Wem meine fortgesetzte Beschäftigung mit dem in den vorigen fünf Beiträgen angerissenen Themenkomplex suspekt vorkommt, der bekommt nun mit diesem Beitrag hier den Beleg dafür geliefert, daß er auf der richtigen Spur war, denn während sich mein autobiographisches Klärungsinteresse bei den Beiträgen zu den Paarungen entgegen meiner ausdrücklichen Darstellung in engen Grenzen hielt, war mein Beitrag zur platonischen Liebe schon alles andere als frei von ausschließlich privatem Interesse und dieser hier nun läuft Gefahr ausschließlich von ausschließlich privatem Interesse zu sein, was mich vor die Frage stellt, wie ich ihn am besten darstellen sollte.
Es liegt in der Natur der Sache, daß Irrtümer über andere Personen peinlich sind. Und gerade wenn ich von mir behaupte so ziemlich alles klar zu verstehen und zu wissen, woran ich bin, ist es doppelt unangenehm mich selbst durch hemmungslose Romantisierung zu betrügen. Wenn ich dabei erwischt würde, versteht sich. Denn rein als Reinspülung der eigenen Seele erweist sich eine solche Dramatisierung schon als befreiend.
Um aber hier nicht allen Anspruch auf Korrektheit aufzugeben, werde ich mich zunächst einmal in Gemeinplätzen über Männer und Frauen ergehen, also solchen, welche niemand in Zweifel zieht.
Oftmals ist es doch so, daß sich Männer und Frauen nicht nur fremd, sondern gar ungeheuerlich erscheinen. Dabei sollten wir zunächst einmal verweilen. Wenn eine Frau sagt, sie hätte überzeugt das eine getan, dann aber eingesehen, daß es ganz falsch war und nun täte sie überzeugt das andere, so graust es einem Mann doch, und der Gedanke geht in seinem Kopfe spatzieren, was für ein seelenloses Geschöpf das doch sei, das kein Gespür davon hat, was es im Leben zu leisten gelte. Wann immer der sexuell Betrunkene diesbezüglich mal wieder einen klaren Kopf bekommt, findet er in seinem Herzen nichts als Verachtung und Zweifeln an sich selbst, daran, daß er diesem Geschöpf auch noch - manchmal - zu Diensten ist. Umgekehrt jagt es Frauen Schauer über den Rücken, wenn sie sehen, mit welcher völligen Ignoranz ihr Mann über die Wünsche der ihn umgebenden Menschen hinweggeht.
Wer in Anbetracht dieser doch nicht unwesentlichen Verschiedenheit von der Ungeschlechtlichkeit der Seele faselt, der hat sie doch nicht alle!
Beim Mann nun läuft es so ab, daß er sich bekennt, zunächst zum eingeschlagenen Weg als solchem, also beispielsweise dem heiligen Geist ein guter Diener zu sein, und später dann, nachdem er seine Umwelt analysiert hat, zu gewissen Lebensverhältnissen und Verhaltensweisen, welche er mit seinem Begriff vom Heil im Einklang sieht. Um hier eine Ahnung vom betreffenden Alter zu geben, stelle ich mal die Zahlen Drei und Sechs in den Raum. Wie es bei den Frauen abläuft, kann ich nicht beurteilen.
Dies also als so weit verifizierbare Vorrede.
Und noch will ich auch etwas beim Erfahrbaren bleiben. Was ich bisher von der so genannten Umsorgungsbeziehung gesagt habe, ist so platt, daß es meiner wirklich nicht würdig ist. Es handelt sich bei näherer Betrachtung um eine Formungsbeziehung, von welcher auch Nietzsche sprach, als er meinte, daß es bei der Liebe doch immer darum gehe, daß eine Seele der anderen etwas abgewinnen wolle. In der Tat, meistens ist es genau so, daß ein schlechter Mann eine bessere Hälfte sucht, damit seine Schlechtigkeit nicht ungemildert an seine Nachkommen weitergegeben wird. Freilich, für die Frau ist das alles andere als ein sonderlich verlockendes Angebot, aber halt!, wer so denkt, versteht Frauen nicht, denn eine Frau hat gar nicht die Wahl zwischen einem glücklichen und einem unglücklichen Leben, sondern lediglich zwischen einem ebenen und einem wogenden Leben, entweder, man verzeihe die unverzeihliche Geschmacklosigkeit, sie blutet monatlich oder gebährt dreivierteljährlich. Wenn ein Mann eine Frau also nur ehrlich anhimmelt, ist es ihr in aller Regel nicht möglich, das Angebot auszuschlagen, jedenfalls nicht, wenn der Grund für diese Verehrung in seiner geistigen Natur und nicht in seinem Alter besteht.
Andersherum läuft es viel entspannter, es gibt keine harmonischere (und objektiv langweiligere) Beziehung als die zwischen einem Ingenieur und dem Mädchen, daß schon immer lieber mit Autos gespielt hat. Ich kenne einige solche Paare und die Serie
Home Improvement ist absolut wahrheitsgetreu, wem es um die Vermeidung von Dramen geht, der möge sich doch so orientieren.
Bleibt also nur der Fall Wagner-Planer. Das sage ich natürlich nur, um von mir abzulenken, geschenkt. Doch, es macht es natürlich irgendwo leichter, wenn ich jetzt, bei dem Manne Anfang 20 und der Frau Mitte, Ende 20 von Richard und Minna schreibe. Was hat sich Minna nur gedacht? Es war doch klar, daß ihr der Richard eines Tages über den Kopf wächst. Wäre er ihr wirklich nicht ebenbürtig gewesen, seine Verehrung also substantiell, hätte ihn ihr Alter doch bei der von ihm verfolgten Absicht verschreckt! Sie hat ihn trotzdem genommen, und dann später hat er sie, man muß es so sagen, auf den Müll geworfen, allerdings nicht, ohne sich vorher in einer Oper, Lohengrin, über unverständige Weiber auszuweinen! Da ist sie wieder einmal klar zu erkennen, die hervorstechende männliche Charaktereigenschaft. Wagner allerdings war Lohengrin später wenigstens peinlich, was natürlich keinen CD-Klappentextschreiber davon abhält, die Oper trotzdem großartig zu finden. Sein Problem war ganz einfach aus seiner Rolle innerhalb seiner Beziehung zu Minna nicht hinauszufinden und als Inspirationssuchender schließlich nicht mehr fündig zu werden. Es bedurfte erst der Wesendonckschen Abfuhr, um Wagner begreiflich zu machen, daß die Zeit des von Frauen inspiriert Werdens unwiderbringlich abgelaufen war. Seine spätere Ehe war dann eine Anlehnungsbeziehung, das war der Preis, den er, wenn man es so nennen kann, bezahlt hat, er hat die von ihm so sehr propagierte Idee einer deutschen Beziehung, also einer dynamischen Formungsbeziehung, für sich persönlich aufgegeben.
Allerdings ja nicht ohne zuvor bereits geformt worden zu sein.
So, und jetzt wird es gänzlich heikel. Ich wage zu behaupten, daß auch Minna keine Wahl zwischen einem glücklichen und einem unglücklichen Leben hatte, sondern im Moment der Erwiderung des Gefühls zu einem unglücklichen Leben verurteilt war, dessen Gemäßigtheit sie einzig noch wählen konnte. Hätte sie sich nämlich verweigert, so hätte sie doch das Gefühl akzeptieren und umdeuten müssen. Wäre Richard ihr jüngerer Cousin gewesen, hätte sie es als verwandtschaftliche Zuneigung betrachten können oder, im allgemeinen, als platonische Liebe oder, wenn Minna etwas burschenhafter gewesen wäre, als ein allgemeines Gefallen an männlicher Gesellschaft, wie es unter Männern üblich ist. Erstere und letztere Deutung wären der Zeit allein zum Opfer gefallen, die behauptete Allgemeinheit hätte sich als falsch herausgestellt und Minna über Beklommenheit und Einsicht schließlich zur Konsternation, dem Entsetzen über die Leere des eigenen Lebens, gelangt. Die zweite Deutung hingegen hätte zunächst einen Aktivitätsschub nach sich gezogen, in welchem sie sich zur Menschenfreundlichkeit gezwungen hätte, nur um dann schließlich einzusehen, daß sie den Menschen dadurch nicht hilft. An dem Punkt wäre die ursprüngliche Frage wieder aufgeworfen worden, und ihr Weg hätte sich wie in den anderen beiden Fällen fortgesetzt. Wäre sie sehr intelligent gewesen, hätte sie wohl auch gar begriffen, daß in dem Aufstellen von Umdeutungen ihr Lebenselixier bestanden hätte, doch der Preis, welchen sie dann hätte bezahlen müssen, wäre noch höher gewesen, nämlich nicht nur die Bestattung ihrer Seele, sondern ihre gänzliche Zerstörung.
Nun gibt es ja vielfache Katastrophen in der Natur und es ist somit ein leichtes zu sagen, daß eine solche Beziehung zwischen Mann und Frau schlicht ein Unglück sei. Nur, stimmen tut das wahrscheinlich nicht. Die Frau stirbt, entweder im Zornesfeuer ihres Mannes oder alleine von innen verblutend in der Öde. Was hat sie dadurch erkauft?
Bedenken wir zur Antwort, daß es ja nicht jeden Mann treffen kann, sondern nur solche, deren Wunsch die Welt kennenzulernen, zu verstehen und schließlich zu verändern übermächtig ist, denn das ist selbstverständlich die subjektive Motivation eines Mannes, welcher eine solche Beziehung sucht, ihn verlangt es nach Einweihung.
Seitens der Frau mag eine Ahnung der eigenen Kinderlosigkeit eine Rolle spielen.
Ich denke nun, was sie unabhängig von dem von ihr gewählten Weg zu ihrem Tode erkauft, ist ein unter Männern sehr seltenes drittes Bekenntnis, nämlich das Bekenntnis zur Einlösung, da er nun ein Leben auf dem Gewissen hat, steht er unter dem Zwang, es durch seine Werke wieder auferstehen zu lassen, und zwar vielfach. Er verläßt das Gefängnis der selbsterschaffenen Rechtschaffenheit und wird erst zur selbstlosen Tat fähig.
Insbesondere kann niemand ein bedeutungsvolles Musikstück komponieren, welchem es um den eigenen Ruhm geht, auch wenn der nur nebensächlich wäre, das Bedürfnis einer allgemein menschlichen Seele musikalische Form zu geben, muß sein einziger Antrieb sein, kann aber nur sein einziger Antrieb sein, wenn jemand anders ihn aus seiner Vereinzelung freigekauft hat.
Männer sind wie Kinder, welche sich erst dann besinnen, wenn das zierliche Gefäß zerbrochen vor ihnen auf dem Boden liegt.
Post scriptum vom 3. Oktober 2008. Dynamische Formung war eine Verlegenheitslösung, es ist besser dadurch beschrieben, wenn man sagt, daß sich im empfangenden Teil ein neuer Persönlichkeitszweig als Antwort auf den spendenden Teil bildet. Dieser Zweig bildet sich in jeder solchen Beziehung, und durch diesen Zweig ist auch in jedem Fall die Möglichkeit zur selbstlosen Tat gegeben, allerdings bedarf es des angesprochenen dritten Bekenntnisses, um eine solche Tat an die Menschheit im allgemeinen richten zu können.
Post scriptum vom 5. Oktober 2008. Ich habe mich im obigen gewisser kausaler Verdrehungen schuldig gemacht, welche angetan sind, das Gemüt des Lesers zu belasten. Zum einen hatte ich es so dargestellt, daß die Erwiderung des Gefühls die Frau verurteilt. Daß die Frau aber bereits verurteilt ist, stellt einen wesentlichen Grund für das Zustandekommen des Gefühls dar. Es verhält sich also genau umgekehrt. Zum zweiten liegt der Wahl des Mannes natürlich sein Wesen zu Grunde, und wenn es auch der, nun, Muse bedarf, um in ihm den beschriebenen Vorgang in Gang zu setzen, so ist sie selbstverständlich nicht für dessen Ergebnisse alleine verantwortlich.
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