Die Kunst des Widerstands besteht darin, einen eigenen Standpunkt zu besitzen und zu verteidigen.
Und letzteres hat wiederum zur Voraussetzung, daß man seine eigenen Interessen kennt und mit den bestehenden - oder erst noch einzurichtenden - Institutionen in Beziehung bringt.
Freilich gibt es dabei auch genügend viele Institutionen, welche die eigenen Interessen gar nicht oder kaum tangieren, in welchem Fall der angemessene Standpunkt, welchen man auch öffentlich vertreten sollte, die Indifferenz ist.
Es gehört zur Natur des Menschen, genauer gesagt sogar aller Tiere, seine beziehungsweise ihre Aufmerksamkeit auf den Randbereich seiner beziehungsweise ihrer Erkenntnis zu richten und nicht auf ihren Kern.
Der Kern geht in Fleisch und Blut über und verschwindet bald ganz aus dem Bewußtsein.
Es ist so gesehen wenig verwunderlich, daß auch das politische Bewußtsein das Grelle und nicht das Tragende sucht.
Zum Problem wird das, wenn Fleisch und Blut der Polis im Gegensatz zu Fleisch und Blut des Einzelnen unfähig sind, ihr eigenes Leben zu erhalten, etwa deswegen, weil die Regierung die gefühlten Grenzen ihrer regulativen Funktion überschreitet, also insbesondere dann, wenn ihre Erlasse seitens weiter Teile der Polis als feindlich wahrgenommen werden, denn dieses Gefühl ist ein sicherer Indikator für die Loslösung der institutionalisierten politischen Vernunft von ihrem Körper, vergleiche dazu auch den letzten Beitrag
Der abspenstige Melker.
Dem Einzelnen kann das kaum passieren, und wenn sich sein Geist auch vom Körper abwenden sollte, so geschieht das üblicherweise doch in Frieden, und der Tod geht nicht zu seinen Lasten und verletzt auch nicht seine Rechte.
Kurz, der Regierung gehört die Polis nicht, wie dem Geist der Körper gehört.
Wenn also die Regierung nicht mehr der Ausfluß der Vernunft der Polis ist, wird eine Rückbesinnung auf das politisch Tragende dringlich. Und diese Rückbesinnung muß auf die richtige Weise begangen werden.
Das bereits genannte Wesen des Widerstands erfodert vom Einzelnen ein Verhalten, welches natürlicherweise von einem Beleidigten an den Tag gelegt wird: Wille zur Distanz zum Anderen, Rückzug auf das Eigene, ein geradezu kindischer Trotz, Beharren auf dem Einfachen und die nötige Härte, um seinen eigenen Überlegungen auch gegen Widerstände zu folgen, idealerweise noch gepaart mit einem Gefühl schlichter Würde, also einer Offenheit gegen das gleichfalls Schlichte.
Freilich, es wäre unklug, sich offen beleidigt zu geben, aber diese Art der Beleidigtheit sollte eine Art inneres ästhetisches Ideal sein, welchem man gleichnishaft nahe zu kommen sucht, ohne sich oder ihm eine Blöße zu geben.
Gerade durch die Fähigkeit, solches zu tun, beweist man unter den nämlichen politischen Umständen seine Eignung zu politischer Reform.
An dieser Stelle möchte ich praktisch werden. Es gibt derzeit viel Sand, welcher allzu vielen in die Augen gestreut wird. Ein paar Beispiele.
1. Toiletten an kalifornischen Unis werden genderneutral
Kalifornische Unis hängen lustige Schilder neben Behindertentoiletten auf.
Tangiert das mein Interesse? Nein.
Freilich, es tangiert das Interesse von Behinderten an sauberen Toiletten, jetzt wo jeder herein darf, aber niemand muß sich ja asozialer verhalten, als er ist.
2. Schwulenehe
Die Ehe ist ein Treueversprechen. Aber was bedeutet das für mich? Bedeutet es, daß ich mir den Wunsch erfüllen kann, jemanden die Treue zu versprechen, oder bedeutet es, daß ich die Möglichkeit ergreife, meinen Umgang mit einer anderen Person auf eine andere sittliche Grundlage zu stellen?
Nur im ersteren Fall geht es hier um ein persönliches Recht, im letzteren hingegen um die Unterordnung unter eine gesellschaftlich akzeptierte Umgangsform, bei welcher die gesellschaftliche Erwartungshaltung und die mit ihr einhergehenden Auflagen an die sich Unterordnenden das entscheidende Wahlkriterium darstellen.
Will ich, daß die Gesellschaft auf die Einhaltung des Treueversprechens drängt oder nicht?
Wenn ich es will, kann ich die Schwulenehe nicht wollen, denn es ist völlig unrealistisch, daß die Gesellschaft sich für das Treueversprechen von Schwulen interessiert, und durch die Aufwertung ihres Zusammenlebens zur Ehe kann die Disziplinierungsdisziplin der Gesellschaft Ehevergehen gegenüber nur abnehmen.
Für mich persönlich übersetzt sich das Treueversprechen als ein
einander nicht im Stich Lassen, und ich sehe es gerne, wenn die Gesellschaft darauf drängt, daß Ehepaare sich auch tatsächlich nicht im Stich lassen, nur bei Schwulen ist die gesellschaftliche Wacht über ihre Treue absolut fehl am Platz, schon alleine deswegen, weil es die Verständnisschwierigkeiten zwischen Mann und Frau, welche die Gesellschaft andernfalls abdämpft, bei ihnen nicht gibt.
Es ist nicht schwer diese Dinge zu sagen, oder? Und sie sind nicht kontrovers, nur etwas kindisch vielleicht.
Aber die Art und Weise wie die Schwulenehe angegangen wird, mit abstrakten Phrasen zur Bedeutung der Familie als Keimzelle der Gesellschaft und dergleichen, läßt die Zulassung dieser
wirklichen Monstrosität, für welche wir noch mehr mit gesellschaftlichem Zynismus bezahlen
werden als wir es ohnehin schon
tun, geradezu als eine Frage der Galanterie erscheinen.
3. Adoption durch Schwule
Immerhin sind die meisten hier auf dem richtigen Weg, nämlich die Beachtung des Kindeswohls. Aber vielleicht sollte auch mal einer sagen, wie er es als Kind gefunden hätte, keine Mutter oder keinen Vater zu haben. Es ist schlicht ein Verlust, und keinem Kind sollte willentlich ein solcher Verlust beigefügt werden.
Die Kinder brauchen Rollenmodelle ist wieder so verdammt abstrakt.
Freilich, es gibt jene, welche glauben, daß der Verlust erst dadurch eintritt, daß man etwas wegnimmt, und im Falle, daß man etwas gar nicht erst gibt, nicht gefühlt wird. Dies sind die wahren Feinde Gottes, welche glauben, selbst schöpfen zu können. Man muß nicht groß auf sie Rücksicht nehmen, die meisten Menschen wissen, daß sie dadurch, daß sie eine Pflanze in den Keller stellen, keine neue Art von Pflanzen, welche kein Sonnenlicht brauchen, erschaffen. Das ist die nötige Härte, von welcher ich sprach.
Andererseits, an dieser Stelle ist intellektuelle Redlichkeit wesentlicher, und der vorige Vergleich hinkt natürlich. Richtig ist aber, daß der Mensch nur das schätzt und später vermißt, was gut für ihn ist. Niemand mag ein Essen, nur weil er es vorgesetzt bekommt.
4. Islamisten
Nein, ich will nicht, daß Muslime, welche über die politischen Konsequenzen des Islams nachdenken, Islamisten genannt werden, genausowenig wie ich will, daß Katzen, welche über das Fangen von Mäusen nachdenken, Katzisten genannt werden.
Wann immer jemand diese Unterscheidung macht, muß man freundlich, aber bestimmt, darauf hinweisen, daß die weltliche Herrschaft der Gläubigen über die Ungläubigen das Zentrum des gelebten Islams ist.
5. Islam = Nationalsozialismus = Kommunismus
Islam und Nationalsozialismus sind nicht nur nicht dasselbe, sondern exakte Gegenteile. Der Islam nämlich die Herrschaft von Sorge und Lust und der Nationalsozialismus die Herrschaft der Achtung.
Leider kann man die Einsicht in diesen Sachverhalt, welche freilich ästhetisch ahnbar ist, wenn man die Alhambra mit dem Reichsparteitagsgelände vergleicht, in der Masse des Volkes nicht voraussetzen.
Klar ist aber dies. Der Führer im Nationalsozialismus kann zu keiner Zeit etwas anderes vorgeben, als den Willen des Volkes zu vollstrecken, wohingegen es die Aufgabe der Muslime ist, sich hinter den politischen Kurs ihrer Oberen zu stellen, wie es jüngst im Rahmen der Verdammung des
Islamischen Staats im arabischen Raum geschehen ist.
Broder ist so grundsätzlich auf dem
Holzweg, wie man es nur sein kann, wenn er meint, aus dem vollkommenen Islam und den unvollkommenen Muslimen spreche der Trotz, es noch einmal versuchen zu wollen, wie es bei manchen Kommunisten der Fall ist. Das genaue Gegenteil ist der Fall:
Wir haben erst jenes unterstützt, nun unterstützen wir dies, wir sind nur einfache Muslime, Gott weiß am besten, was zu geschehen hat.
Und was den Sozialismus angeht, um hier die kommunistische Utopie nicht zu beflecken, er gleicht der katholischen Kirche am meisten. Das Volk hält ängstlich den Mund, etwaige Sorgen werden vorsichtig an den lokalen Repräsentanten der Partei herangetragen, welcher sie auf dem nächsten Konklave eventuell zur Sprache bringt. Kommunismus bedeutet also zunächst einmal die Herrschaft von Sorge und Achtung.
Alle hier genannten Systeme erheben, wenn man so will, einen totalen Gestaltungsanspruch auf die Gesellschaft, aber was heißt das?
Will der Islam, daß jeder einzelne Moslem einem festgelegten Programm folgt?
Nein. Und auch der Nationalsozialismus will das nicht, ebensowenig wie die katholische Kirche. Lediglich der Sozialismus mag das wollen, im Rahmen der Annahme, daß sich der Wille der Menschen in jenem Programm manifestiere. Freilich, die Menschen sind viel zu faul, um ihren Willen jemals in ein Programm zu überführen, beziehungsweise zu dumpf, um ihn überhaupt formulieren zu können. Das eine oder das andere. Je klarer er einem wird, desto fauler wird man, denn auch seine Vergeblichkeit wird einem zunehmend klar, woraus indes persönliche Autorität und Geltung bei den Menschen entspringen. Nur der findet Gehör, welcher gar nicht reden möchte. Und so beginnt er, zurückgelehnt und untätig, überhaupt erst richtig zu wirken.
Der Sozialismus stellt also die natürliche menschliche Willensäußerung, deren tragende Pfeiler Überdruß und Narrheit sind, auf den Kopf. Nicht raten die Überdrüssigen und die Närrischen probieren es aus, sondern die Närrischen befehlen und die Überdrüssigen führen es aus.
Damit wäre das Grundübel des Sozialismusses benannt, aber was haftet den anderen drei an, was den Geruch der Unfreiheit verströmt?
Ich denke, es ist dies: Ein prinzipieller Schutz vor der Herrschaft ist in keinem Bereich vorgesehen. Der Einzelne muß sich unter Umständen für jede Tat verantworten. Er hat kein verbrieftes Recht für bestimmte Taten
nicht zur Verantwortung gezogen zu werden, wobei es sich von selbst versteht, daß diese Taten nicht inhaltlich bestimmt sind, naheliegenderweise als
gut in den Augen der Herrschaft, sondern formal, also unabhängig von einer noch so bösen Absicht.
Es macht für mich dabei aber einen Unterschied, ob ich meine Taten vor Gott rechtfertigen muß, vor seiner sich auf ihn berufenden Kirche oder vor dem Führer der Volksgemeinschaft, zu welcher ich gehöre. Einen ganz entscheidenden Unterschied. Und wiederum, wer immer diesen Unterschied einebnen will, gehört bestimmt auf ihn hingewiesen. Und das betrifft selbst den Fall der Gleichstellung von
International- und
Nationalsozialismus. Denn praktisch ist es bei ersterem wie bei der katholischen Kirche, ich muß meine Taten vor der Partei rechtfertigen, welche sich auf das geistige Gemeinwohl beruft, wobei dieses geistige Gemeinwohl sich ohne Gottesbezug natürlich nicht klar fassen läßt, weshalb der Kommunismus eben den Narren die Türen zu der geheiligten Ratshalle öffnet.
Nichtsdestotrotz ist es aber ein geistiges Gemeinwohl und nicht schlicht das materielle Gemeinwohl meines Volkes oder analog der gesamten Menschheit. Und jemand, der diesen Unterschied nicht sehen will, schließt anderen die Augen. Und wofür?
Um auf die Überlegenheit des Rechts gegenüber der Gerechtigkeit zu weisen?
Aber diese Überlegenheit ist nicht prinzipiell, was soll also die abstrakte Betrachtung?
Die Überlegenheit des Rechts gegenüber der Gerechtigkeit beruht, wo sie existiert, auf dem Mangel der Gerechtigkeit an Mäßigung.
Und was die europäische Geschichte angeht: Die katholische Kirche hat sich von Spanien kaufen lassen, um anschließend jedes Maß zu verlieren. Und ich sehe nicht, daß sie es nun, da andere ihren Anspruch auf Gerechtigkeit aufgegeben haben, wiedergefunden hätte.
Mithin, das formale Recht ergriffen zu haben, wird Europa letztlich wiederum einen Bärendienst leisten. Ein fauler Kompromiß ist
faul.
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