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27. Juli 2019

Die Dämonen der Mißgunst

Im Beitrag Little helpers (daimonology) sprach ich von Daimonen, weil die nämlichen Geister nicht unbedingt bösartig sind, wohingegen daran bei den hiesigen Geistern kein Zweifel bestehen kann, weshalb ich diesmal von Dämonen spreche.

Auch nannte ich die Daimonen tierisch, weil sie auf Haltungen beruhen, zu welchen Manche Zuflucht nehmen. Die Dämonen hier wären dagegen elementar zu nennen, weil sie auf Aufhebungsbemühungen von Wirkungen beruhen. Sein im allgemeinsten physikalischen Sinne bedeutet Ausstrahlung (Wellencharakter der Materie und Wirkung als Teilchenaustausch), und wie wir wahrscheinlich alle wissen gibt es große Feindschaft zwischen Verschiedenausstrahlenden.

Doch bevor die Sache ins Komische entgleitet sei ihres Ernstes halber vermerkt, daß die Wurzel der Mißgunst, über welche ich erstmals bei meiner Beschäftigung mit dem Altsächsischen stolperte, gerade in der im vorigen Beitrag betrachteten Darstellung von Archetypen liegt, insofern diese nämlich die Ausstrahlung in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens stellt, so daß wir viel mehr von den an sie gebundenen Dämonen geplagt werden als es der Fall wäre, wenn wir auf allgemeine oder spezielle Weise mit der Welt verbunden wären und sie genössen. (Wem niotan fehlt, der niidh erwählt.)

Freilich heißt das nicht, daß die Darstellung von Archetypen prinzipiell schlecht wäre. Es heißt aber durchaus, daß sie spezifische Gefahren in sich birgt, welche im Zaum gehalten werden müssen, damit sie die Gesellschaft nicht zu Grunde richten.

Kommen wir nun dazu. Den Anfang bildet wie gesagt die Ausstrahlung. Auf sie gibt es drei Antworten, nämlich
  • die Erwiderung,
  • die Akzentuierung und
  • die Aufhebung.
Sagen wir, die Ausstrahlung sei sin(x). Ihre Erwiderung ist dann wieder sin(x). Eine Akzentuierung wäre etwa sin(αx), α>0, und ihre Aufhebung wäre sin(-x)=-sin(x).

Erwiderung führt zu Verstärkung, Akzentuierung zu Verlaufung (wie etwa Tinte verläuft) und Aufhebung zu Erschöpfung.

Außerdem stellt sich im Antwortenden ein Selbstgefühl ein, und zwar
  • im Erwidernden ein Gefühl der Aufgehobenheit (wie etwa zu Hause, die Mehrdeutigkeit ist an dieser Stelle etwas irritierend, ich gebe es zu, ob Google Translate wohl cancellation daraus macht?),
  • im Akzentuierenden ein Gefühl der Lässigkeit und
  • im Aufhebenden ein Gefühl der Erbitterung.
Und jetzt, wo wir das haben, können wir die Dämonen der Mißgunst als jene Antworten auf Aufgehobenheit, Lässigkeit und Erbitterung definieren, welche zu zusätzlicher Erbitterung führen. Wir erhalten dabei ein geschlossenes System, also endlich viele Dämonen, weil die betrachteten Antworten selbst wieder im Selbstgefühl der Aufgehobenheit, Lässigkeit oder Erbitterung gegeben werden.

Ich möchte die Vollständigkeit der folgenden Auflistung nicht im Detail beweisen. Sie ergibt sich bei ernstlicher Betrachtung nach einigem, nicht unbedingt elegantem, Nachdenken ohne größere Hindernisse.

Antworten auf Aufgehobenheit oder Lässigkeit.
  • Verachtung. Aufgehobenheitshege durch Erbitterung gegen Erfolglosigkeit (Stärkung der Gruppenbindung durch Bekämpfung eines zu nichts führendem Lösungsbedürfnisses).
  • Neid. Aufgehobenheitshege durch Erbitterung gegen Erfolg (Stärkung der Gruppenbindung durch Bekämpfung eines zu etwas führendem Lösungsbedürfnisses).
  • Erbosung. Lässigkeitshege durch Erbitterung gegen Erfolg (Wiederherstellung der für die eigenen Bedürfnisse notwendigen Ausgeglichenheit).
  • Aussetzung. Erbitterungshege durch Lässigkeit gegenüber Glück (Herbeiführung von Unglück zur Erzeugung angemessen scheinender Erbitterung).
Antworten auf Erbitterung.
  • Verschwörung. Aufgehobenheitshege durch Aufgehobenheit in Feindschaft (Bildung einer auf gemeinsamer Feindschaft beruhenden Obergruppe).
  • Aufwiegelung. Lässigkeitshege durch Aufgehobenheit in Feindschaft (Bildung einer taktischen Allianz zur Herbeiführung von für die eigenen Bedürfnisse günstiger Ausgeglichenheit).
Allen Dämonen der Mißgunst ist gemein, daß sie den Aufgehobenen, Lässigen und Erbitterten zum Zwecke der Wahrung ihrer Ausstrahlung zur Vernichtung anderer Ausstrahlungen raten, und es gibt ethische Schulen, an erster Stelle den Taoismus, welche daraus den Schluß ziehen, daß der Mensch bloß nichts ausstrahlen möge, ohne ihn zu seiner Verbundenheit mit der Welt zu führen, mit anderen Worten also für einen ganz vom Ernst befreiten Geisteszustand plädieren, wie er des öfteren bei Männern, welche sich in Frauenkleider hüllen, anzutreffen ist.

Gäbe es die allgemeine, welche auf Religion, und die spezielle, welche auf Privateigentum basiert, Verbundenheit mit der Welt nicht, wie etwa im atheistischen Sozialismus, so wäre es ausgesprochen schwierig, diese Ethiken anzugreifen: Wozu Archetypen darstellen, wenn es bloß Blutvergießen bedeutet, weil wir uns nicht einig werden können? Der beste Archetyp unter dieser Voraussetzung mag durchaus der fette Polynesier mit weiblichem Gehabe sein, wobei dem Tao allerdings die Konsequenz fehlt, das so offen zu sagen.

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