Bereitschaftsbeitrag

Zur Front

23. Juli 2021

Beispiele politischen Umgangs mit Unwesentlichkeit

Es ist, wie gesagt, verständlich, etwas von Staats wegen an der grassierenden Unwesentlichkeit der Bürger ändern zu wollen, aber die Ergebnisse überzeugen selbst da nicht, wo die verwendeten Mittel halbwegs natürlich sind, also an elterlichen Beistand angelehnt.

Mir liegen gegenwärtig zwei Beispiele solcher Relevanzverleihung vor, welche über die bloße Anerkennung der Unwesentlichen hinausgehen, und doch so gut wie nichts an der lärmenden Leere ändern: Zum einen die Dramatisierung und zum anderen der Aufruf zur im vorigen Beitrag besprochenen vereinfachenden Imitation. Die Dramatisierung zielt darauf, die Handlungen der Bürger auf bestimmte Ziele zu lenken, der Aufruf zur vereinfachenden Imitation ist ein Beispiel der Hinterfragung und zielt somit auf eine seelische Änderung der Bürger. Zwar gibt es gegenwärtig noch andere Maßnahmen zur seelischen Prägung der Bürger, aber ich kann nicht erkennen, daß sie den Zweck verfolgten, die Bürger wesentlicher zu machen.

Die Dramatisierung findet in den Vereinigten Staaten statt. Sie hat bereits ein ganze Reihe hochdramatischer Berichterstatter geboren, aber alle diese Überflieger sind erkennbar in ihren eigenen Augen kaum mehr als Staffage in einer Aufführung, deren Choreographie außerhalb ihrer Sphäre liegt. Und der Aufruf zur vereinfachenden Imitation ist in etlichen osteuropäischen Staaten Staatsprogramm. Wiewohl die vereinfachende Imitation ein natürlicher Prozeß ist, welcher der vollständigen Entfaltung der Seele dient, muß er doch von der betroffenen Seele selbst angestrebt werden. Wenn der Staat ihn programmgemäß anstößt, kommt es mit erschreckender Regelmäßigkeit zu Deformationen und Fehlplatzierungen. Konkret habe ich gestern fünf Bands auf dem Viljandi Folk Music Festival spielen gehört, zwei aus Westeuropa und drei aus Osteuropa. Das Selbstbild der westeuropäischen war, daß sie selbstverliebt, beziehungsweise ihre Vorstellungen illusorisch wären, und das der osteuropäischen, daß sie eine Pflicht schuldig, beziehungsweise kindisch oder sich selbst erhöhend wären. Die Kindsköpfe wurden noch in der Sowjetunion groß und imitierten mit sichtlichem Genuß westliche Rockbands, die anderen beiden Bands bestanden aus jüngeren Mitgliedern. Die Pflicht schuldig zu sein, etwas vereinfachend zu imitieren, im vorliegenden Fall sinnstiftende Mythen à la Richard Wagner, bedeutet doch nur, den Sinn des Imitats nicht zu erkennen, und wie könnte das Imitat unter solchen Umständen formvoll sein? Und was die Selbsterhöher (Wir hier oben auf der Bühne, ihr da unten davor.) angeht, sie haben einfach dankbar ein Fressen angenommen, was man ihnen vorgelegt hat, ohne daß es für sie bestimmt gewesen wäre.

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