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27. September 2024

Kleine Theorie der Befehdung

Die im vorigen Beitrag betrachtete Gefährdung wird nicht nur instinktiv vollzogen, sondern auch planmäßig, in welchem Fall ich von Befehdung sprechen möchte, wobei das Ziel der Befehdung im Gegensatz zur Bekämpfung nicht die Vernichtung, sondern die Erschwerung ist.

Es gibt drei Lagen (Verlegenheiten), in welchen Befehdung stattfindet, nämlich
  • hierarchische,
  • rangelnde und
  • gemischt hierarchisch rangelnde,
und es gibt zwei Ziele der Befehdung, nämlich
  • die Stellung in einer Hierarchie (entspricht dem Geehrtwerden) und
  • die Kursbestimmung (entsprich dem Absägen),
wobei es in einem reinen Gerangel nur letzteres gibt, welches durch verhandelte Befehdung verfolgt wird, also dadurch, das Zünglein an der Waage zu spielen.

In einer reinen Hierarchie erfolgt die Befehdung zur Verfolgung einer Stellung in derselben stets von oben nach unten im Rahmen der Disziplinierung. Käme ein Untergebener auf den Gedanken, seinen Dienst befehdend zu verhandeln, würde er bestraft. Und auch wenn er irgendein Gerangel begänne und daraus einen Vorteil für seine Stellung zu ziehen versuchte, würde er bestraft, jedenfalls wenn die Hierarchie etwas auf sich hält, denn wenn eine Hierarchie ihre Untergebenen dazu erzieht, sich gegenseitig zu verpetzen, wird sie bald von rangelnden Intrigen befallen sein.

Ist ein Untergebener in einer reinen Hierarchie hingegen mit ihrem Kurs unzufrieden, bleibt ihm nur, sie befehdend zu unterhöhlen, weshalb es oftmals dazu kommt, daß Hierarchien zerbrechen, sobald sie nicht mehr in einem übergeordneten Gerangel als das kleinere Übel angesehen werden, wie die englische Krone, nachdem die Franzosen ihre nordamerikanischen Besitzungen 1763 an England abtreten mußten.

Ist die Lage gemischt, und möchte ein Untergebener den Kurs entgegen jenem seiner Hierarchie beeinflussen, so wird er sie befehdend sabotieren, wie Teile des sassanidischen Heers zur Begünstigung der Damaskios'schen Verschwörung, das heißt der Etablierung des Islams, 622 A.D. oder Netanyahu heute.

Und wenn die Lage gemischt ist, und jemand eine Stellung in einer fremden Hierarchie anstrebt, im einfachsten Fall die Aufnahme in ein Bündnis, so opportuniert er befehdend, wie erklärtermaßen Selenskyj, wobei die Kursbestimmung in einem Gerangel aber der überragende Effekt ist - wenn auch nicht im Sinne der Ukraine.

Es bleibt der Fall der Etablierung einer Hierarchie. Wenn eine Hierarchie etabliert wird, wird ihr entweder Macht verliehen, oder sie reißt sie an sich. Eine Hierarchie verleiht einer andern im Rahmen einer Reform ihre Macht und Rangelnde, wenn ihre Verhandlungen fruchtlos bleiben. Um die Macht einer Hierarchie an sich zu reißen, muß diese wenigstens in Teilen bekämpft werden, und um Rangelnde in eine Hierarchie zu zwingen, muß die Verständigung zwischen ihnen, als auch die Möglichkeit, einander erfolgreich zu bekämpfen, befehdend torpediert werden.

Post Scriptum vom selben Tag. Der im letzten Absatz betrachtete Fall verbleibt deshalb, weil die im Vorigen entwickelte Theorie der Befehdung zu klein ist, um der Geschichte gerecht zu werden, insofern sie annimt, daß sich die Ziele der Befehdung stets aus der gegenwärtigen Lage ergeben, was zwar meistens zutrifft, bisweilen aber nicht, nämlich wenn jemand ein Ideal verfolgt. Nun ließe sich natürlich einwenden, daß es sich bei der Etablierung des Islams oder der Gründung der Vereinigten Staaten um idealgetriebene Projekte gehandelt hat, aber ich teile diese Einschätzung nicht: In beiden Fällen ging es um die Reduzierung der Steuerlast und die Befreiung von politischen Projekten, welchen man ablehnend gegenüberstand.

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