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26. Dezember 2011

Im Angesicht des Versagens der menschlichen Funktionsmuster

Vielleicht tat ich Theodore John Kaczynski ja Unrecht, als ich meinte, der Mensch könne die Industrialisierung meistern, aber auch wenn ich meine Einschätzung in diesem Punkt revidierte, und ich bin freilich geneigt das zu tun, so sehe ich doch in seinem Lösungsvorschlag keinen Wert, denn was hielte die Menschen davon ab, die Geschichte zu wiederholen?

Freilich, das Problem, welchem wir heute begegnen, entspringt einer ganz bestimmten Spiritualität, deren entscheidende beiden Faktoren die Entrückung des Vorbildlichen und das Fehlen eines Seelenverständnisses sind (siehe meine vorigen beiden Beiträge zu diesen Themen), und also müßte sich die Geschichte nicht unter allen Umständen wiederholen, aber allzu große Hoffnung kann ich deswegen nicht in diesen Einwand setzen, weil jede Spiritualität gelebt werden wird und mit spezifischen Vor- und Nachteilen verbunden ist, deren Zusammenspiel immer wieder zu den selben Ergebnissen führen wird.

Als ich sagte, daß sich die Suchenden vom technischen Fortschritt abwenden würden, weil sie den Unsinn des weiteren Vorangehens erkennen würden, da habe ich natürlich geflissentlich ignoriert, daß sie bereits zu weit vorangegangen sind.

Wir leben in einer Zeit, in welcher ständig auf verschiedenste Weise Anlaß zur Aggression gegeben wird, was freilich nichts Neues ist, und wir geraten bald in eine, in welcher Aggression gegen eine beliebige Übermacht erfolgversprechend sein wird.

Ist das das logische Ende menschlichen Seins?

Das logische Ende von Aufklärung und Individualismus unbestreitbar, aber halten wir uns nicht mit Kleinigkeiten auf, ist es das, worauf unsere gesamte Anlage hinausläuft und hinauslaufen muß?

Ich neige zum Ja, wenn man es etwas systematischer faßt, liegt der Hang zur totalen Kontrolle des Einzelnen im Wesen der Vernunft selbst, denn, wie Schopenhauer es so schön gesagt hat, ist Intellekt unteilbar. Totale Kontrolle erfordert vom Einzelnen aber totale Verantwortung, und wir sind uns unserer Verantwortung nunmal nicht dahinreichend bewußt, sondern lediglich bis zu unserem eigenen Fortkommen. Mit anderen Worten stößt durch die Vernunft ein Totales auf ein Isoliertes im Willen. Im Gegensatz zu Schopenhauer sehe ich aber nicht die Aufhebung des Willens als dessen logische Konsequenz, sondern, sollte hier Tertium non datur gelten, die Aufhebung der Vernunft und also des Menschen.

Oder gibt es ein Drittes?

Mensch freilich, wie bisher, ist es nicht. Und allzu schwierig ist es nach allem Vorigen auch nicht abzuleiten, daß der einzige vorwärtsgerichtete Weg darin besteht, in bewußter Transzendenz und also überpersönlicher Verantwortung zu leben; die Verantwortung gilt dann nämlich dem Konzert, dem man seine Stimme gibt.

Natürlich läßt sich die Lage auch ganz profan analysieren und es sich feststellen, daß wir nicht in genügendem Rahmen soziale Verantwortung übernehmen, und ich habe das ja auch schon getan, aber das Totalversagen all derer, welche sich je berufen fühlten, just diesen Mißstand zu beheben (alles was diese in jedem Falle doch nur tun ist, den Malstrom zu begradigen), bestätigt auf traurige Weise, daß wir erstens keinen frei wählbaren Willen haben und zweitens alles in der Natur klein anfängt, was uns aber freilich nicht von der Pflicht entbindet, so weit wie nur möglich auf dem Wege unserer Entwicklung voranzukommen.

Übrigens, was die Malstrombegradigung angeht, der Grund dafür besteht darin, daß jede wirkliche Verantwortungsübernahme sich gegen die Sachzwänge stellen muß und der Sinn für Verantwortung das Einzige ist, was solches rechtfertigt. Was einer dabei an der Fassade zu retten vermag, bezahlt er doppelt und dreifach an dem Gebäude hinter ihr. Untrüglich.

Amen.

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24. Dezember 2011

The end is coming

I knew this, of course, but now it's public, have a look: http://www.avinc.com/nano.

You'd want to make these a little smaller still, like 1/100th in every dimension, so you'd have a million of these occupying the same space as the specimen above.

A billion of them would likewise fit into a box ten times the dimensions of that prototype.

You could send it with FedEX.

And exterminate a continent, given you had the right poison.

And the right pattern recognition software.

How long until somebody builds it?

Stupid question, no? I doubt anybody would want to make it public though, this is certainly hint enough. Bad thing is of course that you can't trace the producer, if it ever would be used, all it would leave is a deserted area. Not much incentive not to use it then, right?

But the interesting part starts only after the deed. Will the perpetrators be able to trust each other not to use this anymore? Against each other? And if not, what will they do then? Or what would people do, who foresee all this? Today?

That was that. Enlightenment has reached its logical end. Fearing a mouse, it has fed itself to a lion.

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23. Dezember 2011

Von der Bedeutung der Jugendzeit

Ich bin geneigt zu behaupten, daß das, was das Leben gut oder schlecht macht, größtenteils dadurch gegeben ist, wie weit lebensrelevante Techniken innerhalb der Bevölkerung verbreitet sind.

Bei allgemeiner Verbreitung spricht man von Kulturtechniken, Lesen, Schreiben und Rechnen, so in etwa. Sprechen natürlich auch. Gehen möchte ich dann vielleicht doch lieber nicht einschließen, Autofahren hingegen mancherorts durchaus.

Das entscheidende an diesen Techniken ist, daß sie von einem Mitglied einer Gesellschaft in seinem Umgang mit anderen Mitgliedern dieser Gesellschaft vorausgesetzt werden dürfen. Es ist doch schön, wenn ich ein Schild an meine Ladentür hängen kann, auf welchem steht, daß ich um halb Eins wieder zurück bin. Was müßte ich sonst tun?

Eine Gesellschaft, welche diese Dinge nicht voraussetzen kann, bürdet allen ihren Mitgliedern Lasten auf, welche die Erlernung dieser Techniken bei weitem überwiegen. Und letztlich steckt in dieser Beobachtung der Kern kultureller Überlegenheit und ebenso des Wunsches der Menschen lieber einer Kultur als einer anderen anzugehören.

Allerdings muß man an dieser Stelle eine kleine Einwendung machen, Kulturtechniken müssen nicht per se den Mitgliedern einer Gesellschaft dienen, sie mögen auch ausschließlich im Interesse der Regierung dieser Gesellschaft sein, in welchem Fall es im Interesse der Menschen ist, die entsprechende Technik zu sabotieren, um den Kontrollaufwand zu erhöhen.

Es geht mir allerdings in diesem Beitrag gar nicht zuvörderst um Kulturtechniken, sondern um den handfesten Nutzen der Verbreitung jeglicher lebensrelevanter Technik für die Gesellschaft.

Mit letzterem meine ich nicht den trivialen Nutzen einer Technik, ein bestimmtes Problem zu lösen, sondern wie oben bereits im Spezialfall beschrieben, den indirekten Nutzen für eine Gesellschaft, welcher dadurch entsteht, daß die verbreitete Fähigkeit zu einer Problemlösung neue gesellschaftliche Transaktionen begründet.

Zwei weitere, nahe mit einander verwandte, Beispiele, welche keine Kulturtechniken beschreiben. Angenommen ein Großteil einer Gesellschaft weiß recht gut darüber Bescheid, wie es unter der Motorhaube eines Autos aussieht und kann auch selbst die nötigen mechanischen Eingriffe vornehmen, um die gewünschten Modifikationen zu erzielen, so führt dieses zwangsläufig dazu, daß der Autoeinzelteilhandel aufblüht und sich das Augenmerk der Konsumenten mehr auf die Qualitäten dieser Einzelteile richtet als auf die Form des Bleches, in welche sie eingekleidet sind. Und ja, ein solcher Markt ist überlegen, technisch und psychologisch, denn jede substantielle Involvierung in einen Produktionsprozeß ist sinn- und glückstiftend. Das zweite Beispiel betrifft in analoger Weise den Computer. Wenn ein Großteil einer Gesellschaft mit dem Betriebsystem eines Computers als Programmierer umzugehen weiß, so entsteht dadurch ein Markt für Programmodule, welcher wiederum dem Markt für Softwarepakete technisch und psychologisch überlegen ist. In beiden Fällen ist es aber erst die Masse, welche den entsprechenden Markt erzeugt, also, mit anderen Worten, die Verbreitung der Technik.

Ich äußerte mich natürlich schon vor Jahren in allgemeiner Weise zu diesem Punkt, also daß die Wirtschaft modular auszurichten sei. Aber hier möchte ich die psychologische Linie weiterverfolgen, und dazu möchte ich nun abschließend auch noch das folgende Beispiel bringen, nämlich Jagd- und Fischfangkenntnisse, deren Marktrelevanz zwar eher nicht gegeben ist, welche aber mustergültig vor Augen führen, wie die Beherrschung einer Technik das eigene Leben bereichern kann.

Und darum geht es in der Jugend, daß man Techniken lerne, welche das eigene und das Leben der Gesellschaft bereichern. So man eine solche Technik gelernt hat, trägt man im Alter mit jeder Anwendung derselben dazu bei, daß das eigene Leben, und zumeist auch das von anderen, glückt. Dies ist der fundamentale Punkt, an welchem sich das Schicksal einer Gesellschaft entscheidet. Dieses gilt es zu lehren. Dazu gehören durchaus auch die Veredelung von Obstbäumen und die Methode des axiomatischen Beweisens, wie sie in der höheren Mathematik Anwendung findet. Die Spanne ist sehr weit. Aber dessen ungeachtet wird nur in der Grundschule aus diesem Feld unterrichtet und später dann so gut wie gar nichts mehr.

Und tragischerweise wendet sich auch der Hobbybereich von diesen Dingen ab, teils aus Gründen (unnötig) wachsender Komplexität, teils aus Gründen der Unterhaltungssättigung.

Und also wird unser Leben schlechter, genau an der Stelle vollzieht es sich. Man sollte sie kennen, um an ihr einzugreifen. Freilich, die Anbieterseite will keine fordernde Verbraucherseite, denn sie ist ihr marktimmanenter Feind, und also hat sie durchaus bewußt zum Schlechten hin gewirkt, daß sie es aber konnte, liegt in erster Linie daran, daß es weder ein Bewußtsein für, noch eine politische Möglichkeit zur Umsetzung von die gesellschaftliche Entwicklung betreffenden Pflichten gibt, ein Mißstand, welcher sich unmittelbar aus der Grundannahme des Marktes, daß man, um selbst Gefälligkeiten zu erhalten, anderen gefällig zu sein habe, ergibt, denn so bleibt das Bemühen um eigene Anliegen zwangsläufig außen vor.

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20. Dezember 2011

Ein bißchen mehr Spaß

Ich hatte mich bisher mit der Bewegung auf etwas zu (ant) und der Bewegung von etwas fort (af) beschäftigt. Daneben gibt es im Sächsischen noch ein allgemeines Wort für just diese Stelle, von der sich etwas fort oder auf die sich etwas zu bewegt (an), sowie ein weiteres Wort für eine nicht allzu weit davon entfernte Stelle (at).

Also, beispielsweise,

berg ant gangen, berg af gangen, berg an gangen, berg at gangen

auf deutsch

auf den Berg gehen, vom Berg herunter gehen, auf dem Berg gehen, beim Berg gehen.

Eine Unterscheidung von in, auf, an gibt es im Sächsischen nicht und muß es auch nicht geben, da man statt im Berg, was an berg nicht meint, selbstverständlich auch in der Höhle sagen kann und entsprechend statt auf dem Haus, was an hus nicht meint, auf dem Dach.

Indem man also nur sämtliche Räume oder Flächen, auf welche man sich beziehen möchte, eigens bezeichnet, braucht man nur noch ein Wort, welches das in einem Raum oder einer Fläche Sein beschreibt.

Und von hier aus ist der Schritt zur ortsbezüglichen Agglutination, wie sie im Deutschen beispielsweise bei bergan und bergab auftritt, klein. Warum nicht gleich dieses schreiben?

husant gangen, husaf gangen, husan gangen, husat gangen

auf deutsch

ins Haus gehen, aus dem Haus gehen, im Haus gehen, beim Haus gehen.

Und wenn wir das so handhabten, wäre husa offensichtlich eine naheliegende Form für den Genitiv.

Das dergestalt modifizierte Sächsische wäre mit seinen vier ortsbezüglichen Fällen dem Finnischen mit seinen sechs ortsbezüglichen Fällen sowohl an Klarheit als auch an Ausdruckskraft überlegen, letzteres jedenfalls wenn man Prä- und Postpositionen ausschließt.

Aber ant und af lassen sich auch auf andere Weise gewinnbringend mit anderen Wörtern verbinden, doch bevor wir das tun, seien mit hant und haf die entsprechenden Formen von he bezeichnet, also zu ihm und von ihm.

Ein Verb kann in einem Satz natürlich mit einer Präposition verbunden sein und diese Verbindung kann in einem neu gebildeten Verb fixiert werden, also, um bei ant und af zu bleiben, beispielsweise in ant-worten, ant-sehen, ant-gehen, ant-streiten.

Es wäre nun aber recht tölpelhaft hant antworden zu schreiben oder hant antgangen. Im ursprünglichen Satz tauchte die Präposition nur einmal auf, und dabei sollte es bleiben. Eine Verbindung muß also Vorrang vor der anderen haben, und ich entscheide mich für das verbundene Objekt, also für hant worden und hant gangen.

Übrigens, eine Antwort ist dadurch eine, daß sie sich an eine bestimmte Person richtet, entsprechend könnte man auch von einer Afwort sprechen, wenn die Person bestimmt ist, welche sich an andere richtet.

Dabei ist eine Afwort letztlich immer eine Unterart eines Befehls und eine Antwort wesenshaft die Befolgung eines Befehls, denn bei einem Befehl kommt es wesenshaft nicht darauf an, wer ihn ausführt. Daß sich eine Frage, welche offenbar eine Afwort ist, nicht nach einem Befehl anhört, liegt nur daran, daß der Fragende, als Unwissender, ohnmächtig ist und also freundlich sein muß.

Aber Achtung, haf worden ist eine grammatikalisch inkorrekte Form, da ein Verb sich ja immer auf ein Subjekt bezieht, richtig hieße es also he worded, als Gegensatz zu he worded hant wohlgemerkt. Es geht an dieser Stelle also Ausdruckskraft verloren, da durch ursprünglich verwendete Präpositionen eine Afwort von jemandem an jemanden nicht von einer Antwort von jemandem an jemanden unterschieden werden kann.

Der eleganteste Behelf aus dieser Lage besteht offenbar darin, das zweideutige he worded hant durch die beiden Varianten he afworded hant und he worded hant zu ersetzen. Es ist allerdings fraglich, ob man so viel Geistesgegenwart beim Sprechen voraussetzen kann.

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19. Dezember 2011

Ein bißchen Spaß muß sein

Kratylos läßt grüßen.

af (sächs.): ab (deu.)
ant (sächs.): bis (deu.)

Wenn etwas hinter etwas anderem steht, so steht es doch in dem Raum ab diesem anderen, nur nicht überall dort, sondern nur an einer seiner Stellen. Leiten wir also das Wort für hinter von ab ab.

after (sächs.): hinter (deu.)

Und wo wir gerade dabei sind, verkürzen wir hintersten zu hinten, bzw. analog

aften (sächs.): hinten (deu.)

So weit, so historisch korrekt. Nun machen wir doch dasselbe auch noch für vorne, also

anter (?): vor (deu.)
anten (?): vorne (deu.)

Hannibal anter Portas?

Und wenn es Aftenbladet heißt, dann sollte es doch auch die Antenpost geben. Machen wir das jetzt aften oder anten, after oder anter Mittag?

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14. Dezember 2011

Worum ging es nochmal im Ödipus?

Manchmal wird etwas gerade dadurch unvermeidlich, daß man krampfhaft versucht, es zu vermeiden.

Oder was denken Sie, wenn Sie sich auf diesen beiden Themenseiten des SPIEGELs umschauen?

Gott allein kennt eines Menschen Herz.

Jumala boss on vuntsius. (Gottes Boss ist Schnurrbartius, nein, nicht der Schnurrbart, der andere, einfach ein bißchen drüber nachdenken, dann ist das ja auch klar, wie so vieles...)

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Komparative Spiritualistik

Ebenso wie man das menschliche Bewußtsein unterteilen und beschreiben kann, kann man auch die Richtungen unterteilen und beschreiben, welche ein Mensch einschlagen wird, je nachdem, als was er sich als Mensch versteht und worin er seine Pflichten sieht.

Zunächst einmal muß man natürlich herausfinden, welche Parameter des eigenen Selbstbildes einschließlich der eigenen Pflichten in dieser Angelegenheit relevant sind. Da ich bereits einige kenne, fange ich mit einer Aufzählung an.
  • Die Annahme von Inspiration
  • Verortung der eigenen Inspiration in einem selbst oder in der Welt
  • Gewichtung von Lebens- und Seelenpflichten
  • Explizität der Vertrauensakte
  • Orientierung an konkreten oder angenommenen/konstruierten Vorbildern
  • Die Annahme menschlich seelischer Unterschiede
  • Explizität der menschlich seelischen Unterschiede
  • Angenommene Regelmäßigkeiten menschlich seelischer Unterschiede
Bemerkung. Gewichtung schließt Annahme ein.

Ich habe diese Aufzählung schon etwas geordnet, letztlich gibt es zwei fundamentale Annahmen, nämlich die von Inspiration und Lebens- und Seelenpflichten und alles weitere ist ihre Explizierung und Gewichtung, sofern sich zwei Dinge gegen einander gewichten lassen.

Die Explizierung der Inspiration führt auf die Frage, ob sie an äußere Umstände gebunden ist oder nicht. Darauf gibt es eine empirisch belegbare Antwort, nämlich daß sie es nicht ist, aber das hält viele Menschen nicht davon ab, trotzdem das Gegenteil dessen anzunehmen.

Zu den spirituellen Auswirkung des Glaubens an die Inspiration. Jemand, der Inspiration annimt, wird sich und anderen geistige Freiräume lassen wollen und er wird sich darüber im Klaren sein, daß bestimmte Dinge nur zu einem kommen werden, wenn Gott es so will. Er wird also in geistigen Dingen eine gewisse Demut besitzen, wobei diese, sofern er dem Irrglauben anhängt, daß Inspiration durch bestimmte äußere Umstände verursacht würde, durch ein abergläubisches herbeizuführen Versuchen dieser Umstände verunstaltet sein wird. (Das krasseste Beispiel hierfür ist der regelmäßige Konsum von psychoaktiven Substanzen zum Zwecke der Inspiration. Psychoaktive Substanzen induzieren Träume, Träume sind aber ihrerseits langfristig gesehen wieder auf Inspiration angewiesen oder deutlicher gesagt, Träume sind das veranschaulichende Wiederkäuen der eigenen Inspiration.)

Die Explizierung der Lebens- und Seelenpflichten führt alsbald auf die drei immanenten Lebenspflichten, und ich kenne keine Religion, welcher das nicht gelungen wäre, und dann auf die Vertrauensakte und die Explizierung der Seelenpflichten, welche mit einiger Zwangsläufigkeit auf die Annahme und Explizierung menschlich seelischer Unterschiede führt und dann im Zuge der Lebenspflicht des rechten Auffassens auf die Frage, welche Regelmäßigkeiten sie wohl begleiten mögen.

Es ist dieser Fragenkomplex, aus welchem verschiedene Religionen entstehen, aber auch unterschiedliche areligiöse Lebensweisen, wobei es bei den Lebenspflichten weniger darum geht, sie anzunehmen/anzuerkennen, als vielmehr darum, sie einfach nur zu verstehen, was aber nichts anderes heißt, als den entsprechenden geistigen Horizont zu besitzen, in welchem Fall die Anerkennung der Pflicht für einen obligatorisch wird.

Nun ist es allerdings so, daß Religionsstifter und Religionsanhänger nicht unbedingt denselben geistigen Horizont haben müssen, was insbesondere in bezug auf die Vertrauensakte schwierige Fragen aufwirft.

Einige Religionen haben es tatsächlich gewagt, die Vertrauensakte zu explizieren, und ihre Ausübung in die Hände eines Schamanen, nennen wir ihn einmal so, zu legen. Das ist natürlich ziemlich gefährlich, denn wenn es auch beispielsweise möglich ist, durch das eigene Vertrauen Regen herbeizuführen, so kann es doch leicht dazu kommen, daß eine Gemeinde mit ihrem Regenmann nicht zufrieden ist. Freilich verbessern sich die Chancen auf Akzeptanz, wenn ein beträchtlicher Teil der Gemeinde aus engen Verwandten des Regenmanns besteht.

Ein anderes Beispiel selektiver Vertrauensakteausübung begegnet uns in Indien, wo die Vertrauensakte hingegen nicht expliziert werden, was dann aber die Frage aufwirft, warum die Gemeinde ihren Guru durchfüttern sollte. Die Antwort darauf bilden in Indien die prominent gepredigten Seelenpflichten.

Das Christentum hat sich in diesem Punkt für eine recht seltsame Lösung entschieden, nämlich grundsätzlich jeden anzuhalten zu vertrauen, ohne ihn genauer zu instruieren. Auf diese Weise wird natürlich schon dafür gesorgt, daß, solange die Menschen dem nachkommen, die nötigen Vertrauensakte ausgeübt werden, aber offenbar stellt sich so die Frage, aus welchem Grund eine Gemeinde, welche fast ausschließlich aus Menschen besteht, deren geistiger Horizont die Transzendenz nicht miteinschließt, an einer solchen Religion festhalten sollte. Die historische Antwort darauf lautet natürlich weltliche Gewalt.

Schon Paulus empfiehlt das Niederbrennen von Bibliotheken zum Zwecke der Verbreitung des Christentums, und es stellt sich die Frage, ob es überhaupt jemals Umstände gegeben haben könnte, unter welchen sich das Christentum ohne die Unterstützung durch weltliche Gewalt hätte verbreiten können. Nicht, daß weltliche Gewalt immer häßlich aussehen müßte, es mag sich bei ihr auch schlicht um ein für alle Seiten vorteilhaftes Abkommen handeln, aber daß sich Menschen einmal en masse aus spirituellen Gründen dem Christentum angeschlossen haben, erscheint nur vor dem Hintergrund außerordentlicher Not, und der aus ihr entspringenden Notwendigkeit zu außerordentlichem Vertrauen, glaubhaft. Und so wäre auch die Offenbarung zu verstehen, als Hinweis darauf, was kommen muß, damit die Menschen sich wieder zum Christentum bekehren, nachdem es keine weltlichen Gründe mehr gibt, an ihm festzuhalten.

Ich halte es übrigens für sicher, daß diese Strategien zur Glaubensdurchsetzung des Christentums nichts mit seinem Religionsstifter zu tun haben, sondern römisch-griechischen Zirkeln entspringen. Ich glaube auch nicht, daß Paulus eine historische Figur war, denn kein Jude kann so unfehlbar jedes antisemitische Vorurteil verkörpern, wie Paulus (nicht als Saulus, wohlgemerkt) es getan hat, Anstiftung zur Einschüchterung durch Lügen, Abzweigung von Spendengeldern, Bestechung, das schon angesprochene Niederbrennen von Bibliotheken... ein wahrer Heiliger.

Aber nützlich. Und ein Prototyp. Wie gesagt, was sonst?

Doch genug von den spezifischen weltlichen Mitteln, welche das Überleben des Christentums garantieren.

Die bisher beschriebenen Religionen, Schamanismus, Hinduismus und Christentum beinhalten Vertrauen als zentrales Element, aber wie gesagt in unterschiedlicher Form.

Neben den Vertrauensakten sind es die Seelenpflichten, in welchen sich die Religionen hauptsächlich unterscheiden. Seelenpflichten spielen wie gesagt im Hinduismus eine große Rolle und im Buddhismus eine sogar noch größere, da er Lebenspflichten keine Bedeutung beimißt.

Eine Religion, welche Transzendenz hingegen ausschließlich in Form von Inspiration kennt, ist der Islam. Charakteristisch für eine solche Religion ist, daß sie Vertrauen durch weltliche Verantwortung ersetzt und ihre Anhänger unter einen Glaubensumsetzungszwang setzt, was sich in vergleichsweise großer Unabhängigkeit und Agressivität bemerkbar macht.

Der direkte Vergleich zwischen Christentum und Islam ist insofern interessant, als daß beide Religionen in gewisser Weise im Vergleich zur anderen atheistisch erscheinen. Beim Christentum ist es das weltliche Fundament, auf welchem es ruhen muß, und beim Islam die Verpflichtung, mit eigenen Händen dafür zu sorgen, daß Gottes Wille geschehe. Eine Synthese ist hier natürlich nicht möglich. Hingegen könnte man den Hinduismus, ahistorisch allerdings, als Synthese von Christentum und Buddhismus bezeichnen, insofern er Lebens- und Seelenpflichten beider in sich vereinigt.

Ob man menschlich seelische Unterschiede annimmt, spielt natürlich nicht nur dafür eine Rolle, ob es einem überhaupt möglich ist, an Seelenpflichten zu glauben, sondern auch bei der Art und Weise wie man andere Menschen behandelt und wie man die Erfahrungen, welche man mit anderen Menschen gesammelt hat, mit einander in Einklang bringt.

Generell ist es so, daß man jemandem, welchen man gleich zu sich denkt, freundschaftlicher entgegen tritt, und seinen Mitmenschen freundschaftlich entgegen zu treten, ist selbst eine Seelenpflicht. Mithin gefährdet die Voraussetzung des Glaubens an die Pflicht hier ihre Erfüllung. Im Christentum fällt dies natürlich unter das Liebesgebot, welches selber aber nicht christlich begründet werden kann, sondern nur durch Rückgriff auf heidnische Vorstellungen von Himmel und Hölle, mithin implizit wieder durch die Annahme menschlich seelischer Unterschiede, denn jenen entspringt ja die Vorstellung von Himmel und Hölle.

Das Christentum gibt also auch in diesem Punkt die Parole aus: Mach das Richtige und dir keinen Kopf darüber, warum es richtig sein soll. Was ohne weltliche Macht nicht funktioniert und wahrscheinlich auch erklärt, warum gerade Europäer so selten unkritisch sind.

Wenn man hingegen das Offensichtliche ausspricht, und die unterschiedliche Beseelung der Menschen zur Lehre macht, so muß dieses also im Rahmen der eigenen seelischen Pflichten geschehen, um einen gottgefälligen Umgang der unterschiedlich beseelten Menschen mit einander auch nur zu ermöglichen.

Andererseits gibt es durchaus auch weltliche Leiden an der Annahme, daß alle Menschen gleich beseelt wären, weil man dann eben seine eigenen Erfahrungen nur auf abwegige Weisen mit einander in Einklang bringen kann, aber mit Blick auf das Ganze mögen diese Leiden vergleichsweise gering sein, darauf bauend, daß die meisten Menschen eh nur ihrem Instinkt folgen. (Lustig in diesem Zusammenhang ist das Verhältnis der Intellektuellen zum instinktiven Rassisten, welcher aus lauter Dummheit doch immer am besten wegzukommen scheint, und welchen sie auch oftmals, bei nicht ganz so fortgeschrittenem Selbsthaß, verteidigen.)

Ich könnte noch diesen oder jenen Fall genauer beleuchten, aber ich bin mit der erreichten Abdeckung und Durchdringung der unterschiedlichen Geisteshaltungen, welche sich aus der Stellung zu den genannten Punkten ergeben, zufrieden, wobei ich die Orientierung an Vorbildern, welche sich notwendig daraus ergibt, daß wir Pflichten anerkennen und in Gemeinschaft mit anderen Menschen leben, ja bereits im vorigen Beitrag behandelt hatte. Hier möchte ich diesbezüglich nur anfügen, daß diese Orientierung eben auch für den Atheisten, welcher nur die drei immanenten Lebenspflichten anerkennt, von entscheidender Bedeutung ist und gerade deswegen die gesamte Moderne, einschließlich aller Atheisten, durch die Entscheidung der Reformation geprägt wird, sich nicht an konkreten Vorbildern zu orientieren.

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12. Dezember 2011

Touristen

Wieviele Menschen sind ihr ganzes Leben lang Touristen?

Wievielen ist ihr Heim nur eine Bleibe, mit welcher sie einstweilen Vorlieb nehmen?

Wieviele betrachten sich als Einwohner ferner Phantasiewelten?

Und woher kommt das?

Daß diese Welt sich nicht als das erweist, was wir anfänglich in ihr sahen, das ist der unabänderliche Gang der Dinge. Aber wie kommt es, daß wir gänzlich den Bezug zu ihr verlieren? Daß wir nichts Konkretes mehr als wahrhaft gut oder wahrhaft veränderungsnotwendig betrachten, sondern alles was uns begegnet so behandeln, als ob es uns auf einer Reise durch ein fernes Land begegnete, dessen Schicksal uns nichts angeht.

Unsere Nächsten eben so, unsere Geschwister wie Eskimos.

Es ist wichtig zu verstehen, wie allumfassend und fundamental das Problem ist. Es wird nicht menschengemacht, es macht vielmehr die Menschen. Nur woher kommt es selbst?

Internetpersönlichkeiten geben so geprägten Menschen natürlich zusätzlichen Fluchtraum, aber das Problem bestand bereits lange bevor es Internetpersönlichkeiten gab. Da liegt nicht der Grund, vielmehr mag der Erfolg des Internets nicht unerheblich Folge just dieser Prägung sein.

Und so ist es mit vielen Dingen, unter anderem auch der Emanzipation der Frau, was alles es an Künstlichem gibt, es hat sich nicht zusammengeschlossen und diese Neigung geboren, sondern ist vielmehr aus ihrem Schoß entsprossen.

Unsere ganze moderne Gesellschaft, wie sie uns tagtäglich begegnet, ist im Kern ihr Geschöpf, und ihr Geschöpf allein.

Was den Einzelnen sich von der Welt abwenden läßt, das läßt sich relativ leicht sagen, man muß ja nur seine Biographie verfolgen und stößt alsbald darauf, nämlich entgrenzte Versprechungen, irgendwo da draußen gibt es alles, du siehst in deiner unmittelbaren Umgebung zwar nichts davon, aber glaub mir, an was auch immer du denken kannst, da draußen gibt es jemanden, welcher sich just damit beschäftigt.

Und dieses nebulöse Hinterhorizontanien wird fortan die eigene Heimat.

Um den Preis, daß alles, was innerhalb unseres Horizontes liegt, gleich wer wir auch sein mögen und wo uns befinden, zu einem fremden Land wird, dessen Zustand uns weder weiter zu beschäftigen braucht, noch uns auch nur möglicherweise befriedigen könnte.

Aber wodurch kam es zu diesen Versprechungen? Wer hat sie entgrenzt?

Die Sache ist religiös, es war eine bewußte Entscheidung, den Blick von den Besten eines Faches abzuwenden und stattdessen auf den unbekannten Helden in der Menge zu richten.

Und wenn ich es so schreibe, ist es auch klar, welches konkrete historische Ereignis dafür verantwortllich ist, nämlich die Reformation.

Die Sache ist sehr zweischneidig. Indem ich dem Menschen konkrete Vorbilder nehme, gebe ich ihm natürlich Raum, sich sonst was für eine Vorbildlichkeit auszumalen und dann zu versuchen, ihr zu entsprechen. Der Pferdefuß dabei ist nur, daß er dann auf die konkrete Vorbildlichkeit seiner Mitmenschen überhaupt kein Augenmerk mehr richtet, daß sie ihm alle Fremde in der Fremde werden. Es geht nicht beides, entweder ich habe konkrete Maßstäbe oder nicht.

Das Internet ist andererseits aber auch eine Chance, indem es alles erschließt und niemand glaubhaft versichern kann, daß es jenseits seiner all das gebe, was sich in ihm nicht findet. Es ist der letzte Horizont. Nur, um diese Chance wirklich zu ergreifen, muß man sie auch religiös verstehen, den unbekannten Helden durch den organisierten ersetzen, den Privatglauben durch den in einer Gemeinschaft faßbaren.

Und wieder komme ich auf die Vorstellung gegenseitiger Bereitschaft zur Unterstützung unserer Anliegen. Wenn die Reformation die Reformierten nicht in die Katastrophe führen soll, dann müssen sie diesen Schritt tun.

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11. Dezember 2011

Pflichten der Seele gegenüber

Mit Seele meine ich natürlich das Prinzip, das Gesetz oder auch den Willen, welcher wir sind. Unsere Lebenspflichten ergaben sich ja aus den Teilen unseres Bewußtseins, aus der Sinnenhaftigkeit die Pflicht, auf die Welt richtig zu reagieren, aus dem Gemüt die Pflicht, sich richtig zu halten, aus der Vernunft die Pflicht, richtig aufzufassen und aus der Transzendenz die Pflicht, richtig zu vertrauen.

Unsere Pflicht unserer Seele gegenüber ist aber noch wieder anderer Art. Ich sprach den Unterschied zwischen Vertrauensakten einerseits und transzendenten Haltungen andererseits ja auch schon an. Letztere machen sich zwar auch schon hier auf Erden bemerkbar, ich sprach von Erleichterungen, aber ihre eigentliche Bewandtnis besteht darin, daß sie der Schlüssel zu Gedeih und Verderb unserer Seele sind.

Konkret besteht unsere Pflicht unserer Seele gegenüber darin, die sich in der Welt verkörpernden Mitseelen unverfälscht zu gewahren und uns ihnen gegenüber gemäß unserer Liebe für sie zu verhalten, welche freilich auch mal weniger stark ausgeprägt sein mag.

Dies ist deshalb eine Pflicht unserer Seele gegenüber, weil wir nach unserem Tod nach unserem Wert für alle übrigen Seelen beurteilt werden und dieser sinkt, wenn wir in Verblendungen befangen sind.

Übrigens ist das Fortleben unserer Seelen über unseren Tod hinaus recht zwingend gegeben, weil andernfalls einer von zwei Fällen eintreten müßte, welche beide absurd sind.
  1. die Materie schöpft Bewußtsein in Eigenregie oder
  2. Gott schöpft die Seele jedes neuen Menschen jedes Mal wieder von Null beginnend.

Freilich, man könnte Gott lediglich auf die Stiftung des Bewußtseins reduzieren und unseren Willen gänzlich in unsere DNA verpflanzen, doch wäre auch das recht unsinnig, da ein solcher Gott letztlich funktionslos wäre. Selbstverständlich erklärt sich viel aus unserer DNA, aber nicht alles.

Ich habe mich vor einiger Zeit gefragt, was die Menschen überhaupt damit meinen, daß sie nur ein Mal leben. Woher wollen sie das wissen und welche Relevanz hat es überhaupt? Ist unser Gegenüber wirklich von einer Wiedergeburt unserer selbst, welche keine Erinnerung an ihre vorigen Leben hat, verschieden? Ja? Wodurch? Doch höchstens dadurch, daß er eben ein anderes Prinzip ist, einen anderen Geist hat. Aber gleichzeitig glauben jene, welche sagen, wir leben nur ein Mal, daß wir alle gleich sind! Wenn wir alle denselben Geist hätten, dann unterschieden wir uns doch nur durch den Inhalt unseres Gedächtnisses! Was hinderte uns also daran, uns alle als ein und dieselbe Person aufzufassen? Welche ständig wiedergeboren wird?

Nun, wir unterscheiden uns als Geister ja, wenngleich die wenigstens Unterschiede sonderlich schwerwiegend sind, gerademal vier Hauptklassen gibt es, jede durch über einer Milliarde Menschen vertreten, man könnte also versucht sein, unsere Individualität mit dem Hinweis darauf zu erklären. Und wer sich nur mehr seiner Seele verpflichtet fühlt, für den entspricht diese Sicht auch der Wahrheit. Aber wer noch seinen Lebenspflichten nachkommt, für den stimmt sie so nicht ganz, und deshalb meinen die Menschen auch, sie würden nur ein Mal leben, denn in ihrem spezifischen Leiden an der Welt und ihrem Streben zu ihrer Heilung wirkt mehr als nur ihr Geist und ihre Erfahrungen, in ihnen wirkt ihr Schicksal, ihre Eingebundenheit in die Gesamtheit aller verkörperten Geister und sie haben ein Gespür für diese Stelle, welche sie ausfüllt und identifizieren sich mit ihr, sie als die Quelle ihrer Inspiration bezeichnend. Der Quell, aus welchem Gott zu uns spricht, er existiert nur ein Mal, denn er hat Eigenschaften, welche von unserem Schicksal herrühren.

Es ist letztlich jeweils dieser Quell, welchen wir gegenüber anderen Menschen verteidigen und auf welchen sich unsere Überzeugung unseres individuellen Wertes gründet. Aber dieser Quell dient uns lediglich dazu, unsere Lebenspflichten zu bestehen, und deshalb fällt der Eindruck unserer Individualität von uns ab, wenn wir uns auf die Pflichten unserer Seele gegenüber konzentrieren.

Wenn Freddy Mercury hier singt has only once been molded, set aside for us, so nimmt er erstens an, die Quelle seiner Inspiration wäre verkörpert, was sie nicht ist, weder in einem geliebten Menschen, noch in der Welt als Ganzem, weshalb eben auch yet slips away from us, und sodann, daß er nach seiner Treue zu ihr gerichtet werde, wo sie ihm doch nur dient, sie ihm - und nicht er ihr. Unsere Träume dienen uns, wir nicht unseren Träumen. Dienen tun wir lediglich anderen verkörperten Geistern. Ob es freilich ein Dienst ist, so viel Verwirrung zu verbreiten?

Freilich, man spricht ja auch sonst vom Gottesdienst, doch der besteht darin, die Menschen daran zu erinnern, wer ihnen hilft, ist also ein Dienst an ihnen, nicht darin, Gott zu helfen.

Was mir heilig ist, ist mir zum Heil, und nicht nur mir, sondern allen Menschen meines Geistes. Und aus letzterem Umstand entspringt sein Gewicht und die Möglichkeit zum heiligen Dienst.

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8. Dezember 2011

Zu den Wurzeln der Bevölkerung Europas

Dieser Beitrag muß ein Versuch bleiben, gleichwohl erachte ich es wert, ihn zu unternehmen.

Wenn man über die prähistorischen Migrationen der Menschen Aufschluß erhalten will, bietet es sich an, die heutige Verbreitung der unterschiedlichen mtDNA und Y-DNA Haplogruppen zu betrachten und anzunehmen, daß eine Tochterhaplogruppe aus dem Hauptverbreitungsgebiet ihrer Mutterhaplogruppe emigriert ist.

Dieses befolgend kommt man zu den folgenden Aussagen.
  1. Die Menschheit stammt ursprünglich aus Afrika.
  2. Die Wurzeln der europäischen Bevölkerung lagen in der Zeit vor vor 30.000 Jahren in drei Hauptgebieten: in Nordafrika und Arabien, dem Gebirgsgürtel vom Kaukasus bis zum Hindukusch und zuletzt in Indien und Südostasien. Diese Unterteilung verliert allerdings an Wert, wenn man die gesamte Erdbevölkerung betrachtet.
  3. Die erste, heute noch lebendige, Besiedelung Europas erfolgte aus dem Bereich des zweitgenannten Gebietes. Es handelt sich dabei um das Gravettien. Es kann als gesichert gelten, daß diese mit der Y-DNA Haplogruppe I verbunden ist und sich später vom Balkan aus über Osteuropa bis nach Skandinavien verbreitet hat.
  4. Später erfuhr diese Besiedelung im Nordosten Europas eine Erweiterung um eine ursprünglich aus dem drittgenannten Gebiet stammende Gruppe, welche mit der Y-DNA Haplogruppe N verbunden ist und allgemein als finnisch gelten kann.
  5. Im Zuge der landwirtschaftlichen Revolution kam es im mittleren Osten zu Bevölkerungsverschiebungen, welche sich schwerlich im Detail rekonstruieren lassen, aber dazu führten, daß die afroarabische Bevölkerung zu Gunsten der kaukasischen Bevölkerung zurückgedrängt wurde. Zeitgleich fand eine Durchdringung der kaukasischen Bevölkerung in ihrem eigenen Gebiet mit einer ursprünglich aus dem drittgenannten Gebiet stammenden Bevölkerung, welche mit der Y-DNA Haplogruppe R1b verbunden ist, statt.
  6. Dieses Gemisch aller drei Gruppen verbeitete sich daraufhin im Westen und Süden Europas, wobei die kaukasische Gruppe dieses Mal mit der Y-DNA Haplogruppe J verbunden war, und die afroarabische mit der Y-DNA Haplogruppe E3b.
  7. Etwa 2000 Jahre später drang erneut eine Gruppe aus dem drittgenannten Gebiet in Europa ein, dieses Mal wiederum, wie bei den Finnen, über die Route nördlich des Kaspischen Meeres. Diese Gruppe ist mit der Y-DNA Haplogruppe R1a verbunden.

Was das Aussehen dieser ursprünglichen Gruppen angeht, so läßt sich mit einiger Sicherheit sagen, daß die Gravettiengruppe körperlich am robustesten war und ist und im Laufe ihrer langen Geschichte in Europa die für Europa typischen Merkmale der Blondheit und Blauäugigkeit ausgebildet hat. Über das Aussehen der ursprünglichen Finnen kann man nur spekulieren, aber offenbar wird es asiatischer gewesen sein als das der restlichen Gruppen. Was die afroarabische Gruppe angeht, so gibt es keinen Grund zu der Annahme, daß sich ihr Aussehen verändert hätte, sondern ganz im Gegenteil gute Argumente dafür, daß es gleich geblieben ist, nämlich schlank und langköpfig. Die zweite kaukasische Gruppe wird ebenfalls eher robust gewesen sein, wenngleich nicht ganz so robust wie die Gravettiengruppe und die sich mit ihr vermischt habende R1b-Gruppe hat wahrscheinlich ihr Aussehen übernommen. Und was das Aussehen der ursprünglichen R1a-Gruppe angeht, so ist es logisch ableitbar, daß es sich nicht vom Aussehen eines durchschnittlichen iranischen Afghanen heute unterschieden hat.

Zu den skurrileren Verirrungen der jüngeren Geschichte gehört die Annahme, daß der spezielle Mischtypus, welcher sich aus afghanischem Skelett und nordöstlicher Gravettienpigmentierung ergeben hat, eine ursprüngliche Rasse sei. Andererseits muß man gerechterweise sagen, daß die physiologischen Anthropologen in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts so falsch auch wieder nicht lagen, denn immerhin verbinden sich, mit Ausnahme des so genannten dinarischen Typs, welcher eine reine Mischform ist, mit ihren so genannten Hauptrassen tatsächlich die Gruppen, aus welchen die europäische Bevölkerung hervorgegangen ist, nur halt im Detail anders als von ihnen angenommen. Details freilich, derentwegen sich Menschen umgebracht haben, was auch ohne Irrtümer schlimm genug wäre, so aber doppelt bitter ist.

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6. Dezember 2011

Ein paar Worte zum vorigen Beitrag

Lebendigkeit und Leidenswille sind dasselbe, man lebt aus der Stimmung, welche Leiden auf sich zu nehmen sucht, um den nötigen Einsatz zu erbringen, die Hindernisse zur eigenen Heilsvorstellung zu überwinden.

Und es ist durchaus auch so, daß es der umfassendste Leidensweg ist, welcher zur umfassendsten Erlösung führt. Die umfassendste Erlösung aber ist einem zwangsläufig zeitlich entrückt, sonst verdiente sie ihren Namen nicht.

Die Menschen denken buchstäblich nicht daran, daß ihr höchstes Sein immer ein solchermaßen selbst auf sich genommenes Leiden ist, und ihre höchste Verantwortung für einander darin besteht, sich dieses gegenseitig zu erlauben. Ich danke in diesem Zusammenhang Peer Steinbrück für seine selten klare Darstellung der Rolle der Sozialisten als Korporationenmoderatoren, auf der Annahme fußend, daß der Menschen Glück in einem hübsch sauber für sie abgewischten Hintern bestünde. Und gefälligst europaweit! Sonst klappt's ja sowieso nicht, weil man in Brüssel zu schwach wäre.

Eine selten lustige Rede auch aus anderen Gründen, Steinbrücks verschliffenes Reden, als wäre Wilhelm II aus dem Grabe auferstanden, dann das, was Klemperer in seinen Tagebüchern Hosenboden nannte, passend zu seiner schon erwähnten Faschismusdefinition in Reinform und seinem ominösen Orakeln, auch andere Kreise für die SPD interessieren zu wollen.

Nun, und das ist die nähere Zukunft Deutschlands und schlimmstenfalls ganz Europas. Sie sagen es recht offen, hier wir, da die Schweineherde, welche sich um uns scharen will. Ich sage sie, auch wenn's nur Steinbrück alleine gesagt hat, weil ich nicht recht daran glaube, daß das alles ausschließlich auf seinem eigenen Mist gewachsen ist.

Nichtsdestotrotz, die Schweine scharen sich noch. Ich hab's ja gesagt, vor einigen Monaten, wenn's nach dem Großkapital geht, muß ein neuer Sozialismus her, und wie wir jetzt sehen, ist er nicht übermäßig originell.

Fast ist es eine Erleichterung über die konkrete Umsetzung lachen zu können.

Nun gut, aber das ist die Welt, heute und morgen. Und wenn's nicht genau so kommt, kommt's doch nicht besser. Nein, es ist wirklich eine Erleichterung, nicht nur fast, sie bauen einen Turm zu Babel und können auch nichts anderes bauen. Sie sind unverständig und kaum motiviert, wie ein verwöhnter Balg an den Schalthebeln der Macht, reden wir gar nicht weiter von dem blanken Zynismus, eine Erzählung zu brauchen, welche einem selbst nicht einfallen will.

Es wird nicht stehen, es wird vergehen. Ich sollte froh sein, daß sie's bauen, es gibt verständigen Menschen einen Überblick über die Zukunft. Allein, so wenig will ich freilich nicht, doch wird Gott schon dem selbst befohlenen Gebot die Bahn brechen, wir sind uns unsere Bereitschaft schuldig, unsere Leiden selbst wählen zu lassen, die Prinzipien zu akzeptieren, welche wir als Menschen sind.

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3. Dezember 2011

Ansprüche

Ein wesentlicher Anspruch ist der Anspruch nach Transzendenz selbst, welcher allerdings durch den transzendenten Rahmen unserer Leben befriedigt wird.

Einen weiteren Anspruch gibt es wohl noch in meinem Herzen, aber seine Aktualisierung scheint gegenstandslos. Ich bin ein Tor, aus welchem die Welt Gestalt gewinnt, freilich nur in einem klar umrissenen Bereich, aber auch so ist es schmerzhaft selbst der Steinbogen zu sein, in einer Welt aus Stein, durch welchen das ewige Leben fließt. Nicht ganz Geschöpf, nicht ganz Schöpfer, im Nichtsein der Zeit überlassen, Sein nur kennend, wie es sich entfernt, dafür aber auch, was vor ihm war.

Auch wenn ich dieses gerne bin, lieber als alles sonst, so kann mich die Dauer des Torseins doch nicht befriedigen, sondern muß mich zur Verzweiflung bringen, wenn ich es nicht schaffe, ihr zu entkommen, aber was heißt das?

Es muß ein wesenhafter Übergang sein, in welchem die Zeit endet. Man wird - wieder - Prinzip, aber ein Prinzip in der Gemeinschaft aller Prinzipien, ein Gedanke unter Gedanken, aus deren Spannung Sein neu entsteht. Hier ist es dafür schon zu spät, der Magen will gefüllt und Verlangen gestillt werden. Glücklich wer dies wie ich nicht ist - aus meiner Sicht - aber auch nur für eine Weile nicht grenzenlos traurig.

Vielleicht gibt es noch eine weitere Weise, dies nicht zu sein, weniger durch Inspiration als durch Emulation des himmlischen Wirkens hier auf Erden, also durch die Berücksichtigung der unterschiedlichen Prinzipien, welche wir sind, in unserem politischen Handeln. Mag sein, daß dies tatsächlich auch schon einigen christlichen Gemeinden gelungen ist. Einen Anspruch darauf kann man natürlich nicht haben, weil er nicht das eigene Dasein betrifft, aber man kann ihm selbst durch eigene Entscheidung genügen, was mir auch durchaus ratsam erscheint.

Und übrigens, wo ich gerade von diesen Dingen rede, es ist recht klar, daß ein Tor durch Worte mehr erreicht als durch Disziplinierung.

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2. Dezember 2011

Gebäude des Glaubens

Ich schrieb, daß wir alle mit einer Seinsheimat beginnen, welche wir dann, indem wir erfahrener werden, den tatsächlichen Verhältnissen dadurch anpassen, daß wir sie um den rechten Umgang mit diesen Verhältnissen erweitern.

Diese Erweiterung ändert aber nichts am ursprünglichen Charakter unseres Glaubensgebäudes, nämlich daß es umfassend ist, daß es eine Welt formuliert, in welcher wir zu leben beabsichtigen.

Die Welt aber vermessen wir einerseits danach, was uns in ihr begegnet und andererseits danach, welche Gestaltungsfreiräume sie uns bietet, und auf diese beiden Dimensionen bezieht sich jedes Glaubensgebäude.

Begegnen tun uns in der Welt natürlich vor allem anderen Menschen. Also wird jeder Glauben eine Vorstellung des menschlichen Umgangs mit einander enthalten. Diese Vorstellungen sind indes recht leicht überschaubar, zunächst lassen sie sich danach unterscheiden, ob der gegenseitige Umgang Dienst oder Kampf ist, also ob er der Gestaltungsfreiheit untergeordnet wird oder nicht, was natürlich wieder die sattsam bekannte Unterscheidung ist, ob jemand kein Materialist ist oder doch, und für den Fall, daß er Dienst ist, dann danach, ob dieses Kümmern um andere geschwisterlich zupackend oder elterlich anleitend ist, worin sich die heroische und die philosophische Gesinnung zeigen. Die Heilsvorstellungen des menschlichen Umgangs mit einander entsprechen also direkt den drei Temperamenten.

Was uns sonst noch begegnet, sind Schönheit und Ungemach, welche indes gleich wieder unter unseren Umgang mit einander fallen, da die eigentliche Frage dabei ja lautet, wie wir sie unter einander verteilen. Konkret sehen Materialisten letzte Zwecke in ihnen und die übrigen Verhandlungsmasse, Währung gegenseitiger Entlohnung, letzteres ein Konzept, welches Materialisten nicht kennen, für sie liegt die einzige menschliche Leistung im Erwerb, so etwas wie einen interessenausgleichenden Zurückhaltungsvertrag kennen sie nicht, da sie kein Interesse an Zurückhaltung haben.

Es bleibt also nur unsere Gestaltungsfreiheit zu behandeln. Materialisten kennen diese Dimension als solche natürlich auch, aber sie ist ihnen nur die Zeit, welche ihnen offensteht, um dem zu begegnen, welchem sie begegnen möchten. Das Glaubensgebäude eines Materialisten wird also immer auf die Bereitstellung einer geeigneten Wettkampfstätte hinauslaufen, daß jemand den Sieg bezeuge, den Erwerb anerkenne, aber auch die Möglichkeit ständiger Herausforderung schaffe.

Was die anderen angeht, so hegen sie also Vorstellungen einer Welt, in welcher die Menschen zur Gestaltung befreit sind. Daß nicht ein Mensch sein Gestaltungsrecht wider das Recht seines Nächsten auslebt, ist ihnen, als moralischen Vorstellungen gleicher Rechte, auch eigen. Was diese Vorstellungen hingegen unterscheidet ist die Grenze, welche zwischen privaten und öffentlichen Rechten verläuft, also was dem Recht der Öffentlichkeit entzogen ist und was nicht.

Generell läßt sich sagen, daß ein großer Geist die privaten Rechte eher zurückdrängen wird als ein kleiner, aber dies so offen auszusprechen, wo ich ja bereits den Gegensatz zwischen Suchenden und Versuchenden einerseits und Achtenden andererseits in dieser Frage behandelt habe, führt zu leicht fragwürdigen Gleichsetzungen.

Es scheint mir indes zwingend, daß ein höherer Grad an öffentlichem Recht mit einem Bewußtsein der eigenen Erhabenheit, so einer sich bereitwillig an es hält, einhergehen muß.

All dies sage ich von echtem Glauben, welcher das Herz füllt und treibt, nicht von den im vorletzten Beitrag erwähnten Surrogaten. Über diese will ich auch keinen Überblick geben. Indes bleibt an dieser Stelle festzuhalten, in wiefern die existierenden Glaubensgebäude an der Welt zu scheitern pflegen.

Es ist nämlich so, daß, obwohl dies der ureigene Charakter eines jeden Glaubensgebäude ist, die meisten Menschen mit ihren Glaubensgebäuden nicht mehr der ganzen Welt gedenken, sondern für gewöhnlich nur noch winzigen Ausschnitten ihrer, welche sie um sich selbst herum abgesteckt haben.

Ein Grund dafür ist, daß ihnen das Verständnis dafür fehlt, ihrem Gebäude Räume anzufügen, welche nach dem Glauben anderer gestaltet sind, ein anderer, daß sie sich durch jene Surrogate verwirren lassen. Jedenfalls ist ihren Gebäuden als partiellen Heils- und Rechtsvorstellungen ihre Unheilig- und -gerechtigkeit gemein, heute vornehmlich in Form politischer und wirtschaftlicher Passivität.

Eine Verständigung zwischen verschiedenen vollständigen Glaubensgebäuden ist hingegen möglich, wenn man nur das Lebens- und Entwicklungsrecht von unterschiedlichen Gebäuden dominierter Kulturen anerkennt und innerhalb dieser das Recht der Mehrheit, ihren Glauben zum kulturstiftenden zu machen.

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Vom transzendenten Durchschreiten des Lebens

Ich möchte einige Dinge, welche ich zuvor etwas künstlich angefaßt hatte, biographisch aufbereiten.

Es gibt bestimmte Rahmenbedingungen unserer Leben, Stationen, Phasen einerseits und Medien andererseits. Ein Medium eines Lebens ist dabei selbstverständlich ein Lebendiges, welches deshalb eine Rahmenbedingung darstellt, weil es nicht beliebig beschaffen ist. Es geht dabei also um konkret existente Ausformungen von Menschlichkeit, wie sie beispielsweise durch die vier menschlichen Geister und das Geschlecht eines Menschen gegeben sind.

Auf diese Medien sind wir nun einmal angewiesen, wir müssen sowohl uns annehmen, wie wir sind, als auch unsere Mitmenschen, wie sie sind. Und dieser Prozeß ist teils transzendent, wobei sich natürlich die Frage stellt, wozu er überhaupt nötig ist, also warum man sich von der menschlichen Beschaffenheit distanzieren wollte.

Wenn ich mein Leben daraufhin ansehe, so scheint es mir dabei um die Abschottung des Unreifen zu gehen, daß es nicht gehört und nicht gerichtet werde. Die Frage ist ja auch berechtigt, ob ein Zusammentreffen von Menschen immer sinnvoll ist oder auch nur sein kann. Man sollte schon wissen, was man von anderen will.

Aber früher oder später müssen wir alle unser Menschsein mit den Menschsein unserer Mitmenschen verhandeln. Das ist eine Facette unseres Lebens, eine Rahmenbedingung.

Zum anderen haben wir wie gesagt einen bestimmten Weg zurückzulegen. Anfangs geht es uns darum etwas zu finden, an welchem wir uns beweisen und wachsen können. Wir sind offen, zuversichtlich, drängend und suchen solche Situationen. Diese unsere Jugend müssen wir hingegen ständig bejahen, ständig darauf vertrauen, daß unser Weg schon zu uns kommen wird. In gewisser Weise betteln wir dabei fortwährend um Glück.

Stet ist diese Jugend nicht, sie strebt immer vom Erreichten fort. Stet ist die Reife, wenn wir unsere Umwelt zur Harmonie hin prägen mögen und die Weichen zeitig zu stellen suchen. Die Rede ist hier nicht ausschließlich von unseren Mitmenschen, sie mag auch im Einzelfall überhaupt nicht von ihnen sein, es geht hier nicht um die eigene Rolle in der Welt, sondern um die Ordnung, welcher wir uns verpflichten.

Und schließlich gibt es das Alter, wenn wir uns der Frage stellen müssen, ob unser Wesen frevelhaft ist. Wir tragen in unseren Herzen Ansprüche, und einst kommt die Nacht, in welcher wir sie offenbaren, Gottes Gericht erwartend. Aber zuvor müssen wir sie verstehen.

Dies alles wartet auf uns, aber selbstverständlich beschreibt es nur den Rahmen unserer Leben, welche Rolle wir spielen, was uns in unserer Jugend begegnet, welcher Ordnung wir uns reif verpflichten und welche Ansprüche in unserem Alter gerichtet werden, das beschreibt es nicht.

Von allem diesen scheinen mir die Ordnungen und Ansprüche am interessantesten, die Ordnungen bilden auch die Brücke zum letzten Beitrag, es sind dies die Dinge, an welche wir glauben. Ich werde mich ihnen wohl noch einmal stellen müssen.

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1. Dezember 2011

Nochmals zum Glauben

Ich bin fast umgekippt, als ich diese Version gehört habe:


(Furtwängler, Wiener Philharmoniker 1951)

Wie kann das bloß sein?

Wie? Kann? Das? Bloß? Sein?

Es ist ja nicht irgendein Stück. Nicht irgendein obskures Stück, welches nur im Kontext seiner Zeit verstanden werden kann und zu welchem wir heute einfach keinen Zugang mehr finden oder anders?

Beschämender wird es doch nicht mehr.

Ja, es stimmt, Glaube ist oftmals Kompensation für Gebrechlichkeit, aber wer ihn deshalb pauschal als pathologisch erklärt, mag seine eigene Stärke dabei überschätzen. Und wozu überhaupt Musik einfach nur herunterspulen?

Was ich sonst so höre ist bestenfalls streckenweise sentimental, normalerweise aber einfach nur der Beweis dafür, daß hundert Musiker fleißig gelernt haben, zusammen auf die Pauke zu hauen.

Aber das sagt etwas aus über die Menschen. Glaube läßt sich nicht selektieren. Ein Reich von hunderten Millionen Menschen kann, wenn ihm ihr Glaube fremd ist, nicht einmal hundert auswählen, welche seine Hymne in ihm spielen.

Historisch natürlich interessant, daß dies 1951 in Wien noch ging.

Und auch ein bißchen seltsam, nicht wahr? Mußten wir diesen Glauben nicht bereits mit dem Einsetzen der Industrialisierung zu Grabe tragen? Wie Jünger später in In Stahlgewittern schreiben sollte, durch die moderne Technik wird die Masse durch den speziell ausgebildeten Trupp ersetzt. Oder kann dieser Glaube gar neben grundlegend veränderten militärischen Kräfteverhältnissen weiterbestehen?

Ist Brüderlichkeit am Ende mehr als bloß etwas zu einer bestimmten Zeit militärisch verwertbar Gewesenes?

Und wenn ja, in welcher Form lebte sie dann 1951 in Wien noch, heute aber nicht mehr?

Genug der Rhetorik. Das Spezifische des Beethovenschen Glaubens ist seine Buchstäblichkeit, nicht Brüder im Glauben sind gemeint, sondern der Glaube daran, daß die Menschen einander Brüder sein können, so wie sie sind, nicht erst durch irgendein Bekenntnis, nicht als Organisationsform, nicht als eine Gruppe, welche sich gegenseitig unterstützt, sondern als Gruppe, welche sich gegenseitig versteht und dieses Verständnis ihrer Unterschiedlichkeit in guter Absicht verwendet.

Und das lebte 1951 in Wien noch und ist jetzt tot.

Reden wir allgemeiner von diesen Dingen. Glaube ist die Brücke zum Idealen, aber er ist anfällig für Beleidigungen. Und deshalb ist es eben auch gelungen, den Menschen seit 1951 das Maß an Brüderlichkeit, welches sie besaßen, auszutreiben. Der Angriff in diesem speziellen Fall zielte auf die mangelnde Universalität der Brüderlichkeit, was ausreichte, um die Brüderlichkeit, welche immer nur ein verständnisvoller Umgang mit dem Verwandten ist und sein kann, aus der Welt zu schaffen. Alle Menschen sind auch schon dann Brüder, wenn sie nicht alle einander Brüder sind. Wer sagt, daß die Menschen eine Familie bilden oder bilden sollten? Der Einwand ist leicht genug, doch die meisten Menschen glauben so, wie sie auf einer Gesellschaft der Unterhaltung eines benachbarten Paares lauschen, sobald sie etwas ablenkt, finden sie den Faden nicht wieder.

Es gibt indes auch heute noch Glauben, wenn auch nicht diesen an dieser Stelle, nur daß sie auf dieselbe Weise bedroht werden wie jener es wurde, nämlich durch Glaubenssurrogate, welche aus keines Menschen Herzen kommen und auch nicht im Stande sind eines Menschen Herzen zu erreichen, dafür aber umso geeigneter sind, sich seiner Vernunft mit tausenden unerfüllbaren und in sich widersprüchlichen Forderungen zu bemächtigen.

Deshalb sage ich dies. Wer ein Herz hat, Glauben zu beherbergen und dies zum Beispiel daran erkennt, daß ihm eine Aufführung von Beethovens Neunter nicht gleich einer anderen ist, der hüte es. Verschließ er seine Ohren und lausche nicht jenen, welche selbst bereits erstarrt sind in ihren Überzeugungen, sondern lasse da wachsen, was in seinem Herzen keimt. Und dessen Wert kenne er! Eine seltene und überaus nützliche Gabe ist ein eigener Glaube, welchen man stets noch wiederfindet, um sich an ihn zu halten, gleich wie einen die Welt auch ablenken mag.

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