Zur Liebe als Leitstern
Beide sehen sie ihren Lebenssinn darin, dabei gewesen zu sein, und nicht nur fühlen sie sich für nichts verantwortlich, Verantwortung ist ihnen fast ein Schimpfwort, dem Treibgut unter den Menschen.
Sie wissen, daß sie nichts zur Verbesserung ihres Lebens schaffen können, und möchten folglich nicht daran erinnert werden. Ihre Ohnmacht erzieht sie zur Prinzipienlosigkeit und setzt so die Keime des Hasses in ihre Herzen.
Ihnen fehlt die Demut, sich dem Wahren zu unterwerfen, gleich wie wenig es augenblicklich zu bieten hat, und so kann die Liebe nie zu ihnen kommen, denn gleich wie niedrig sie sich niederläßt, sie lebt von oben her.
Die Sorge liebt das Wahre, das glaubensspendende Licht, die Achtung das natürliche Zusammenspiel von Gottes Schöpfung und die Lust die eigene Durchsetzung, aber all dies geschieht von oben her, die Liebe steigt mit der Konkretion des Glaubens hinab.
So wie das Hineinfühlen in die Sorge durch das Ergründen der eigenen Stimmung, das Hineinfühlen in die Achtung durch das Ergründen der eigenen Bewegtheit und das Hineinfühlen in die Lust durch das Ergründen der eigenen gestaltenden Kräfte die Seelenteile wahrnimmt, offenbart die Liebe ihre Willen, vergleiche dazu auch Die drei Ebenen der Meditation und ihr Zusammenspiel.
Liebe zu anderen Menschen nun ist aus diesen dreien zusammengesetzt, in spezifischen Formen, welche sich daraus ergeben, was zwei Menschen einander geben und von einander erwarten. Um hier eine volle Übersicht dessen anzugeben sei auf die Beiträge Tafel der menschgewordenen Ideen (2) für die politischen Beziehungen und Nochmals zu den Anlehnungsbeziehungen für eben jene verwiesen, sowie auf den Beitrag Die Grade der Geistigkeit leistungserwartender persönlicher engagierter Frauen für eine weitere Detailbetrachtung einer speziellen Art politischer Beziehungen und den Beitrag Zur anderen Hälfte für eine geistliche Konkretion der dritten dieser, der geführten im gemeinsamen Dienst der Wahrheit, wobei Andreas, Jakobus und Nathanael die Geführten sind. Ich will damit aber nicht ausschließen, daß diese drei auch andere (zumindest) persönliche engagierte Geister besitzen mögen, leistungserwartende sind indes in dieser Rolle für mich persönlich am plausibelsten.
Jede solche Form der Liebe offenbart sich in einer spezifischen Form der Verliebtheit.
Auf diese Weise verbinden sich die Menschen, um mehr zu sein, als der Stein, aus welchem sie gemacht sind, ihre Rolle in einer Beziehung zu spielen, setzt bereits voraus, die jeweils andere verinnerlicht zu haben, wobei die Liebe zu den eigenen Kindern auf Anlehnung beruht und vornehmlich von der ermöglichenden Art ist. Entsprechende Kompensationshandlungen sind zumindest denkbar, wenngleich von unterschiedlicher Ratsamkeit.
Ich möchte aber sagen, daß die Liebe, so wie sie bis hierhin vorgestellt wurde, wo nicht heilig, so zumindest unschuldig ist, ein Punkt von erheblicher theologischer Relevanz, denn Liebe kategorisch zu verbieten, hieße, Gottes Schöpfung als prinzipiell befleckt darzustellen oder, anders ausgedrückt, abzustreiten, daß sich das Gesetz durch Liebe erfüllen ließe.
Und doch, es gibt auch eine problematische Liebe, nämlich jene, welche sich aus der Hortung von Arbeit zu und in großen Werken ergibt, und leicht wird diese zur bestimmenden.
Doch so, wie sie nur aus einer anderen geboren werden kann, muß sie zeitlebens einer anderen Diener bleiben, wenn sie nicht in die Irre gehen soll wie derjenige in die Irre geht, welcher die Mündung eines Flusses in der Verlängerung der örtlichen Fließrichtung sucht.
Ich habe mir vor ein paar Tagen Zurück in die Zukunft II angesehen, der Film spielt zum Teil in diesem Jahr, 2015. Ein gutes Beispiel für Fließrichtungsverlängerung, auch etwas schmerzhaft, nicht der Schreckensaussicht auf fliegende Autos wegen, eher einer allgemeinen Fröhlichkeit wegen, welche verloren ging, nichts davon kommt zurück, nicht die Fortschrittsgläubigkeit der 70er, nicht die Technikfaszination der 80er: Ein Revolver mit elektronischer Zielbestimmung! Hatte ich damals auch mal in der Hand. Heute ist es alles so beliebig, vom Filmemachen ganz zu schweigen.
Gut, gerade der zweite Teil der Zurück in die Zukunft-Reihe ist handwerklich nicht so gut, aber der erste Teil erscheint retrospektiv geradezu als Kunst.
Natürlich, 1955 kommt noch besser 'rüber als 1985, und jenes wiederum besser als das 2015 im Film, und 1885 machte sicherlich am meisten Spaß, wenn auch etwas beschränkt in mancherlei Hinsicht. Gerade da hat sich der Trend indes nicht in die Wirklichkeit fortgesetzt, 2015 ist nicht bequemer als 1985 geworden und 1985 war nicht beschränkter als das Heute. Keine wichtigen neuen Erfindungen, keine weitere Ökonomisierung des Alltags. Stattdessen Rückzug in Phantasien und Ökonomisierung der bestehenden Erfindungen, mit anderen Worten Sinnschwund, wie er an jeder Kehre der Geschichte zu erwarten ist, mit Anzeichen einer Hinwendung auf uns als Menschen selbst.
Weinen wir also verflossenen Zeiten nicht zu sehr nach.
Und zum Abschluß möchte ich den Bogen zu den Prüfungsszenarien schlagen, denn zu lieben heißt ja, Verantwortung zu übernehmen, und was der Geprüfte sein Eigen nennt, Gewissen, Funktion und Talent, ist es gerade, was die Liebe formt.
Wo nun aber die Verantwortung in niederen Fesseln liegt, da ist die Liebe nicht hinabgestiegen und wird es womöglich auch nie, wenn sie sich nämlich in der Sorge bereits erneuert hat, während die Welt um sie herum noch vom vorigen Abstieg in die Sorge und durch sie hindurch geprägt ist.
Da also muß sie eine Zelle finden, in welcher sie in ihrer Art hinabsteigen kann.
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