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23. Juni 2013

Ein Interview mit Parmenides

Interviewer. Parmenides, fürchten Sie nicht, daß Deutschlands Exporte einbrechen würden, wenn es zu einer nationalen Währung zurückkehrte, da diese aufwerten würde?

Parmenides. Nein, wenn unsere Währung zu hart würde, druckten wir einfach zusätzliches Geld und verschenkten es an die Armen im Land.

Interviewer. Nun gut, aber hat Deutschland nicht durch den Euro eine Machtposition in Europa gewonnen?

Parmenides. Zweifellos hat derjenige, wer etwas bezahlt, Macht über es. Es stellen sich dabei nur zwei Fragen. Erstens: Wollen wir Europa wirklich kaufen? Und zweitens: Will Europa sich wirklich verkaufen?

Interviewer. Geht es nicht eher darum, Strukturen, welche sich bewährt haben, zu verbreiten, indem man Entwicklungshilfe leistet?

Parmenides. Nur aus der Sicht derjenigen, deren Einkommen von diesen Strukturen abhängt. Und auch unter denen ist es umstritten, welchen Umfang diese Strukturen idealerweise besitzen sollten. Ich sehe da nämlich einen Trend zu kleinen, hoch spezialisierten und verstreuten Technologiezentren. Das Mißtrauen gegenüber den Sozialisten wächst, es bestehen klare Bestrebungen sich aus der Abhängigkeit von ihnen zu befreien.

Interviewer. Aber ist höhere Produktivität nicht im Interesse aller?

Parmenides. Grundsätzlich schon, aber wir sind nunmal in die bestehenden politischen Verhältnisse eingebunden, in welchen es oftmals so ist, daß wir umso weniger von unserer Produktivität haben, je produktiver wir sind, da wir dabei gleichzeitig unsere Unabhängigkeit verlieren und dadurch in eine entsprechend schlechtere Verhandlungsposition in wirtschaftlichen Auseinandersetzungen geraten.

Interviewer. Diese Mißstände ließen sich aber doch beheben.

Parmenides. Diese Mißstände dienen der Kontrolle der Masse.

Interviewer. Die europäischen Staaten sind also nicht souverän?

Parmenides. Die europäischen Völker sind es jedenfalls zusehens weniger.

Interviewer. Nun, wenn doch die Sozialisten in ihrem Interesse wirken...

Parmenides. Darüber besteht durchaus Unklarheit, und eben auch bei jenen, welche die operative Macht in ihren Händen halten. Souveränität setzt aber die Einheit von operativer Macht und Meinungsmacht voraus.

Interviewer. Die einen können etwas tun, aber alle sind dagegen, die anderen sind sich einig, aber können nichts tun.

Parmenides. Genau. Und dieser Zustand ändert sich nicht kampflos, so lange begründetes Mißtrauen auf beiden Seiten besteht. Zum Kampf fehlt aber die Opferbereitschaft. Man gibt nicht gerne her, was man hat. Das gilt für beide Seiten.

Interviewer. Sie denken also, daß die wirtschaftliche Transformation Europas stecken bleiben wird?

Parmenides. Ohne Aussicht auf eine vertrauensstiftende politische wird sie das wohl - und zum Glück, denn es ist unethisch, Spannungen zu vergrößern, ohne abzusehen, was aus ihnen wird. Ab einem gewissen Schaden ist selbst ein kleines Risiko aus Prinzip zu vermeiden.

Interviewer. Sie sehen die Parallele zur Atomkraft?

Parmenides. Vielleicht sehe ich auch den Gegensatz zu jenen, welche Gott blind vertrauen.

Interviewer. Wir schlagen alles kaputt, damit Jesus wiederkommt?

Parmenides. Das seltsame ist, daß da sogar ein begründetes Kalkül hintersteht. Schließlich ist es Gottes Schöpfung.

Interviewer.
Wäre es nicht eher ein Drohszenario, um uns dazu zu bringen, uns auf unsere Grundlagen zu besinnen?

Parmenides. Den Gedanken könnte man in der Dualität von Weihnachten und Johannisnacht sehen. Die Frage ist nur, für wen man den Acker pflügt. Es ist ja nicht direkt unvernünftig zu glauben, daß auch die Natur dankbar für ein Stück aufgewühlten Bodens ist.

Interviewer. Das sind doch alles nur Provokationen. Die Welt wird von vernünftigen Leuten regiert.

Parmenides. Die sich gegenseitig fürchten.

Interviewer. Lassen wir das. Zur Zeit besteht die reale Gefahr der Wiederbelebung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit.

Parmenides. Nun, es ist nicht so, daß die jemals tot gewesen wäre, hier auf diesem Planeten...

Interviewer. In Europa.

Parmenides. Auch da nicht, der Feind wandelt sich nur...

Interviewer. Gerade das sollte aber nicht der Ausgang dieses Prozesses sein.

Parmenides. Nein, wohl nicht. Aber dieser Prozeß war zu keinem Zeitpunkt vollständig verstanden und ist es auch heute nicht. Wer ins Blaue schießt, erlebt manchmal sein blaues Wunder.

Interviewer. Das ändert nichts an unserer Pflicht.

Parmenides. Gut, nur wie dienen wir unserer Pflicht am besten? Wenn Sie fürchten, eine Pflicht könnte über Ihre Kraft gehen, ist es besser, das zu sagen, damit andere für den Fall ihre eigenen Vorkehrungen treffen können. Darin liegt doch keine Schande. Schändlich ist, zu versprechen, von wem Sie nicht wissen, daß Sie es halten können.

Interviewer. Das hieße Öl ins Feuer gießen.

Parmenides. Das hieße Spannungen abbauen, ich sprach schon davon.

Interviewer. Den Acker pflügen.

Parmenides. Nur für wen. Das ist eben der Punkt, daß man ihn besser nicht für sich beanspruchen sollte, wenn man ihn nicht bestellen kann. Jene, die heute pflügen, können doch gar nichts anderes außer pflügen, die pflügten immer weiter, wenn man ihnen den Acker ließe. Spannungen vergrößern, bis sie zu den tiefsten Wurzeln hinabreichen. Aber nicht Gottvertrauen leitet sie, sondern Routine. Wäre es ersteres, hörten sie irgendwann auf. Die besten Diener verstehen nicht, was ihr Herr von ihnen will.

Interviewer. Das sind wohl eher schlechte Diener.

Parmenides. Nicht für ihren wahren Herren.

Interviewer. Verzeihung, aber das ist zynisch.

Parmenides. Nein, gerade nicht. Ich sage ja, daß es in Erkenntnis der eigenen Pflicht Gott gegenüber nicht verantwortet werden kann, die Menschen durchzupflügen. Jeder Gläubige ist ein Katechon, aber wenn der Glaube schwindet, bleibt nur, in Kenntnis des Kommenden lenkend in die Zersetzung einzugreifen. Wäre Galgenhumor zynisch, wäre menschliche Macht heilig.

Interviewer. Ich denke nicht, daß dies akzeptable Antworten sind.

Parmenides. Wir werden es schon schaffen und den Weltraum erobern. Vorausgesetzt, daß wir das noch wollen, wenn wir es geschafft haben werden. Ich glaube schon, daß wir es schaffen werden, aber was sagt das über die Aussichten unserer Pläne?

Interviewer. Mäßig witzig.

Parmenides. Aber wahr.

Interviewer. Hören Sie, Menschen brauchen Erzählungen.

Parmenides. Dann sollten wir uns daran machen, welche zu finden, die uns bekommen.

Interviewer. Und diesbezüglich lehrt die Geschichte wohl einiges.

Parmenides. Sie lehrt vor allem die Grenzen von Ansätzen.

Interviewer. Sie meinen, nichts kann wiederkommen?

Parmenides. Doch, aber erst, wenn die Menschen sich bereitwillig in einen eingezäunten Bereich pferchen lassen.

Interviewer. Vielen Dank für dieses Interview.

Parmenides. Gern geschehen.

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