Unser
Verhalten beruht
-
zunächst auf unserer Lage, welche wir annehmen oder abstoßen,
- dann darauf, daß wir Lagebeschreibungen vertrauen oder mißtrauen,
- dann auf unserer spontanen Erfassung der Lage, welche uns zwingt, unsere Haltung zu aktualisieren, wann immer wir etwas bemerken, was wir einbeziehen sollten,
- und schließlich darauf, daß wir uns an unsere Haltung halten, wobei
- wir uns entweder natürlich halten, indem unsere Stimmung unsere Haltung bestimmt,
- oder uns auf eine Haltung verlegen, wobei es drei Arten der Verlegung gibt, nämlich
- entweder gezwungen den Zwingenden zu hofieren oder
- unschlüssig eine Haltung auszuprobieren oder
- sich unter Abstreitung der Gesetzmäßigkeit der Lage, und damit des weisenden Charakters der Stimmung, in eine Haltung hineinzusteigern.
Unsere
Lage läßt sich den Seelenteilen gemäß unterteilen, in
-
unsere Einrichtung in der Welt, deren Gesetz die Macht (Potenz) ist, welche der Bewirkung zu Grunde liegt, auf der Ebene der Anschauung,
- unsere Einfügung in das Geschehen, dessen Gesetz die Wechselseitigkeit (Reziprozität) ist, welche der Interaktion zu Grunde liegt, auf der Ebene des Verstandes und
- unsere Auffassung im Verständnis, dessen Gesetz die Zuträglichkeit (Kreativität) ist, welche der Glaubensprüfung zu Grunde liegt, auf der Ebene der Vernunft,
und also beurteilen wir
-
unsere Einrichtung hinsichtlich des generationalen Kreislaufs durch unsere Erwartung, in welcher sich unser Gewissen zeigt,
- unsere Einfügung hinsichtlich unserer Eingezogenheit durch unsere Aufgerufenheit, in welcher sich unsere Vorliebe zeigt, und
- unsere Auffassung hinsichtlich unserer Artung durch unsere heilige Stimmung, in welcher sich unser (subjektiver) Glaube zeigt,
und indem wir dies tun, akzeptieren wir das
sich Bewährende als den
Begriff des Guten des Annehmens, wobei es unsere sich in unserer Stimmung ausdrückende
Selbstgesetzlichkeit ist, welche sich bewährt.
Das Annehmen unserer Lage mag natürlich sein, oder es wird uns aufgezwungen. Die Formen des Aufzwingens sind:
-
die Irreleitung zu einer Auffassung,
- das Reinreiten in eine Einfügung und
- die Aufhetzung zu einer Einrichtung.
Zu unserem
Vertrauen ist hingegen nur zu sagen, daß es gedeckt sein mag, wann sich die Beschreibung mit der Lage deckt, oder ungedeckt, also daß es die Möglichkeit zur Verhaltenssteuerung durch
Täuschung bietet.
Der
Begriff des Guten das Aktualisierens ist die
Ausbesserung der spontanen Erfassung durch das zu Bemerkende, zu welcher wir entweder natürlich durch spontane Bewertungen der Sorge, also
Freude, Entzücken oder Glück, und insbesondere Trauer darüber, was wir übergehen, als negative Form der gegenwärtigen Freude aufgefordert werden oder durch einen aufmerksamen Mitmenschen, welcher uns unsere Verbohrtheit vor Augen führt, indem er uns etwa nahelegt, unseren Frust einmal zu vergessen, um den schönen Tag nicht zu vergeuden (
Take a dream on a Sunday!)
Der
Begriff des Guten des natürlichen Haltens ist die
Einfalt, mit sich selbst im Reinen zu sein, dem eigenen Gesetz, der eigenen Stimmung, zu folgen.
Der
Begriff des Guten des Hofierens ist das
(Selbst-)Erhaltende, also etwa den Kunden zu hofieren, weil er in der freien Marktwirtschaft König ist.
Der
Begriff des Guten des Ausprobierens ist die
Verbesserung der Haltung durch zusätzliche Erfahrungen. Ebenso wie beim Aktualisieren können uns andere nur dazu auffordern, etwas bestimmtes auszuprobieren. Allerdings kann uns eine aussichtslose Lage dazu zwingen,
irgendetwas auszuprobieren, wiewohl das natürlich nicht die präferierte Option der Verhaltenssteuerung sein dürfte.
Und der
Begriff des Guten des Hineinsteigerns ist das
Gefallen, welches wir an unseren Empfindungen finden. Hineinsteigern ist, genau wie Hofieren, nie natürlich, aber es beruht nicht auf Zwang, sondern auf Versuchung, genauer gesagt
Hinterfragung. Es gibt wiederum drei Formen der Hinterfragung:
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die Entehrung der Zuträglichkeit (Kreativität) durch Perversion,
- die Entehrung der Wechselseitigkeit (Reziprozität) durch falsche Freiheit und
- die Entehrung der Macht (Potenz) durch falsche Schuld, beispielsweise jemandem einzureden, sich schuldig zu fühlen, ein Tier zu töten, um es zu essen, unabhängig davon, ob er Hunger hat oder nicht, was freilich nur gelingen kann, während er gerade keinen Hunger hat.
Dieses zu praktizieren, zu sagen, daß Gute sei, was einem gefällt, und sich dann die Welt durch geeignete Assoziationen so zurechtzubiegen, daß man stets an etwas Gefälliges denkt, gleich wie entmachtend, einseitig und unzuträglich das eigene Verhalten ist, ist der reine Gnostizismus; so beschrieb ihn Epiphanios von Salamis vor 1600 Jahren und so ist er noch heute: parfümiert, geölt, seidig, verderbt.
Und das reine Christentum besteht natürlich in Einfalt. Angesichts der erbarmungslosen Seite unseres Lebens kommt es aber naturgemäß zu den folgenden beiden Kombinationen:
-
vom Bewährenden und Einfalt, der christlichen, und
- vom Erhaltenden und Gefallen, der gnostischen,
und ich möchte im Rest dieses Beitrags aufzeigen, wie die Menschheit von ersterer zu letzterer getrieben wird, wozu ich allerdings noch eine Betrachtung zu den Formen des Theaters voranschicken muß.
Theater besteht darin, eine Rolle zu spielen, und eine Rolle zeichnet sich durch ihren Umgang mit anderen Rollen aus. Ich frage, was wir zu gewinnen hoffen, wenn wir uns an ihm beteiligen, und komme somit zu den folgenden drei Formen der Beteiligung:
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mitzuspielen, um sich einzurichten,
- sich aufzuspielen, um sich einzufügen, oder
- vorzuführen, um die sich in den dargestellten Rollen zeigende Auffassung zu verbreiten.
Es mag sein, daß es anfangs nicht klar ist, ob es zu einer beidseitigen Einfügung oder zu einer einseitigen Darstellung kommt, etwa wenn wir uns für etwas ausgeben, was wir nicht sind, mit anderen Worten bluffen, in welchem Fall ich von
aufführen sprechen möchte: Es mag gut sein, einem Bären vorzuführen, daß man ihn nicht fürchtet, aber es gewiß schlecht, sich als furchtlos vor ihm aufzuspielen.
Wichtig für die hiesige Betrachtung ist nun folgendes: Einfalt und sich Bewährendes sind damit unvereinbar, sich aufzuspielen. Wer sich aufspielt, dessen Begriff des Guten nimmt eine wie auch immer gewichtete Kombination vom Erhaltenden und Gefallen an. Und so bestand der erste Schritt der Versuchung der Christenheit zum Gnostizismus darin, sie dazu zu bringen, die Mächtigen zu hofieren, indem sie sich auf eine bestimmte Weise aufspielt, und zwar so:
Würde Christus es nicht gerne sehen, wenn ihr alle lieb zu einander seid? Lieb zu einander sein aber heißt, euch auf diese Weise anzusehen und so mit einander umzugehen, und wer das nicht tut, der hat nicht nur Christus zum Feind, sondern auch mich, was sich natürlicherweise an den schwachen Teil der Christenheit wendet, welcher sich also in erster Linie am Theater beteiligt, um sich zu erhalten.
Nachdem dies nun also glückte, folgte der zweite, an den starken Teil der Christenheit gewandte Schritt, nämlich stets auf's Neue vorzuführen, daß sich die von Einfalt und sich Bewährendem abgewendet habende Masse sich darin gefällt, und herunterzuspielen, daß sie es nur getan hat, um sich zu erhalten. Mit anderen Worten wird den Starken also gesagt, daß, wer nur die Menschen zu verblenden weiß, ihnen Phantasien anstelle der Wirklichkeit anzubieten hat, die Macht über die Masse haben wird, da die Masse kein höheres Gut als das Gefallen kennt, also daß der Gnostizismus unwiderstehlich sei, und wer also herrschen will, in ihm bewandert sein muß und sich auch entsprechend
aufspielen. Zwar mag einer denken, er führe nur etwas vor, aber wenn er gedenkt, dadurch die Masse zu beherrschen, ist es offensichtlich mehr.
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