Bereitschaftsbeitrag

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7. Januar 2024

Albernheit als gesellschaftliches Substrat

Ich habe mir vor ein paar Tagen Jürgen von der Lippes Nudel im Wind angehört, und diese sechs Stunden waren mit von dem Erschreckendsten, was ich je erlebt habe, nicht weil sich Lippes Universum irgendwann klaustrophobisch anzufühlen beginnt, das auch, aber nicht in der Hauptsache, sondern aufgrund des Kontrastes zwischen Lippes alberner Zecherei einerseits und der heute kuratierten Staatsbürgerreife andererseits: Da soll sich die Menschheit also in Hallen versammeln, in welchen weniger los ist, als ein einziger Klassenclown loszubrechen vermag.

Je zuversichtlicher der Mensch ist, desto mehr übernimmt er sich, und je mehr er sich übernimmt, desto mehr kann man über ihn lachen, und so führt der Schnaps über die Schnapsidee zur allgemeinen Versöhnung der Menschen miteinander.

Wichtig an diesem Spektakel ist, daß es, im Gegensatz zum alten Griechenland, keine Trennung zwischen Schauspielern und Publikum gibt, so daß keine bloße Erinnerung an die Schwächen der Menschen statthat, sondern vielmehr die Genugtuung ihrer Auslotung und deren Vergebung in gleich übermütiger Runde.

Die speziellen Ausformungen dieses Rituals sind kulturell verschieden, ebenso wie die ihnen zugrundeliegenden Aspirationen, aber es ist natürlich nur so lange ein solches, wie seine Aspirationen albern bleiben, würden sie ernst, so verwandelte es sich in einen Wettstreit, welcher sich oftmals freilich ganz zwanglos anschließt, aber doch auch im Rahmen der zuvor etablierten Eintracht bleibt.

Wenn seine Details also auch beeinflußt werden können, handelt es sich doch um ein natürliches Ritual zur unherausgeforderten Grenzfindung, welches den Ambitionen der Menschen Raum gibt, sich zu entfalten - und als solches steht es eben im schärfsten Kontrast zur Erziehung zum Zweck.

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