Die Vierteilung des Denkens in
Anschauung,
Verstand,
Vernunft und
Vergegenwärtigung wirft einige Fragen rund um das Thema
Angst auf.
Ich sprach bisher davon, siehe den Beitrag
Gefühle, daß es fünf verschiedene emotionale Ausdrücke der
Achtung oder des
Verstandes gäbe, nämlich
Neugierde,
Kühnheit,
Ärger,
Schrecken und
Angst, und unabhängig davon, was ich im genannten Beitrag zur Systematik dieser Aufteilung geschrieben habe, ist es mir in den dreieinhalb Jahren seit seiner Niederschrift nie notwendig erschienen, diese Liste zu ergänzen, was daran liegt, daß noch jede achtungsbestimmte Entscheidung tatsächlich von einem dieser fünf Gefühle begleitet wird.
Wie ich an anderer Stelle ausführte spiegelt Angst dabei eine schlechte Vorbereitung, oder auch Anpassung, wieder, welche sich in erhöhter Aufmerksamkeit gegenüber allem, was die eigene Anpassung noch unpassender erscheinen läßt, auswirkt, bis gegebenenfalls die Schwelle zum Schrecken erreicht wird oder auch die Vernunft das Ruder übernimmt - bei Tieren, freilich, modifiziert die Angst in erster Linie das Aufbegehren des Hungers.
Aber was sollen wir zu den
Mahnungen, Ärger, Schrecken und Angst, sagen? Gehören sie etwa nicht der Vergegenwärtigung an? Bezieht sich eine Mahnung nicht immer auf unsere Lage und unsere Anpassung an sie? Spricht aus dem Ärger nicht die Notwendigkeit, etwas geradezurücken, aus dem Schrecken die Notwendigkeit, etwas auszuweichen und aus der Angst die Notwendigkeit, sich zu wappnen?
Soviel dürfte evident sein.
Andererseits sagte ich, daß diese Gefühle Entscheidungen begleiten. Wie kann das sein?
Nun, es gibt offensichtlich die Schockstarre und ebenso das plötzliche Aufschrecken aus dem Traum, ganz zu schweigen von der Panik. In allem diesen drückt sich etwas bestimmtes aus, nämlich das Nebeneinander von
Außer- und
Innerzeitlichkeit.
Ich behaupte, daß Mahnungen aus dem außerzeitlichen Zustand der Vergegenwärtigung zurück in die innerzeitliche Achtung drängen und sich dabei in Kühnheit übersetzen, einigermaßen evident bei Ärger und Schrecken und mit etwas Mühe auch im zwanghaften Vorwärtstasten der Angst erkennbar, reflektierend, vielleicht, daß Wissenserwerb die beste Wappnung ist oder aber auch, daß kleine Schritte vorwärts die beste Wappnung sind.
Freilich besteht die Kühnheit des Schreckens zumeist darin, einen Sprung von etwas weg zu wagen, aber es kann auch ganz etwas anderes sein, wie glühendes Metall in die Hand zu nehmen oder einen Tiger zu umarmen, und gerade weil das nicht immer ganz gesundheitsförderlich ist, besteht bei einigen Menschen eine Übergangsblockade von der Außer- zur Innerzeitlichkeit, welche Schockstarre heißt.
Bleibt noch die Panik unter diesem Gesichtspunkt abzuhandeln. Ich vermutete im Beitrag
Was ist Panik und wie entsteht sie? einen Aggressionsmechanismus, und hier liegt nun seine innere Mechanik offen zu Tage, nämlich daß sich eine Mahnung fortgesetzt in eine bestimmte Form der Kühnheit übersetzt.
Panik, oder
Hysterie, besteht darin, in eine bestimmte Außerzeitlichkeit hineingezwungen zu werden, eine bestimmte Einschätzung der eigenen Anpassung, und wie es uns in der Schockstarre nicht gelingt, innerzeitlich im Denken voranzuschreiten, so gelingt uns dies bei der Panik außerzeitlich nicht, was sich dadurch bemerkbar macht, daß jede Frage danach, wo wir uns befinden, wie sich unsere Lage beschreiben ließe, von einem inneren Sturm hinweggeweht wird, so daß unsere Handlungsimpulse einer sich derart fortsetzenden Ansicht entspringen.
Zur allgemeinen Einteilung unserer Gefühlswelt zurückkehrend sei der grundlegende Unterschied zwischen den ermessenden und den handlungsbegleitenden Gefühlen betont, Schmach drängt wohl auch voran, aber nicht wie Mahnungen, nicht zu einer bestimmten Handlung, sondern lediglich dadurch, daß sie Aufgaben auf- und der Sorge eine Richtung vorgibt. Bei den Ermessungen handelt es sich also um Verankerungen unserer Rücksicht,
Rücksichtsanker, wohingegen die anderen Gefühle, von denen ich sprach,
Handlungsleiter sind.
Wie ich im vorigen Beitrag schrieb, ist es vernünftig davon zu sprechen, daß die Vernunft die Entscheidung kapert, wenn wir unsere Pflicht dem Geliebten gegenüber erfüllen, also es
verfechten, aber in diesem Beitrag haben wir noch eine weitere Weise kennengelernt, wie andere Teile zu Entscheidungen drängen können, nämlich durch induzierte Kühnheit, wie sie auch bei Hunger anzutreffen ist, wiewohl Hunger auch ganz ohne Entscheidung wirken kann, und die Frage muß wohl erlaubt sein, ob nicht auch dieses Kapern von derselben Art ist - was ich indes nicht so empfinde, denn die Verfechtung treibt nicht voran, sondern steht in gewisser Weise. (Wenn Sie dies ins Französische übersetzen wollen, setzen Sie da
reste für
steht ein. Wirklich merkwürdig, daß das Französische diese Tendenz hat, also die Welt als in allen Teilen getrieben zu betrachten, wo doch die Franzosen so ziemlich genau das Gegenteil dessen sind. Aber vielleicht handelt es sich bei ihrer kultivierten Ruhe ja auch nur um eine Spätblüte ihrer Natur, so ähnlich wie bei den
Vulkaniern im
Raumschiff Enterprise.)
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