Bereitschaftsbeitrag

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20. September 2012

Zum Sinn des Sprechens

So, jetzt sind die Weiber weg, jetzt können wir ernsthaft über die Dinge sprechen.

Aber du weißt doch, meine Liebe, daß ich nicht dich meine, wenn ich was Schlechtes über die Frauen sage, sondern zum Beispiel diese Anette da, über die du letztens auch geschimpft hast, diese dumme Gans.

Meine Frau hat doch tatsächlich was ganz Unglaubliches herausgefunden, sollte man gar nicht glauben, wenn man bedenkt, wie blöd sie für gewöhnlich ist.

Ne, wenn du das nicht verstehst, dann frag halt deine Alte, die ist eigentlich ganz patent und könnte hier fast zusammen mit uns sitzen, wenn sie mal für ein paar Minuten den Mund halten könnte.

Ja, diese ständigen Verkehrskontrollen, die reine Abzocke.

Stimmt. Schon schlimm, wie die Leute rasen.

Sag ich schon mein Leben lang.

Aus welchem irren Grunde sollte man annehmen, daß die Menschen sprechen, um die Dinge zu beschreiben?

Die Menschen sprechen, um bestimmte Probleme auf sprachlichem Wege zu lösen.

Eine Sprechdressur, wie sie heutzutage stattfindet, muß zwangsläufig, aufgrund der ihr innewohnenden Bestrafungen und der Tatsache, daß sich niemand an sie halten kann und zugleich noch funktionstüchtig kommunizieren, zu einem Klima führen, welches Philip K. Dick während einer Attack Therapy (Interview von 1979) beschrieben hat, beliebige Vorwürfe werden von allen Seiten so lange wiederholt, bis der Beschuldigte unter der psychischen Belastung der allseitigen Anklage zusammenbricht und seine Schuld eingesteht.

Das Ziel dieser speziellen Maßnahme ist es für gewöhnlich, das Individuum zu lehren, daß es seine psychische Gesundheit der impliziten Gunsterweisung anderer verdankt, also auf jene angewiesen ist, mithin seine Rolle im Kollektiv akzeptiert, wobei die Schlußfolgerung hier falsch ist, nicht ist man auf andere angewiesen, sondern auf eine Verteidigungsstrategie, worin auch immer die bestehen mag.

Es gibt allerdings eine natürliche Neigung zu diesem Gruppenangriff, insbesondere unter Frauen, verbunden mit dem vagen Gefühl, man müsse jemandem helfen, indem man ihm eine andere Perspektive als seine eigene vorhält, zusammen als Gruppe und nicht mehrere alternative Perspektiven, sondern eine einzelne, ganz bestimmte, was sich nur so erklären läßt, daß Frauen daran gewöhnt sind, Männern dabei zu helfen, etwaige widerspenstige Frauen in einer polygamen Gesellschaft auf Linie zu bringen. Und dieses Verhalten zeigen sie dann eben auch als Volksvertreterinnen, nur leider dann auch Männern gegenüber. Schon ironisch, daß der Kollektivismus methodisch auf ererbte Verhaltensweisen aus einer polygamen Vergangenheit zurückgreift.

Aber damit ist auch im heutigen Fall, in dem es so aussieht, als ob wir zum Sprechen zum alleinigen Zweck der Beschreibung erzogen werden sollten, das Sprechen wiederum Werkzeug zur Lösung eines bestimmten Problems, nämlich der Etablierung einer vorgegebenen Meinung, wobei geschickterweise, eingedenk der Tatsache, daß Männer weniger an diese Form der Gefügigmachung angepaßt sind als Frauen, stets noch eine alternative Meinung erlaubt ist, aber eben stets eine abwegige, dysfunktionale, wovon ich vor kurzem schrieb.

Daß Wissenschaft beschreiben möge, ist natürlich nicht zu viel verlangt, aber diese Forderung an den gewöhnlichen Dialog zu richten, muß, wenn es ernsthaft geschieht, zur Meinungsdiktatur führen, da dann alle in ständiger Angst, für das, was sie sagen, bestraft zu werden, leben und aus dieser Angst heraus erlahmt jede meinungsbildende Initiative. Es wäre auch nicht anders, wenn man jeden, welcher einen Satzbaufehler im gewöhnlichen Dialog machte, ernsthaft bestrafen würde.

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