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14. Juni 2020

Institutionen zwischen Vorwitz und Leben

Ich habe im Beitrag Vorwitz meine insbesondere durch den Beitrag Sorglosigkeit und Glückseligkeit implizierte Annahme, daß Liebe, Wertschätzung und Anteilnahme stets gottgefällig wären, revidieren müssen.

Und indem ich mich näher mit Übervorteilung, Zuvorkommen und Ausschließung befaßt habe, bin ich auf bisher nicht erfaßte Begründungszusammenhänge der in den Beiträgen
geschilderten Verhältnisse gestoßen.

Es gibt nämlich drei Institutionen, welche sich sozusagen in einem Gleichgewicht zwischen Leben und Vorwitz befinden, nämlich
  • den Kodex zwischen Gewährung und Verpflichtung,
  • den Markt zwischen Angebot und Nachfrage und
  • die Zunft zwischen Dienst und Kontrolle.
Indem sich der Kodex zur Verpflichtung neigt, neigt er sich zur Übervorteilung, indem sich der Markt zur Nachfrage neigt, neigt er sich zum Zuvorkommen, und indem sich die Zunft zur Kontrolle neigt, neigt sie sich zur Ausschließung. Umgekehrt neigt sich der Kodex zum (subjektiven) Glauben, wenn er sich zur Gewährung neigt, der Markt zur Vorliebe, wenn er sich zum Angebot neigt, und die Zunft zum Gewissen, wenn sie sich zum Dienst neigt.

Mit Kodex meine ich selbstverständlich die gesellschaftlich etablierten Regeln, und seine Neigung bezieht sich auf die Allgemeinheit, also in welchem Maße dieser durch ihn Gewährung von Möglichkeiten zuteil wird oder Verpflichtungen. Die Neigung des Marktes bezieht sich auf die Macht der Produzenten im Vergleich zu jener der Konsumenten. Technisch wird sie durch die Höhe des Zinses (hoher Zins: mehr Macht für die Produzenten, niedriger Zins: mehr Macht für die Konsumenten) bestimmt, sowie durch Politik und Presse.

Es steht zu erwarten, daß die Ungleichgewichte dieser Institutionen, ich möchte sie als psychophorische Institutionen bezeichnen, sich aus den Wechseln der Herrschaftsformen des I Chings ergeben, und so ist es auch:
Folglich frevelt die Herrschaft der Unvernunft
  • bei den Indogermanen gegen die Vorliebe (die Achtung) und
  • bei den Semiten gegen das Gewissen (die Lust),
die Herrschaft der Rücksichtslosigkeit
  • bei den Indogermanen gegen das Gewissen (die Lust) und
  • bei den tibeto-japanischen Völkern gegen den (subjektiven) Glauben (die Sorge)
und die Herrschaft der Abgemessenheit
  • bei den Semiten gegen den (subjektiven) Glauben (die Sorge) und
  • bei den tibeto-japanischen Völkern gegen die Vorliebe (die Achtung).
Symmetrien zeigen sich dabei nicht, die Zuordnung hat lediglich die Geschichte auf ihrer Seite, und um sie noch einmal verkürzend zuzuspitzen:
  • Indogermanen freveln prinzipiell nicht an ihrer Sorge,
  • Semiten freveln prinzipiell nicht an ihrer Achtung (welche bei ihnen ironischerweise nicht besonders stark ausgeprägt ist)* und
  • tibeto-japanische Völker freveln prinzipiell nicht an ihrer Lust,
was allerdings nur das interne Verhalten dieser Volksgruppen beschreibt, denn extern ist es gerade umgekehrt:
  • Indogermanen freveln anderen Völkern gegenüber an deren Sorge, indem sie versuchen, sie zu übervorteilen,
  • Semiten freveln anderen Völkern gegenüber an deren Achtung, indem sie versuchen, ihnen zuvorzukommen, und
  • tibeto-japanische Völker freveln anderen Völkern gegenüber an deren Lust, indem sie versuchen, sie von strategischen Ressourcen auszuschließen.
Abgesehen von den Freveln, welche sich aus ihrem internen Zyklus ergeben, gesellen sich ihnen also auch noch Frevel bei, welche der Konfrontation mit anderen (nicht notwendigerweise fremdartigen) Völkern entspringen.

Außerdem setzt diese Betrachtung die Existenz einer Hochkultur bei den betroffenen Völkern voraus, welche bei den Sassaniden, beispielsweise, nur eingeschränkt anzunehmen ist, also nur in bezug auf die Schönheit des alltäglichen Lebens und nicht in bezug auf die Schönheit der Gesellschaft als ganzer.

Überhaupt haben die Hochreligionen sich sehr um die Begründung von Hochkulturen verdient gemacht, indem sie deren Grundlagen auf griffige Formeln brachten. Die Überwindung des Dualismusses zwischen einem guten und einem bösen Schöpfergott, beispielsweise, ist in Hinsicht auf die Verpflichtung zur Berücksichtigung der Interessen aller nicht zu unterschätzen, ohne welche eine Gemeinschaft schwerlich zu einem Gleichgewicht finden könnte, und insbesondere dann nicht, wenn sie groß und mächtig würde.

Nun denn, ich will diese Betrachtungen nicht allzu absolut verstanden wissen. Selbstverständlich gibt es Rüstungswettläufe zwischen allen Völkern. Je weiter etwas von Gott entfernt ist, desto mehr Gottlosigkeit waltet über es. Diese Art der geschichtlichen Betrachtung, welche Abläufe unter bestimmte Aspekte zwingt, dient lediglich dazu, Tendenzen aufzustöbern, welche unser Schicksal auf seine Bahn bringen.

Und wenn ich mich dabei auch sehr im lediglich Glaubhaften bewege: Stimmt es etwa nicht, daß eine Weltregierung, welche versuchte
  • Indogermanen zu übervorteilen,
  • Semiten zuvorzukommen und
  • tibeto-japanische Völker von strategischen Ressourcen auszuschließen,
dabei in allen drei Punkten scheitern würde? Fast bin ich geneigt hinzuzufügen: wie wir gerade sehen, aber es ist wohl nur die Arroganz der Leichtsinnigen, welche da zu Werke geht.

* man könnte einwenden, daß Semiten sich doch unter einander zinslosen Kredit gewähren, welcher ja der günstigste ist, aber die Wahrheit ist natürlich, daß zinsloser Kredit lediglich bedeutet, keinen Kredit zu gewähren, sondern sein Geld für sich zu behalten, und es ist evident, in wiefern das die Achtung befördert.

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