchie kommt es dabei an, welche völlig unwägbar sind, sondern auf die Möglichkeiten einer zahlenmäßig beschränkten Verteidigung. Dies kann ich indes nicht wägen, als Grundhaltung zur Verteidigung eines sinnerfüllten Lebens scheint mir indes das Gebot der Bewahrung des Schönen dem der allgemeinen Liebe bei weitem vorzuziehen zu sein, denn das Schöne ist selten auf der Welt und ohne seine bewußte Verteidigung gäbe es es, meinem Instinkte nach, nirgends.
Das ist aber nur ein Fall, und dabei die Ausnahme, nämlich daß das Leben sinnerfüllt ist. Und wenn es das nicht ist, besteht in der Bewahrung des Schönen auch keine Alternative zum Gebot der allgemeinen Liebe. Erweiterungen der Bewahrung des Schönen hin zur Schöpfung des Schönen taugen nichts, da die Unmittelbarkeit des Schönen, welche dem Gebot seiner Bewahrung erst die Kraft gibt, dann fehlt, und Utopien mögen zwar anschaulich sein, aber wer weiß wie realistisch. Eine gequälte Gesellschaft wird man danach beurteilen müssen, ob ihr Fortbestehen der Wahrscheinlichkeit nach zu mehr Nutzen oder Schaden führen wird. Daraus ergibt sich dann auch der Wert des Gebots der allgemeinen Liebe als gesellschaftserhaltendes Element.
An dieser Stelle muß ich historisch werden, denn Rom war eine gequälte Gesellschaft und fand durch das Wirken der Kirche aus dieser Qual heraus. Dies ist keine kleine Leistung gewesen, welche der Kirche auch nur deshalb gelang, weil sie zu anderen Regierungen vor und nach ihr völlig unvorstellbaren Schritten bereit war. Das katholische Prinzip ist: Ganz oder gar nicht. Und dieses Prinzip hat schon auch seine Stärken. Es war kein Fehler der römischen Christen ihre gequälte Gesellschaft zu bewahren, aber natürlich gab es keine Gewähr dafür, wie gut für sie Verantwortung übernommen wurde.
Übrigens gilt dieses Prinzip auch heute wieder und ähnlich kühne Schritte werden wenigstens diskutiert, aber wiederum gilt natürlich, daß die Heutigen nicht gerade besonders fit sind.
Welcher Gesellschaft wünscht man schon, daß sie verblutet oder wenigstens eines ihrer Glieder amputiert?
Freilich geschieht das heute schleichend, da Selbstbetrug zur Selbsterhaltung kräftezehrend ist. Die Stärkung des christlichen Gedankens ist automatisch immer auch mit einer Stützung individueller Selbstbetrüge verbunden und würde diesen Schwund also stoppen. Das ist an sich sicherlich zu begrüßen. Aber natürlich stellt sich dabei auch die Frage, ob nicht ein Aufbruch zu neuen Ufern möglich wäre, gerade im Niedergang des Alten.
Wahrscheinlich ist aber dieses ganze Klein-Klein verfehlt. Laß alles da wachsen, wo es wächst und wo es nicht wächst, verdorren. Mag ein günstiger Wind einen Samen eines verdorrenden Strauches woanders hinwehen. Welcher Raum bleibt denn andererseits für den gelebten Glauben des Einzelnen, wenn sämtliche Fragen des politischen Lebens von einer wohlmeinenden Regierung unter peinlicher Beachtung der christlichen Gebote entschieden würden? Und das würde auch nicht dadurch besser, wenn sie dabei wahrhaft demokratisch vorginge, so lange sie ihn nur als zu Behandelnden sieht.
Leider steht die Industrialisierung der Welt diesem Ansatz entgegen, es bleibt nichts übrig, weil die Ausweitung von Reichen kaum mehr eine Belastung für sie darstellt. Und innerhalb dieser Reiche wirken die verschiedensten Zwänge, insbesondere wird der ländliche Raum bewußt ausgedünnt, um ihn politisch zu entmachten und die Städte konzentriert, um sie in materieller Abhängigkeit zu halten.
Mit den heutigen Mitteln läßt sich zweifellos ein perfektes Gefängnis bauen, also eine perfekte Tyrannei. Ein unreflektiertes Sicherheitsbedürfnis gebietet es auch. Für die Meisten würde all das erst aufhören, wenn sie zu allem bereit wären, um es zu bekämpfen. Dann jene auszusieben, welche zum Widerstand bereit sind, alleine, wäre ein quälender und oftmals blutig endender Prozeß. Indes, es ist gerade die Schwierigkeit dieses Weges, welche jeden Mitkämpfer so willkommen machte, daß man ihm beliebig viele Kinder wünschte, wodurch sich die Wende vollzöge.
Einzig die Natur sähe es wohl als die nötige Anpassung des Menschen an die Technologie, welche er entwickelt hat. Immerhin, selbst im schlimmsten Fall winkt ein glückliches Ende.
Einstweilen sind die Prioritäten ganz anders zu setzen. Es gilt die Hölle vor uns zu entdecken. Es gilt der Zersetzung in den Arm zu fallen. Es gilt sich für den Kampf zu positionieren. Und es gilt vor allem zu verstehen, daß Feigheit und Gier die Feinde sind. Wenn wir heute verhindern wollen, daß wir sie morgen auf dem Wege der Schwängerung sämtlicher Frauen mit dem Samen von ihnen unbefleckter Männer aus der Welt schaffen müssen, so müssen wir die Frequenzen stören, auf welchen sie das Bewußtsein der Menschen zerrütten.
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