Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

29. Juli 2012

Politik in den Vereinigten Staaten

Es genügt letztlich zu wissen, daß die Vereinigten Staaten ständisch organisiert sind, um ihre Politik vorhersagen zu können, nämlich als das Ergebnis von in den höheren Ständen geschlossenen Kompromissen.

Nichtsdestotrotz möchte ich mich einmal etwas eingehender mit ihrem politischen Leben beschäftigen, nicht zuletzt, weil ich mir jüngst Grover Norquist und Frank Gaffney zu Gemüte geführt habe.

So sehr sich beide zur Zeit auch bekämpfen, ihre Karrieren sind einander doch sehr ähnlich. Beide habe zu Reagan's Zeiten Institute gegründet, um einzelne Aspekte von Reagan's Politik zu popularisieren, Grover Norquist die Vorstellung, daß die Administration eines Staates weit weniger als ein Drittel seiner wirtschaftlichen Leistung kosten sollte und Frank Gaffney die Vorstellung, daß Frieden und Sicherheit auf der Welt nur durch Amerikas militärische Übermacht erreicht werden können.

Der Grund, warum sie sich jetzt bekämpfen, besteht darin, daß es passieren könnte, daß die Vereinigten Staaten ab dem nächsten Jahr an ihrem Militär sparen. Nun, sie bekämpfen sich schon etwas länger, aber die Gegensätzlichkeit ihrer Positionen ist ja auch schon seit etwas längerer Zeit absehbar gewesen.

Beide kommen regelmäßig in den amerikanischen Medien zu Wort und bringen ihre jeweilige Botschaft unters Volk. Auf der linken Seite des politischen Spektrums sieht es nicht anders aus. Die propagandistische Arbeit wird von Proponenten betrieben, welche sich mit einer bestimmten Erzählung einen Namen gemacht haben, sei es die Erzählung vom schlanken Staat, der Ruhe durch Stärke oder der sozialen Gerechtigkeit.

In einem Punkt unterscheiden sich linke und rechte Proponenten aber, rechte Proponenten werden von interessierter Stelle für ihre Arbeit bezahlt, während linke Proponenten als Teil eines Netzwerkes agieren, dessen Interessen sie unter dem Mantel des Einsatzes für das Volk vertreten, was dazu führt, daß man auf der Rechten sowohl die durchgeknallteren als auch die aufrichtigeren Figuren findet.

Die Art und Weise, wie die Linke zur Zeit gegen Grover Norquist vorgeht, illustriert sehr schön ihre persönliche materielle Betroffenheit, viel fehlt nicht dazu, daß sie zu beißen und zu kratzen anfängt, der weinerliche Unterton ist schon jetzt deutlich hörbar.

Die Linke insgesamt bildet zusammen mit den Wirtschaftsvertretern und dem Militär die mittlere Führungsschicht. Die obere Führungsschicht ist hauptsächlich damit beschäftigt, ein funktionierendes Gleichgewicht innerhalb der mittleren herzustellen, welche für die meisten beobachtbaren politischen Projekte der Vereinigten Staaten verantwortlich ist, und zwar als solche, als Projekte mit klar begrenzter Verantwortlichkeit.

Diese werden buchstäblich ausgeheckt, kleine Gruppen innerhalb der Linken, der Wirtschaftsvertreter oder des Militärs finden sich zusammen und planen ein Projekt, welches sie dann gemäß ihrem politischen Gewicht im Austausch für die Zustimmung zu den Projekten der anderen beiden Fraktionen durchdrücken. Innerhalb der eigenen Fraktion wird weitestgehend so verfahren, sich hinter jeden gutklingenden Vorschlag zu stellen. Mißtrauen und Prüfung sind in diesen Kreisen minimal.

Indes gibt es eben auch Maßnahmen der oberen Führungsschicht, welche das politische Klima insgesamt zu beeinflussen suchen. Dazu werden meist die Initiativen von irgendwelchen Aktivisten aufgegriffen und unterstützt.

Wirkliche Kämpfe kann es zwischen Vertretern der unteren Führungsschicht wie Norquist und Gaffney nicht geben, sie vertreten ja bloß die Botschaft ihrer Kunden, und selbst wenn sie selbst von ihr überzeugt sind, wissen sie doch, daß sie an einer Leine hängen. Das gilt für Linke genauso, auch wenn die Leine etwas anders aussieht. Wo allerdings persönliche Interessen der unteren Schicht betroffen sind, welche von einer höheren gefährdet werden, dort gibt es allerdings Widerstand, wenn auch begrenzten. Daß sich Harry Reid dabei in den Boten der schlechten Nachricht verbissen hat, zeigt nur seine Schwäche.

Es ist natürlich nicht so, daß jede Veränderung des Machtgleichgewichts innerhalb der mittleren Führungsschicht auf die obere zurückzuführen ist. Letztere sieht nur nach dem Rechten. Es gibt also durchaus Kämpfe innerhalb der mittleren Führungsschicht, aber diese werden modifiziert und können deshalb kaum jemals zu dem Ergebnis führen, welches von einer kämpfenden Fraktion anvisiert wurde.

Die eigentlichen, zielführenden Kämpfe finden also innerhalb der oberen Führungsschicht statt. Und wenn es auch nicht im Einzelnen klar ist, wer zu ihr gehört, so ist es doch klar, daß in ihr Kämpfe stattfinden. Und diese Tendenz wird sich weiter verstärken, da dies in einer ständisch organisierten Gesellschaft unvermeidlich ist. Die obere Führungsschicht benutzt die Mittel einer Kirche, aber sie besitzt nicht ihr Wesen.

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